Essen. Die Klubs müssen entscheiden, wie es in der Corona-Krise weitergeht. Sportrechtler Markus Buchberger analysiert fünf Rettungsszenarien.
Niemand weiß, wie es in der Corona-Krise weitergeht. Lockert die Bundesregierung in einigen Wochen die Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens, schwenkt sie um auf den Kurs massenhafter Virentests? Oder kommt es auch in deutschen Krankenhäusern zu den befürchteten dramatischen Szenen?
Der „Lockdown“, der Stillstand des öffentlichen Lebens, bedroht auch den deutschen Profi-Fußball in seiner Existenz. Er ist abhängig von den politischen Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie. „Doch der Bundesligafußball hat es trotz Corona in der Hand, nicht unterzugehen“, sagt Prof. Markus Buchberger, Dortmunder Fachanwalt für Sportrecht. Für die Zeitungen der Funke Mediengruppe hat er Lösungen analysiert, wie es für Vereine und Spieler weiter gehen kann. Denkbar sind für ihn fünf Szenarien – vom Saisonfinale im Turniermodus bis hin zur Supersaison aus zwei Spielzeiten. Über diese Lösungen sprechen am Dienstag die 36 Klubs der ersten und zweiten Liga in einer Krisensitzung.
Buchbergers fünfstufiges Lösungskonzept
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Buchberger schlägt ein fünfstufiges Lösungskonzept vor – jede Stufe ist abhängig davon, was behördliche Anordnungen, gesundheitliche Risiken für Spieler und Terminkalender erlauben. Drei Szenarien sind für den Fall denkbar, dass die aktuelle Saison zu Ende gespielt werden kann. Zwei Szenarien kommen in Betracht, wenn die Saison verlängert werden muss. Das sind die fünf Lösungsstufen:
1) Die Saison endet im Normalmodus
Zeitlich ist es noch möglich, die neun offenen Spieltage in beiden Lizenzligen auszutragen. Das würde bedeuten, dass 81 Meisterschaftspartien im Mai und Juni absolviert werden müssen, dazu das Nachholspiel Bremen gegen Frankfurt. „Das wäre im üblichen wöchentlichen Spielrhythmus in zwei Monaten machbar“, sagt Prof. Buchberger. Für realistisch hält er dieses Szenario jedoch nicht.
„Zur Vorbereitung auf die Fortsetzung des Spielbetriebs müsste direkt nach Ostern Training in Gruppen und wenig später Mannschaftstraining erlaubt sein. Danach sieht es im Moment nicht aus“, sagt der Jurist. „Voraussetzung ist zudem, dass die restliche Mannschaft ohne Quarantäne weitertrainieren kann, wenn es einen Coronafall im Team gibt“. Buchberger hält es daher für unwahrscheinlich, dass Mai und Juni voll als Spielzeit verfügbar sind.
2) Die Saison endet im Turniermodus
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Sollte sich im April zeigen, dass nicht im gesamten Mai gespielt werden kann, könnte in den Turniermodus geschaltet werden, um die Saison bis zum 30. Juni zu beenden. Um Reisen zu begrenzen, könnte je nach Region zentral in ausgewählten Stadien gespielt werden. Die Teams würden von Anfang bis Ende ihr Turnierquartier beziehen.
Buchbergers Fazit: „Nachteil der Turnierlösung ist der kleine Zeitkorridor. Weil die Terminlage eng ist, steigt das Risiko, dass Krankheitsfälle den Spielbetrieb in betroffenen Mannschaften nicht zulassen. Es drohen Wettbewerbsverzerrungen.“ Kann die Saison dann doch nicht zu Ende gespielt werden, wäre eine sportliche Wertung der aktuellen Tabelle schwierig: „Es gäbe zu viele Mannschaften, die eine unterschiedliche Zahl von Partien absolviert hätten“, sagt Buchberger. Grundsätzlich funktioniere der Turniermodus nur dann, wenn reine Virus-Verdachtsfälle nicht zur Quarantäne ganzer Teams führen.
3) Der Turniermodus geht in die Verlängerung
Der Turniermodus geht in die Verlängerung: Krankheitsfälle sowie weitere Spiel- und Trainingsverbote könnten im Turniermodus zur Folge haben, dass die Partien des letzten Spieltages nicht zur selben Zeit stattfinden können – nur so aber sollte sportlich fair eine Saison enden, sagt Buchberger. In diesem Fall können Klubs die Verlängerung der Saison in den Juli hinein beschließen, um Nachholspiele oder einheitlich den letzten Spieltag auszutragen.
