Bukarest. In Bukarest werden am Samstag die sechs Vorrundengruppen der EM 2020 ermittelt. Von einer Auslosung kann nicht wirklich die Rede sein.
Kevin de Bruyne hat in diesem Fall kein Blatt vor den Mund genommen. An dem Prozedere für die Auslosung der EM-Endrunde am Samstag (18 Uhr/ARD ONE) in Bukarest übt der Leistungsträger vom Weltranglistenersten heftige Kritik. „Fußball ist mehr und mehr ein Geschäft geworden“, schimpfte der früher Bundesligaprofi und Starspieler von Manchester City gegenüber dem belgischen Sender VTM Nieuws. Die Roten Teufel wissen schon jetzt, dass die Gegner in der Gruppe B Russland und Dänemark heißen. Und die einzige Variable besteht darin, ob Wales oder Finnland noch dazukommen. De Bruyne spricht von einer „Schande“, denn: „Das fühlt sich an wie eine Wettbewerbsverzerrung.“
Für die Belgier geht es deshalb in die Russland-Gruppe nach St. Petersburg, weil die Ukraine aus politischen Gründen dort nicht spielen darf. Alle anderen Teams aus Lostopf eins genießen Heimrecht in ihren Austragungsstädten. Von einer echten Auslosung kann keine Rede sein, wenn nur elf Teams frei gelost werden und der Rest durch politische und organisatorische Vorgaben gesetzt ist. Zudem ist die EM-Qualifikation mit der Nations League verknüpft: Zwei Wettbewerbe in den Qualifikationsmodus einfließen zu lassen, ist unlogisch. Nachvollziehbar sind die Kriterien auch kaum.
Endgültiges Feld steht erst im März
Bei der erstmals mit 24 Teams ausgespielten EM 2016 in Frankreich war es so, dass die besten Gruppendritten noch Play-off-Spiele absolvierten. Im November 2015 standen die Teilnehmer fest, danach wurde das Endturnier ausgelost. Jetzt wurde alles verkompliziert: Nationen wie Georgien, Nordmazedonien, Kosovo und Weißrussland dürfen noch über den Play-off-Pfad D auf die EM-Teilnahme hoffen, obwohl die in der deutschen Gruppe vollkommen überforderten Weißrussen bei einem Endturnier eigentlich nichts zu suchen haben. Erst im März 2020 steht das Feld wirklich fest.
Bundestrainer Joachim Löw gibt sich vor der Zeremonie im Messezentrum von Bukarest als Pragmatiker zu erkennen: „Mit der Auslosung bekommt ein Turnier sein Gesicht. Wenn wir unsere Gegner und weitere mögliche Konstellationen kennen, können wir in die weiteren konkreten Planungen einsteigen.“ Die zugeteilten Gegner seien ein „schönes Mitbringsel“ der Rumänien-Reise. Der 59-Jährige weiß, dass seiner Mannschaft in der Gruppenphase jegliche Reisestrapazen erspart bleiben. „Das ist natürlich gut, wenn sich auf kurze Reisen einstellen kann.“ Und DFB-Präsident Fritz Keller teilte als Delegationsleiter mit: „Unsere Vorfreude auf die Euro 2020 ist riesig. Nicht nur, weil sich unsere Nationalmannschaft mit zuletzt überzeugenden Auftritten als Gruppenerster für die EM qualifiziert hat, sondern auch weil wir mit München ein hervorragender und herzlicher Gastgeber sein möchten.“
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DFB spielt dreimal in München
Ausgerechnet die München und Budapest zugeteilte deutsche Gruppe F bietet noch die meisten Optionen. Aus dem zweiten Topf kommen Frankreich oder Kroatien, Polen und die Schweiz infrage, auf dem dritten Topf wäre Europameister Portugal der schwierigste Gegner. Ungarn, Island oder Bulgarien bieten sich als dritter Kontrahenten an. Würde sich allerdings aus diesem Qualifikationspfad A Rumänien durchsetzen, kämen die Rumänen automatisch in die Gruppe C mit dem Spielort Bukarest. Dann käme ein Leichtgewicht auf dem Qualifikationspfad D auf die Löw-Elf zu, die ihre Heimspiele in München am 16., 20. und 24. Juni austrägt. Danach kann es vor dem Halbfinale und Finale in London nach Dublin, Baku, Bilbao oder St. Petersburg gehen.
Der einstige Uefa-Boss Michel Platini hatte nicht nur die Aufblähung der EM eingeleitet, sondern hatte bei der EM 2012 in Kiew auch die fixe Idee vorgestellt, die Auflage 2020 über ganz Europa zu verteilen. Zwölf Länder, zehn Sprachen, sieben Währungen und vier Zeitzonen kommen heraus, wenn zwischen Bilbao, Budapest und Baku im fernen Aserbaidschan gespielt wird. Von einer großen Party, wie sie einst der heutige Fifa-Präsident Gianni Infantino in seiner Rolle als Platinis Generalsekretär versprach, kann keine Rede mehr sein. Fans brauchen viel Organisationsgeschick und einen gut gefüllten Geldbeutel, um das Dutzend an Spielorten anzusteuern.
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Kaum Widerspruch aus Deutschland
Mit Kritik hält sich ausgerechnet der mächtige DFB zurück. Auch, weil der größte Verband gerade nicht in den entscheidenden Gremien bei Uefa und Fifa vertreten ist. Sich da aus der Ferne als Besserwisser aufzuschwingen, käme nicht so gut. Andere Nationen artikulieren ihren Unmut deutlicher. „Ich verstehe dieses neue Format nicht wirklich“, hat der niederländische Nationaltrainer Ronald Koeman gesagt. Der Bondscoach habe im Verband gefragt, „ob ich wirklich zu dieser Auslosung gehen soll“. Er wird es wohl tun.