Essen. . Bei den Sportler-des-Jahres-Wahlen bringen die Jury in diesem Jahr allein die Männer ins Grübeln. Sonst ist es eine klare Sache. eine Kolumne.

Wie in jedem Jahr sind wir Sportjournalisten in diesen Tagen wieder zur Wahl der Sportler des Jahres aufgerufen worden. Und wie in jedem Jahr sitzt man wieder da und grübelt.

Manchmal ist der Fall auch klar. Mannschaft des Jahres 2014? Natürlich die Fußball-Nationalmannschaft. Mannschaft des Jahres 2018? Eher die Hobbyteams Glashoch Rangers, Hinter Mailand oder Energie Kopfnuss als die Fußball-Nationalmannschaft. Mein Favorit ist das Eishockey-Team, dessen olympisches Silber nach vielen mitreißenden Spielen golden glänzte.

Bei den Männern fällt die Wahl schwer. Patrick Lange, der Triathlet, Arthur Abele, der Zehnkämpfer, Andreas Wellinger, der Skispringer – sie alle hätten die Ehrung verdient. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, bevor wir uns festlegen müssen.

Bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres hingegen dachte ich schon im Sommer: Es kann nur eine geben. Angelique Kerber – überragend, unschlagbar. Faszinierend, mit welcher Leidenschaft sie die Tennis-Königin Serena Williams im Finale von Wimbledon bezwang. Besondere Größe aber bewies sie nach dem Match, als sie sich vor der Verliererin verneigte. „Du bist solch eine Inspiration“, sagte sie zu Serena Williams – das war anrührend, das war ehrlich. Angelique Kerber erfüllt also alle Kriterien für die Wahl zur Sportlerin des Jahres. Und trotzdem habe ich mich umentschieden.

Denn es ist etwas passiert, das nicht hätte passieren dürfen. Etwas, das so furchtbar weitreichende, unveränderliche Konsequenzen hat. Kristina Vogel, die in diesem Jahr ihre Weltmeistertitel zehn und elf im Bahnradsport gewann, erlitt im Juni einen Trainingsunfall mit verheerenden Folgen. Die Erfurterin ist seitdem querschnittsgelähmt.

Unfall mit verheerenden Folgen

Sie sitzt im Rollstuhl. Aber sie hat ihren Kampfgeist nicht verloren. „Es ist, wie es ist“, sagt sie. Sie will sich nicht selbst bemitleiden, sie sagt sogar, sie müsse lernen, Emotionen zuzulassen, auch mal zu weinen. „Besser ist, die Situation anzunehmen, nach vorn zu schauen.“ Also schuftet sie in der täglichen Therapie. Auch kleinere Bewegungen lösen Schmerzen aus, aber sie lässt sich nicht hängen, sie quält sich. Als Hochleistungssportlerin hält sie diese Haltung für selbstverständlich. Dabei ist in ihrer Lage nichts selbstverständlich.

Ich wähle Kristina Vogel zur Sportlerin des Jahres. Nicht aus Mitleid, sondern aus Bewunderung. Ihre Leistung ist nicht vergleichbar, ihre Wirkung als Vorbild könnte größer nicht sein. Ich hoffe, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen so denken. Und ich glaube zu wissen, dass Angelique Kerber, diese ebenso grandiose Sportlerin, das verstehen wird.