Essen. Matthias Sammer hat seine Tätigkeit als TV-Experte bei Eurosport aufgegeben. Er wird dem BVB weiter helfen und sich um eine Handy-App kümmern.
Kürzlich hat der Eurosport-Kommentator Jan Henkel einen Einblick über seine gemeinsame Arbeit mit Matthias Sammer gegeben. “Ich dachte, dass ich Ahnung von Fußball habe”, sagte Henkel, “aber erst durch Matthias Sammer habe ich gelernt, wie wenig ich eigentlich weiß.” Die stundenlangen Sichtungen und Erklärungen von Spielszenen, der Kontext zwischen dem Geschehen auf dem Rasen und der Aufgabenstellung im Kopf, hätten sein Berufsbild komplett verändert: “Ich habe danach Fußball mit ganz anderen Augen gesehen.”
Man muss nicht nur deshalb sehr ernst nehmen, wenn Matthias Sammer (51) ausgerechnet das BVB-Supertalent Youssoufa Moukoko nennt, um das Problem des deutschen Fußballs zu thematisieren. “Dass wir so viel über ihn reden, zeigt, dass wir früher mehr Talente hatten, die außergewöhnlich waren”, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur SID. “Was ihm gelungen ist, knapp 50 Tore in der B-Junioren-Bundesliga, das war früher bei den Topleuten Normalität! Darüber müssen wir nachdenken.”
Sammer will gegen den Mainstream schwimmen
Sammer, Meisterspieler und -trainer von Borussia Dortmund, jetzt beim BVB Berater von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, hat seinen Fernsehjob bei Eurosport überraschend hingeworfen und bringt sein Wissen aus drei Jahrzehnten Profi-Fußball in einer Handy-App ein. Als Sportstratege bei der Firma “Gokixx” will er gegen Mainstream schwimmen: Jugendarbeit mit dem Smartphone - statt dagegen. Fußballtalente können sich von Trainingsplan über Spielvorbereitung bis zur Ernährung Tipps aus ersten Hand einholen.
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Nachwuchsförderung aus dem Handy - geht das überhaupt? Sammer: “Es ist die Aufgabe, das Bestmögliche für die Jugendlichen zu wollen. Individualisierung beginnt nicht erst mit 18. Es gibt die Klubs, den DFB, das Elternhaus, die Berater. Aber es gibt vielleicht auch etwas dazwischen: Eine Nische zu entdecken, die mit viel Inhalt kommt, aber auch eine neutrale Instanz sein kann.” Nämlich Matthias Sammer. Er selbst will den direkten Kontakt zu Nachwuchsspielern suchen, wie er das als DFB-Sportdirektor schon getan hat.
Sammer: Persönlichkeitsentwicklung und Mentalität angehen
Sammer: “Direkt aus dem Nachwuchs bei Bayern München oder Borussia Dortmund hineinzukommen, ist fast nicht mehr möglich. Wenn es einem absoluten Spitzenverein gelingt, einen Spieler aus dem Nachwuchs in vier Jahren hochzuführen, hat er seine Aufgabe erfüllt. Aber Nachwuchsarbeit ist ja nicht nur für die Spitze.” Spieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Niklas Süle. Julian Brandt, Kai Havertz würden zwar den Erfolg der Nationalmannschaft sicherstellen. Aber schon drohe die nächste Gefahr.
“Da ist eine Menge Qualität”, so Sammer erklärend. “Doch jetzt heißt es wieder: nur noch individuell! Da müssen wir aufpassen. Wenn du nur in der Individualisierung bist, wirst du keine Leader mehr entwickeln.” Keinen Anführer, wie er das bei den zwei Meisterschaften 1995 und 1996 sowie beim Champions-League-Sieg 1997 beim BVB war. Sammer: “Inhaltlich müssen wir uns wieder weiterentwickeln. Gerade Themen der Individualisierung, der Persönlichkeitsentwicklung, der Mentalität müssen wir angehen.” Notfalls am Handy.