Essen. Über die Sammelwut des Reporters im Büro. Welche Schätze beim Ausmisten vor dem Umzug wieder auftauchen. Eine Kolumne.
Kennen Sie diesen Typen, dessen Schreibtisch immer blitzeblank aufgeräumt aussieht? Der den Kugelschreiber immer exakt an eine dafür vorgesehene Stelle legt? Der nie auf die Idee käme, eine Zeitung liegen zu lassen? Wenn Sie den kennen, kennen Sie sicher auch den Gegenpart. Also: mich.
Reporter und Sammler
Bin eher so der Sammler. Alles erst mal sichern, könnte ja noch wertvoll werden. Bin halt Reporter geworden in einer Zeit, in der man bei mehrwöchigen Auslandsreisen ein paar Hemden weniger mitnahm, weil das schwerste Teil im Koffer der Ordner mit Archivmaterial war. In Zeiten von Internet und Smartphone kann so ein Verhalten natürlich als äußerst rückständig gedeutet werden. Ich gebe zu: mit Recht.
Nun ist unserer Redaktion mitgeteilt worden, dass uns bald ein Umzug bevorsteht. Bevor man mich ermahnen muss, werfe ich vorab mal einen Blick in den alten Schrank, der einige Schätze beinhalten müsste. Interessant, was da so auftaucht.
Notizen in Spezial-Steno
Der DFL Media Guide 2013. Darin: alle Daten des Bundesligisten Eintracht Braunschweig, kein Scherz.
Der Stapel Abrechnungen. Bielefeld gibt Kilometergeld. Und überhaupt: Es gibt Bielefeld!
Alte Notizblöcke. Die mir von Interviewpartnern oft gestellten Fragen, ob das Steno sei oder ob ich das wenigstens selbst lesen könnte, waren wohl immer berechtigt.
Anekdoten im Aktenschrank
Dann wird’s interessant. Die eigenen Geschichten von 2003, zum 40-jährigen Bestehen der Bundesliga. Zum Beispiel diese: „Nur an Libuda kam er nicht vorbei“ – Erinnerungen an den Kultfußballer, auch an den verregneten Tag der Beerdigung, an dem der Stan alle noch mal nass gemacht hat. Oder diese: „Du musst zweimal so gut sein“ – Anthony Baffoe, der in Bad Godesberg geborene Ghanaer, erzählte von seinen Erlebnissen als Exot in der Bundesliga (Anfang der Neunziger bei Fortuna Düsseldorf versuchte er einen Schiedsrichter umzustimmen, der ihm Gelb zeigen wollte: „Wir Schwarzen müssen doch zusammenhalten.“). Und schließlich die hier: „Die Geschichte von Peter Müller“ – unter allen Bundesliga-Fußballern seit 1963 war Peter der häufigste Vorname und Müller der häufigste Nachname, es gab aber nur einen Spieler, der so hieß: 1991/92 beim 1. FC Köln. Es wäre leichter gewesen, zehn BVB-Fans zu finden, die das Schalker Vereinslied singen, als diesen Mann. Als wir uns dann tatsächlich trafen, erzählte der Peter Müller dem Peter Müller, warum er schon mit 26 aufhörte, einfach so: „Man verdient zwar ordentlich, aber das war nicht mein Lebensinhalt.“
Das beste Fundstück
Zum Schluss: mein liebstes Fundstück – die Stilblüten. Der lokale Einspalter über einen Vereinsausflug zur Mosel: „Da es fünf Weine zum Probieren gab, wurde die Stimmung noch besser.“ Der tägliche Brief eines Boulevard-Kolumnisten, diesmal mit der Anrede „Liebe Handball-Nationalelf“. Und: mein folgenschwerster Tippfehler. In einem Spätdienst schrieb ich, sorry: Elfmeterscheißen.
Und nun? Benötige ich das alles noch? Zu Hause wüsste ich, welche Antwort mir gegeben würde.