Wolfsburg. . Seit vier Monaten ist Tobias Haupt Leiter der DFB-Akademie. Im Interview plädiert er auch dafür, die jungen Spieler in den Mittelpunkt zu rücken.
Herr Haupt, seit gut vier Monaten arbeiten Sie als Leiter der DFB-Akademie. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Tobias Haupt: Es ist eine hoch spannende Aufgabe. Mit unseren Projekten möchten wir Dienstleister und Impulsgeber für den deutschen Fußball sein. Grundsätzlich hat die DFB-Akademie zwei Abteilungen, in denen all das realisiert wird.
Welche sind das?
Haupt: Das ist einmal die Abteilung „Trainer Aus-, Fort-, und Weiterbildung“. Wir bilden alle Trainer, auf C- und B-Lizenzebene gemeinsam mit den Landesverbänden, bis zum Fußballlehrer aus. Dazu gehören auch die Qualifizierungsmaßnahmen. Außerdem sind wir gerade dabei, verschiedene Weiterbildungsformate für die unterschiedlichen Schlüsselpositionen im deutschen Fußball auszuarbeiten. Zudem gibt es die Abteilung „Innovation und Entwicklung“. Sie gliedert sich in drei Bereiche. Das ist einmal der Bereich Think Tank. Der zweite ist der Bereich Innovation und Technologie. Und der dritte ist der Bereich Wissensmanagement.
Wem will die DFB-Akademie helfen?
Haupt: Wir beschäftigen uns vor allem mit der Leistungsspitze. Die Fragestellung lautet: Wie schaffen wir es, unsere Nationalmannschaften noch besser zu machen? Wie schaffen wir es aber auch, als Dienstleister für die Profiklubs einen Mehrwert darzustellen? Und gleichzeitig haben wir den Amateurfußball im Blick, der für uns ganz wichtig ist. Die Bandbreite ist also sehr groß.
Dabei soll der Think Tank helfen. Wie?
Haupt: Durch den Think Tank identifizieren wir, wo es in der Praxis an Unterstützung bedarf. Wir wollen ganz konkrete Lösungen entwickeln. Dazu haben wir den Think Tank auf mehrere Bereiche fokussiert: Talententwicklung, Trainerentwicklung, Medizin und Athletik sowie Psychologie und Datenanalyse.
Was gibt es für Probleme?
Haupt: Bei der Talententwicklung gibt es etwa den "Relative Age Effect“. Dieses Problem existiert seit jeher nicht nur im Fußball, sondern im Sport allgemein. Das heißt, dass ein Großteil der Spieler in den Nachwuchsleistungszentren, aber auch in den Lizenzmannschaften, in der ersten Jahreshälfte geboren wurde. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass alle, die nach dem 1. Juli geboren sind, schlechter Fußballspielen können.
Das ist natürlich nicht so.
Haupt: Genau. Dieses Problem ist allen bewusst, und wir möchten es in den Griff bekommen. Dadurch könnten wir den großen Talentpool in Deutschland noch besser ausschöpfen. Der Think Tank liefert Ideen, wie es klappen könnte. Es gibt auch noch ein Beispiel aus der Trainerentwicklung.
Bitte ...
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Haupt: Das Aufgabenfeld eines Bundesliga-Trainers hat sich rasant verändert. Er ist mittlerweile eher ein Manager, der die unterschiedlichen Spezialtrainer koordiniert. Er ist ganz anders gefordert als noch vor fünf Jahren. Auch da ist es die Aufgabe des Think Tanks, diese Kompetenzen zu identifizieren, um sie in unsere Ausbildung einzubauen. Wir versuchen immer, die sofortige Problemlösung zu ermöglichen.
War der Think Tank eine Reaktion auf das WM-Aus?
Haupt: Er war keine direkte Reaktion auf das WM-Aus. Das Projekt hat schon Anfang des vergangenen Jahres begonnen. Mit der zweiten Jahreshälfte haben wir die Praxisverankerung bewusst forciert und ausgebaut, davon profitieren alle Beteiligten.
