Wolfsburg. . Verband und Bundesligaklubs haben dieses eine Ziel – suchen aber noch Wege. Tobias Haupt, Leiter der DFB-Akademie, erklärt den Austausch.
Es wird in diesen Tagen in Wolfsburg immer diese eine Frage gestellt, wenn sich Teile der deutschen Nationalmannschaft auf das Podium im Medienzentrum begeben. Egal, ob da nun Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff hockt. Oder Bundestrainer Joachim Löw. Oder Julian Brandt. Alle müssen sie dann erklären, ob auch sie ein Qualitätsdefizit im deutschen Fußball ausgemacht hätten. Weil die deutschen Vorzeigefußballer zuletzt enttäuschten, die Talente weniger werden – und sich auch die Bundesliga-Vereine in der Champions League nicht gerade mit Ruhm bekleckerten.
Vier Treffen im Jahr
Ja, lautet die Antwort dann in der Regel, man müsse sich wieder verbessern. Seltener wird aber über die Ansätze für Änderungen diskutiert, die der Deutsche Fußball-Bund bereits eingeleitet hat. Weil die Probleme, über die nun alle diskutieren, länger bekannt sind, durch das WM-Aus 2018 nur offensichtlich wurden. Im Hintergrund wird daher längst daran gewerkelt, wieder in die Weltspitze vorzudringen. Etwa mit dem sogenannten Think Tank, der bereits Anfang 2018 ins Leben gerufen wurde. Es ist eine Art Arbeitskreis, in dem sich viermal im Jahr auch Vertreter der Profivereine in der DFB-Akademie zusammensetzen, um Konzepte zu erarbeiten und Entwicklungen entgegenzutreten. Dabei diskutieren unter anderem Gladbachs Sportdirektor Max Eberl und Trainer Dieter Hecking mit.
„Wir wollen ganz konkrete Lösungen entwickeln“, erklärt der Leiter der DFB-Akademie, Tobias Haupt, im Gespräch mit dieser Zeitung. Denn Probleme gebe es genug. Etwa den „Relative Age Effect“. Dass also Talente, die in der ersten Jahreshälfte geboren sind, die jüngeren aus ihrem Jahrgang aus den Nachwuchsleistungszentren drängen. Oder die viel zu frühen Wechsel innerhalb der Jugendmannschaften. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, Profi zu werden, laut Studien rapide sinkt, wenn Talente zu früh aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden.
Bereitschaft zur Mitarbeit ist groß
Für all diese Dinge soll der Think Tank Lösungen schaffen, aber keine Regeln vorgeben. „Die Umsetzung erfolgt auf dem Fußballplatz, im Verein und bei den Mannschaften“, sagt Haupt. Viermal im Jahr setzen sich die Bundesligavertreter zusammen. Das erste Treffen gab es in der zweiten Jahreshälfte 2018, war aber nicht als direkte Reaktion auf die WM-Blamage zu verstehen. „Die Erkenntnis, dass eine Weiterentwicklung stattfinden muss, gab es schon lange“, sagt der Leiter der DFB-Akademie. „Den Bedarf hat Oliver Bierhoff schon vor vielen Jahren gesehen.“
Auch interessant
Um die Vertreter aus dem Profifußball auszuwählen, wurde erst ein Anforderungsprofil formuliert. Dann wurden Gespräche geführt. „Die Bereitschaft war sehr groß“, erklärt Haupt. Neben Eberl und Hecking soll sich künftig auch Bernhard Peters, ehemaliger Sportdirektor des Hamburger SV und früherer Hockey-Nationaltrainer, in die Denkfabrik miteinbringen. „Ich würde mitmachen, wir haben darüber schon gesprochen“, sagt dieser. „Denn ich glaube, dass es im deutschen Fußball viel zu tun gibt. Aber ich will nicht so viel darüber reden, sondern Dinge umsetzen.“
Zeit für einen Kulturwandel
Genau darin aber könnte das Problem liegen – wie bei vielen Arbeitskreisen. Dass also am Ende nur diskutiert wird, die Probleme aber nicht aktiv angegangen werden. Dies solle möglichst verhindert werden, erklärt Tobias Haupt. Es gebe grundsätzlich auch Gründe, warum sich das System so entwickelt habe. „Vieles hat seine Vorteile und Stärken, manches möchten wir verbessern.“
So will der DFB einen Kulturwandel anregen. Das Talent soll wieder im Zentrum stehen. Spieler sollen individuell gefördert werden. Jugendtrainer sollen mehr Anerkennung erfahren. „Die Verantwortung für den deutschen Fußball tragen wir alle – Vereine, Landesverbände und DFB“, sagt Haupt, „wenn es uns gelingt, nur ein paar Veränderungen anzustoßen, dann sind wir schon einen Schritt weiter“. Und die Frage nach der Qualität? „Wir sind im deutschen Fußball immer noch sehr nah an der Weltspitze.“