Mönchengladbach. Lothar Matthäus spielte in seiner Karriere für Borussia Mönchengladbach und für Bayern München. Vor dem Duell am Samstag spricht der Sky-Experte über das Topspiel.
Ein Klassiker steht an. Ein Spiel, das schon viele Geschichten geschrieben hat: Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern München. Ein Mann, der mit diesem Duell fest verbunden bleibt, ist Lothar Matthäus. Der Rekordnationalspieler und Kapitän der Weltmeister-Elf von 1990 begleitet das Heimspiel der Gladbacher gegen den Rekordmeister an diesem Samstag (18.30 Uhr) als Experte beim TV-Sender Sky, für den er seit 2012 arbeitet. Früher spielte der 57-Jährige für beide Klubs – seine Karriere als Fußball-Profi begann 1979 bei Borussia.
Wie hat es sich 1984 angefühlt, zum ersten Mal als Bayern-Profi in Gladbach zu spielen?
Lothar Matthäus: Es war ein emotionales Spiel. Zwischen den Vereinen gab es schließlich eine große Rivalität in den 80er-Jahren aufgrund der 70er-Jahre, in denen man sich fast abgewechselt hat als Deutscher Meister. Zudem war ich von Kindesbeinen an − obwohl ich in der Nähe von Nürnberg aufgewachsen bin − immer Mönchengladbach-Fan.
Als Ihr Wechsel zu den Bayern bereits feststand, haben Sie im DFB-Pokalfinale 1984 im Elfmeterschießen einen Elfmeter verschossen. Denken Sie noch oft daran zurück?
Matthäus: Nein, das ist ja anderen Spielern auch schon passiert. Man lebt im Fußball nicht nur mit Erfolgen. Ich hatte fünf Jahre in Mönchengladbach eine wunderschöne Zeit. Ich habe ein tolles Verhältnis zu den Fans. Wenn einige Fans aber Bösartiges denken und damit eine solche Beziehung in Frage stellen, kann ich es nicht nachvollziehen. Dazu muss man sagen, dass ich auch nicht der einzige war, der einen Elfmeter verschossen hat in diesem Spiel. Wer sich am meisten von allen Beteiligten über den Pokalsieg gefreut hätte, wäre ich gewesen, um als Pokalsieger zum künftigen Arbeitgeber zu wechseln.
Stimmt es eigentlich, dass Trainer Jupp Heynckes damals aus einer eigenen Tasche Geld zahlen wollte, um Sie in Gladbach zu halten?
Matthäus: Er hat angeboten, auf Geld zu verzichten. Man dachte, ich ginge aus wirtschaftlichen Gründen zu Bayern, aber das stimmte nicht. Das war auch eine Geschichte, die von irgendjemandem erfunden worden ist. Gladbach hat sich gestreckt, hat sich bemüht. Das letzte Gladbacher Angebot war auch ohne das Geld von Jupp Heynckes schon höher als das, was ich in München unterschrieben hatte.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Jupp Heynckes heute?
Matthäus: Man sieht sich zwischendurch mal auf Veranstaltungen oder im Stadion. Aber er lebt ja sehr zurückgezogen. Wir haben ein gutes Verhältnis. Ich habe ihm auch sehr viel zu verdanken. Er war mein erster Profitrainer. Er hat mich gefördert, mir vertraut. Auch in schwierigen Phasen hat er auf mich gesetzt. Er hatte ein gutes Auge, hat uns junge Spieler alle besser gemacht. Für mich wäre es ohne ihn zu dieser Karriere nicht gekommen.
Wie sehr schlägt Ihr Herz jetzt noch für Gladbach?
Matthäus: Borussia Mönchengladbach und Bayern München sind die Klubs, mit denen ich am meisten mitfiebere, weil ich dort gespielt habe. Andererseits gefallen mir auch Mannschaften wie Dortmund, Leipzig, Hoffenheim oder Bremen, also die Art und Weise, wie sie Fußball spielen. Ich bin Fußballfan geworden − auch durch meinen Job bei Sky. Natürlich hat man Sympathien für Vereine, bei denen man eine Vergangenheit miterlebt hat und die dazu beigetragen haben, dass man eine solche Karriere hingelegt hat. Aber aufgrund meines Jobs bei Sky bin ich auch der Neutralität verpflichtet. Deswegen haben diese beiden Mannschaften in meinem Job keinen anderen Stellenwert.
Wären Sie heute noch einmal gerne Trainer?
Matthäus: Anfragen sind immer mal wieder da. Es gab auch Angebote aus der Bundesliga – jedoch zum falschen Zeitpunkt. Aber auch durch mein Leben, durch meine Ziele, durch das, was mich zufriedenstellt, ist mein Leben sehr nah am Fußball dran. Ich habe Zeit für mich selbst, für die Familie und vor allem nicht den Druck, den Trainer in der Bundesliga haben. Deswegen ist dieses Thema – Klubtrainer in der Bundesliga – für mich erledigt.
