Wattenscheid. Der Rückzug der SG Wattenscheid macht auch Ex-Spieler traurig. Halil Altintop plädiert für gute Jugendarbeit – und kann sich Rückkehr vorstellen.

Am Tag nach der Entscheidung war an der Wattenscheider Lohrheide alles wie immer. Kein Kranz, keine Blumen, keine heulenden Fans. Als am Mittwoch zuvor bekanntgemacht worden war, dass die SG Wattenscheid 09 den Spielbetrieb in der Regionalliga West einstellt, waren viele Fans des Traditionsvereins traurig, aber für einige war es auch eher ein Moment der Erleichterung. Immer wieder hatten die Vereinsverantwortlichen mit Gläubigern nachverhandelt und Hoffnungen geweckt – am Ende vergebens. Aber so ganz wird die SG 09 nicht verschwinden. Der Verein plant, kommende Saison mit einem Team in der Oberliga zu starten.

Abschied von Spielern am Samstag

Für die Anhänger ist das zumindest ein kleiner Trost. Auch von der aktuellen Mannschaft können sich die Fans noch mal verabschieden. Am Samstag wird es um 15.30 Uhr eine Aktion am Stadion geben. Irgendwie ist der Zeitpunkt des Treffens auch eine Art Symbol, denn um 15.30 ist bekanntlich Bundesliga-Anpfiffzeit. Von der Bundesliga bleiben nun nur noch Erinnerungen.

Endzeitstimmung im Lohrheidestadion: Ein paar Fans betrauern den Rückzug der SG Wattenscheid 09 aus der Regionalliga
Endzeitstimmung im Lohrheidestadion: Ein paar Fans betrauern den Rückzug der SG Wattenscheid 09 aus der Regionalliga © Stefan Rittershaus / FUNKE Foto Services

Vom Verein übrig bleibt vorerst nur die Jugendabteilung. Gerade die war, wenn man in alten Zeiten schwelgt, auch immer ein Steckenpferd des Klubs. Jüngstes Beispiel ist Leroy Sané ganz zu Beginn seiner Karriere, aber auch Yildiray Bastürk sowie die Altintop-Zwillinge Hamit und Halil stehen für die ertragreiche Arbeit in Wattenscheid. Immerhin ist seit dem feststehenden Rückzug am Mittwoch auch klar, dass die SG weiter auf ihren Nachwuchs bauen kann. „Das ist ein sehr wichtiges Signal“, sagt Halil Altintop (36) im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wenn der Verein aufrechterhalten werden soll, dann geht das nur über die Jugend.“

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Schon länger machte sich Altintop Sorgen um die Zukunft des Klubs. Kürzlich tauschte er sich daher mit Josef Schnusenberg aus. Der frühere Vorstandsvorsitzende des Bundesligisten Schalke 04 engagiert sich seit geraumer Zeit bei der SG 09 im Aufsichtsrat. „Man macht sich darüber Gedanken, ob man etwas tun kann“, erklärt Altintop. „Leider ist es nicht dazu gekommen.“ Momentan trainiert der frühere türkische Nationalspieler den TSV Schwaben Augsburg (Bayernliga), macht nebenbei seinen Trainerschein. Sein Bruder Hamit ist beim türkischen Verband verantwortlich für die U21. Ob sich Halil Altintop vorstellen könne, zukünftig noch einmal für die SG zu arbeiten? „Wenn es beruflich und privat bei mir passt – selbstverständlich“, sagt er. „Wattenscheid wird immer in meinem Herzen bleiben.“

Als die großen Bayern besiegt wurden

Auch Uwe Tschiskale ist ein Name, den die Anhänger des Traditionsklubs noch aus Bundesliga-Zeiten in guter Erinnerung haben. Zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrtausends war das, als Tschiskale, Souleyman Sané, Marek Lesniak, Torsten Fink, Uwe Neuhaus und Trainer Hannes Bongartz, um nur einige Namen zu nennen, für einen vierjährigen Ausflug in die höchste deutsche Spielklasse standen. Mit Hans-Peter Briegel, Stefan Emmerling, Markus Schupp, Kapitän Frank Hartmann und Hans Werner Moser spielte quasi eine Abordnung Ehemaliger des 1. FC Kaiserslautern in Wattenscheid. Der große FC Bayern wurde in der Aufstiegssaison im Juni 1991 im Lohrheidestadion 3:2 besiegt, ein Jahr später gab’s ein 1:1 in München. Finanziert wurde alles vom Mäzen Klaus Steilmann, dessen Tochter Britta später erste Managerin in der Bundesliga war.

Doch selbst nach Steilmanns Rückzug schaffte es die SG nie, sich vom Übervater zu lösen. Der Verein konnte nie die Strukturen an das Millionengeschäft Profifußball anpassen. „Nur mit familiärer Atmosphäre kann man keinen Erfolg haben“, sagt Tschiskale, der von 1985 bis 1987 sowie von 1989 bis 1993 für die Wattenscheider stürmte und heute in Coesfeld ein Hotel betreibt.

Nun muss man sehen, inwiefern die Insolvenz eine Chance sein kann, ob der Verein seine Jugendarbeit noch mal so aufstellen kann, dass dann auch später eine Mannschaft im Seniorenbereich wieder Fuß fassen kann. Halil Altintop würde es auf jeden Fall freuen.