Chemnitz/Essen. Der Chemnitzer FC bemüht sich bei seinem Heimspiel um Zeichen gegen Rechts. Doch so wirklich gelingt's nicht. Beim BVB hat der Wandel geklappt.
Rainer Koch wollte sich persönlich überzeugen, wie viel Himmelblau im Chemnitzer FC noch steckt. Der Vize-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes reiste am Samstag zur Regionalliga-Partie des CFC gegen Budissa Bautzen und sah tatsächlich etwas: Vor dem Anpfiff präsentierten die Mannschaften gemeinsam ein Banner für demokratische Grundwerte, dazu trugen einige Fans T-Shirts für mehr Toleranz, die der Verein verteilt hatte.
Einige Shirts lagen nach dem Abpfiff im Stadiongraben
Der braune Teil der Anhängerschaft zeigte sich nicht wie vor zwei Wochen, als er dem verstorbenen Neonazi Thomas Haller in einer erschreckenden Choreographie gedachte. Weg war er auch nicht, bloß schwerer auszumachen. Zum Anpfiff blieb die Südtribüne fast leer. Angeblich protestierten die Fans gegen die Vereinspolitik. Von den Shirts hielten sie noch weniger: Nach dem Abpfiff lagen sie im Stadiongraben. „Ich glaube, dass wir uns alle ein anderes Zeichen gewünscht hätten. Das ist nicht so passiert“, so Chemnitz-Geschäftsführer Thomas Sobotzik im ZDF.
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Kapitän Dennis Grote wollte sich nicht mehr dazu äußern. Mit einem Brief an die Fans habe die Mannschaft „das Ganze“ abgeschlossen. Darin riefen die Spieler dazu auf, „Farbe zu bekennen und zu zeigen, dass Chemnitz himmelblau und nicht braun ist“. Daniel Frahn versuchte es mit einem sportlichen Zeichen. Der Angreifer hatte sich mit seinem Jubel gegen Altglienicke selbst in die rechte Ecke befördert, schoss nun das Siegtor. „Wir haben gezeigt, dass wir zum Fußballspielen da sind“, sagte Grote im MDR.
Doch damit ist es nicht getan, betonte DFB-Vize Koch. „Wichtig ist nicht das einmalige Ereignis heute, wichtig ist, dass konkret gearbeitet wird. Wir dürfen das Stadion nicht einer Minderheit überlassen.“
So wie in Dortmund, wo es der Bundesligist geschafft hat, die rechten Fans aus dem Stadion zu drängen. Die Revierstadt hat seit Jahrzehnten ein rechtes Problem, der BVB hat seines halbwegs im Griff. „Auch in Dortmund gibt es die Nazis zwar weiterhin, aber der BVB stellt sich massiv dagegen, unterstützt den großen, positiven Teil“, sagt Fanforscher Robert Claus dieser Redaktion. Der 36-Jährige arbeitet bei der Kompetenzgruppe Fankulturen und sportbezogene soziale Arbeit (Kofas) in Hannover und berät Borussia Dortmund.
"Nazi-Hooligan-Verbindung" zwischen dem BVB und dem CFC
Zwischen dem BVB und dem CFC gibt es laut Claus eine „Nazi-Hooligan-Verbindung“. In beiden Städten hätten es Nazis verstanden, rechte Strukturen zu schaffen, in Dortmund vor allem im Stadtteil Dorstfeld. „Aber der Unterschied ist, dass Dortmunder Nazis politisch isoliert sind. Sie haben keine Bündnisse außerhalb ihrer Kernszene und schaffen es nicht, spontan 1000 oder 4000 Leute zu mobilisieren.“ Als in Chemnitz vergangenen Montag Thomas Haller beerdigt wurde, kamen rund 1000 Teilnehmer, darunter Hunderte Hooligans. Am Grab des verstorbenen Neonazis wurde ein himmelblauer Kranz mit CFC-Logo niedergelegt.
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In Dortmund wäre so etwas vor einigen Jahren noch denkbar gewesen. Aber der Revierklub hat dagegen gesteuert. Fanarbeit – Ende Mai findet ein Workshop zum Thema Zivilcourage statt, Presse- und Netzwerkarbeit, Mitarbeiterschulungen und Gedenkaktivitäten hätten dazu geführt, dass der BVB den Rechtsdruck lindern konnte. „Der BVB hat es geschafft, ein Konzept zu entwickeln“, sagt Claus. Dabei zähle Langfristigkeit. „Einmalige symbolpolitische Maßnahmen bringen nichts, das sieht man am Beispiel Chemnitz.“
Vielleicht fehlt das Verantwortungsbewusstsein. Auf einer Pressekonferenz pochten die Verantwortlichen des CFC darauf, dass rechte Fans ein gesellschaftliches Problem seien. Das stimmt nur zum Teil, sagt Robert Claus. „Fußballklubs wie der Chemnitzer FC sind ganz zentrale Organisationen in einer Region, die viele Menschen erreichen.“ Und damit viel bewirken können.