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Inwiefern hat sich ihr Blick auf das Profifußball-Geschäft durch Ihre aktuelle Tätigkeit verändert?
Matthäus: Man sieht den Fußball jetzt natürlich etwas anders. Man weiß auch, was von dir mit deinem Namen als Sky-Experte erwartet wird. Man schaut intensiver hin, geht mehr in die Tiefe. Ich bin auch froh, wenn ich hin und wieder mal nicht Bayern München und Dortmund begleite, sondern auch ein solches Spiel wie Düsseldorf gegen Nürnberg. Da sieht man den Unterschied in der Bundesliga, was die Qualität betrifft, vielleicht auch einen Spielstil, den man gar nicht unbedingt sehen will. Ich finde das aber spannend, denn die Bundesliga hat sehr viel zu bieten. Ich frage mich auch selbst häufig: Was würde ich jetzt in der Situation des Trainers machen?
Was erwarten Sie nun von dem Duell Ihrer beiden ehemaligen Klubs?
Matthäus: Wenn man sich alleine die Ergebnisse der letzten Wochen anschaut, erwarte ich eigentlich einen Sieg der Bayern aus Expertensicht. Gladbach ist gegen Bayern immer sehr motiviert. Das ist nach wie vor ein spezielles Spiel. Nach dem 3:0-Hinspielsieg in München und den beiden 0:3-Heimniederlagen gegen Berlin und Wolfsburg ist Gladbach heiß, vor eigenem Publikum drei Punkte zu holen. Es ist auch wichtig für die Borussia, den fast sicher geglaubten Champions-League-Platz am Ende der Saison auch zu erreichen.
Ist Gladbach tatsächlich reif für die Champions League?
Matthäus: Gladbach steht jetzt hinter Bayern und Dortmund. Als Gladbach noch Zweiter war, hat man dort vielleicht angefangen, zu denken und war nicht mehr so frei. Man hat ein bisschen gehemmt gespielt, vielleicht auch zu viel gewollt. Deswegen war in den letzten Wochen ein bisschen die Luft raus. Das war nicht die Borussia, die uns in der Hinrunde begeistert hat. Aber da muss sie wieder hinkommen. Der Kader ist gut aufgestellt. Das Umfeld passt. Der Konkurrenzkampf in der Mannschaft ist groß. Aber die Spannung muss wieder her. Und auch die Leichtigkeit, die Gladbach noch in der Hinrunde gezeigt hat.
Was hat Gladbach im Hinspiel besonders gut gemacht? Oder was haben die Bayern nicht gut gemacht?
Matthäus: Die Gladbacher sind sehr selbstbewusst aufgetreten und haben das, was die Bayern bis vor einigen Wochen schlecht gemacht haben, nämlich das Umschaltspiel in der Defensive, voll ausgenutzt. Mit einem schnellen Spiel nach vorne, mit dem die Bayern-Defensive nicht klargekommen ist. Das wird jetzt am Samstag nicht passieren.
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Max Eberl ist jetzt schon mehr als zehn Jahre Sportdirektor in Gladbach. Wie bewerten Sie seine Arbeit?
Matthäus: Er hat ein gutes Netzwerk, passt zu Gladbach, hat sich da auch hochgearbeitet. Er kommt vom Fußball, hat Erfahrungen gemacht als Spieler, was ich ein bisschen als Vorteil in diesem Job sehe. Er hat das Auge für die Qualität und die Mentalität eines Spielers. Er hat nicht nur gute Transfers gemacht, sondern auch über Transfers gute Ablösesummen hereingeholt. Für Mönchengladbach hat er nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich tolle Arbeit geleistet. Auch wenn er häufig mit Bayern München in Verbindung gebracht wird: Ich kann mir Max Eberl nirgendwo anders vorstellen als in Mönchengladbach.
Welche Chancen haben die Bayern nun auf dem Meistertitel in dieser Saison?
Matthäus: Die letzten Wochen sind für die Bayern gut gelaufen. Die Münchener haben am 6. April ja auch noch das Spiel gegen Borussia Dortmund zuhause. Die Bayern haben von den Dortmunder Punktverlusten profitiert. Sie haben nichts liegen lassen, zwar nicht brilliert gegen Hertha und Augsburg, aber sechs Punkte geholt. Bayern hat es selbst in der Hand, Meister zu werden. Bei einem Sieg wäre man schon punktgleich, müsste dann noch eine Tordifferenz aufholen.
Wie tippen Sie das Topspiel?
Matthäus: Ich sehe eine Delle bei Borussia Mönchengladbach. Bayern ist stabil in der Defensive, Gladbach nicht mehr so spielfreudig. Ich glaube, dass Bayern München, alleine auch aufgrund der Wichtigkeit dieses Spiels, 2:1 gewinnen wird. Bayern will sich zudem für die 0:3-Heimniederlage aus dem Hinspiel revanchieren und ist für mich der Favorit.