Also existieren die Probleme schon länger?
Haupt: Den Bedarf hat Oliver Bierhoff schon vor vielen Jahren gesehen. Die Erkenntnis, dass eine Weiterentwicklung stattfinden muss, gab es schon lange.
Wie wurden die Personen für den Think Tank ausgewählt?
Haupt: Nachdem wir die Schwerpunkte festgelegt hatten, haben wir ein Anforderungsprofil definiert. Anschließend sind wir die Manager und die Trainer aus der Bundesliga durchgegangen und haben Gespräche geführt. Die Bereitschaft und das Interesse waren hoch. Das hat mich persönlich sehr gefreut und es zeigt, wie eng unsere Synergien mit der Praxis sind.
Dieter Hecking und Max Eberl von Borussia Mönchengladbach sind dabei.
Haupt: Sie gehören dazu. Bernhard Peters auch. Und noch ein paar weitere Namen, die darum gebeten haben, nicht genannt zu werden.
Wie wollen sie verhindern, dass sie nur diskutieren, aber nichts verändern?
Haupt: Wir haben Prozesse entwickelt, die es uns erlauben, in sehr kurzer Zeit von der Erkenntnis zur Lösung zu kommen. Als Akademie zeigen wir die Probleme auf und geben konkrete Lösungen an die Hand. Die Umsetzung erfolgt auf dem Fußballplatz, im Verein und bei den Mannschaften. Wir setzen Impulse. Zur Veränderung gehört auch ein Kulturwandel.
Wie muss der aussehen?
Haupt: Wenn wir uns etwa die Wechsel zwischen den Leistungszentren anschauen, dann sehen wir, dass Spieler aus der U16 aus dem Leistungszentrum A im Norden Deutschlands in das Leistungszentrum B im Süden Deutschlands wechseln. In zahlreichen Studien ist aber belegt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler Profi wird, rapide sinkt, wenn er zu früh aus seinem sozialen Umfeld gerissen wird. Das wissen auch viele Vereine. Trotzdem werden diese Wechsel vollzogen. Ich würde mir wünschen, dass stets der Spieler im Mittelpunkt steht. Uns verbindet das Ziel, ihn optimal zu fördern – am besten so, dass er es bis in die A-Nationalmannschaft packt.
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Ist das manchmal frustrierend?
Haupt: Es gibt auch Gründe, warum sich das System so entwickelt hat. Vieles hat seine Vorteile und Stärken, manches möchten wir verbessern. Wir sind allerdings ‚nur‘ die Institution, die Vorschläge unterbreiten kann. Wenn es uns gelingt, nur ein paar Veränderungen anzustoßen, dann sind wir schon einen Schritt weiter. Wir sind im deutschen Fußball immer noch sehr nah an der Weltspitze dran.
Wie oft trifft sich der Think Tank?
Haupt: Da gibt es unterschiedliche Ebenen. Die großen Treffen mit den Bundesliga-Akteuren finden viermal im Jahr statt. Zudem gibt es noch den persönlichen Austausch auf Projektebene.
Wie soll sich der deutsche Fußball verändern?
Haupt: Das Talent sollte wieder im Zentrum stehen. Wir müssen den Spieler individuell fördern, ihn nicht nur als Faktor auf dem Spielfeld betrachten. Bei der Trainerentwicklung sollte nicht jeder U15-Trainer das Gefühl haben müssen, unbedingt in die Bundesliga zu kommen. Er sollte auch als Jugendtrainer Anerkennung und Wertschätzung erfahren. All das möchten wir unterstützen.
Braucht es mehr Verantwortung der Klubs für den deutschen Fußball?
Haupt: Nein, das würde mir zu weit gehen. Die Verantwortung für den deutschen Fußball tragen wir alle – Vereine, Landesverbände und DFB. In dieser Gesamtheit liegt so viel Power, die wir gemeinsam auf die Strecke bringen möchten.