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Das Problem: Die Spielverträge enden zum 30. Juni, Spieler mit ausgelaufenen Verträgen könnten sich weigern, anzutreten. Buchberger hält es jedoch rechtlich für möglich, dass die Folgen der Coronakrise aus Sicht der Vereine eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ darstellen. Paragraf 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches sehe vor, dass in diesem Fall eine Anpassung aller Verträge per Gesetz erfolgt. Anders gesagt: Die Verträge verlängern sich automatisch. Buchberger schränkt jedoch ein: „Die gesetzliche Regelung ist bisher in der Praxis nicht erprobt und deshalb rechtlich dünnes Eis.“
Fazit: Buchberger hält eine minimale Verlängerung der Saison für verhältnismäßig – aber nur aus Not und als letztes Mittel. Er rät davon ab, schon jetzt auf diesen Lösungsweg zu setzen. Von der Möglichkeit, dass die Klubs nun eine weiträumige Verlängerung der laufenden Saison beschließen, rät er ab: „Der Fußball macht sich rechtlich angreifbar, wenn er frühzeitig eine Saison verlängert, ohne zu wissen, wie viel Zeit nötig ist, um sie zu beenden.“ Es drohe rechtliches Chaos, wenn sich Spieler nicht auf eine Verlängerung der Vertragslaufzeit einlassen.
4) Die laufende Saison wird vorzeitig abgebrochen
Die laufende Saison wird vorzeitig abgebrochen: Die Saison ohne Wertung zu annullieren, scheidet für Buchberger aus: „Ohne Wertung kann auch kein Teilnehmer an europäischen Wettbewerben benannt werden. Das ist ein Beschluss, der nur Verlierer produziert.“ Wird die Saison tatsächlich abgebrochen, dürfe es, so Buchberger, weder aus der Bundesliga noch aus der 2. Liga Absteiger geben. „Absteiger zu benennen, ohne dass alle Hin- und Rückspiele absolviert wurden“, wird zu Klagen führen“, warnt der Jurist.
Der Vorschlag: Die Bundesliga wird nach dem Saisonabbruch auf 22 Mannschaften aufgestockt, die aktuell ersten vier Mannschaften der 2. Liga steigen auf, also Tabellenführer Arminia Bielefeld, der VfB Stuttgart, Hamburger SV und der 1. FC Heidenheim.
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In einer 22er-Bundesliga würden dann acht zusätzliche Spieltage ausgetragen werden. In der aktuellen Saison fehlen der Bundesliga Stand jetzt neun Spieltage. „Die neu hinzukommenden Spieltage können Sky oder anderen Inhabern von Übertragungsrechten als Ausgleich für ausgefallene Spiele der laufenden Saison angeboten werden“, schlägt Buchberger vor. Er geht davon aus, dass für diesen Beschluss eine Dreiviertelmehrheit in der Ligaversammlung notwendig ist. Die hält er für möglich. Problematisch sei die Frage, wie die 2. Bundesliga aufgefüllt werde. Würde auch hier mit 22 Teams gespielt, um die Einnahmen aus den fehlenden Spieltagen auszugleichen, wären bis zu acht Drittligisten zu befördern.
Fazit: „Stufe 4 wäre mehrheitsfähig, sportlich fair und könnte finanzielle Schäden der laufenden Saison im Folgejahr kompensieren“, glaubt Buchberger. Würden sich die Klubs zu dieser Lösung entscheiden, hätten Vereine und Sponsoren Planungssicherheit. Das aktuelle Problem von Liquiditätsengpässen aufgrund der ausbleibenden Einnahmen könne dieses Modell jedoch nicht allein lösen.
5) Die laufende und nächste Saison werden zusammengelegt
Die laufende und nächste Saison werden zusammengelegt: Die Idee: Die Spielzeiten 2019/2020 und 2020/2021 werden als eine Saison gewertet, es würde der Deutsche Meister 2019/2021 ausgespielt. Die bisher erzielten Punkte der Teams bleiben erhalten, die sportlichen Entscheidungen fallen nicht nach dem 34. Spieltag sondern nach dem 68., im Mai 2021.
Zur Person
Prof. Dr. Markus Buchberger (51), geboren in Wanne-Eickel, ist Fachanwalt für Sportrecht. Er praktiziert in Dortmund und berät Sportmanager, Fußball-Trainer und Spieler in rechtlichen Fragen. An der Fachhochschule Koblenz lehrt Buchberger Sportrecht und Sportmanagement, unter anderem mit den Schwerpunkten Sportarbeitsrecht und Vermarktungsrechte im Sport.
Die Folgen der aktuellen Corona-Krise werfen für den Sport Fragen auf, die niemals zuvor gestellt wurden, sagt Buchberger. Über diese und andere Hintergründe will er künftig in seinem Onlinemagazin „Backstage in Sports“ unter backstage-in-sports.com berichten. Gemeinsam mit einem Autorenteam will er aktuelle Themen aufbereiten und Denkanstöße geben.
„Die größte Hürde dürfte eine Einigung mit Sky sein“, glaubt Buchberger. Nur wenn der wichtigste Übertragungspartner bereit sei, Vorauszahlungen auf künftige Spiele zu leisten, helfe diese Lösung wirtschaftlich weiter. Die Wechsel von Spielern im Sommer und im Winter bliebe erlaubt, die internationalen Plätze müssten aus dem laufenden Betrieb bestimmt werden. „Es ist die ungewöhnlichste Lösung“, sagt Buchberger, „doch sie schafft Potenzial für den Fußball in hoffentlich wieder coronafreien Zeiten.“