Berlin. Toni Kroos hatte erst vor einem Monat Kritik an der Einstellung von Leroy Sané geübt. Der 22-Jährige bezog dazu nun Stellung.
Wer von Neuem beginnen möchte, sollte den Beginn am besten nicht verpassen. Joachim Löw bat in Berlin zur ersten Trainingseinheit. Der Bundestrainer beobachtete angemessen zufrieden, wie sich seine Mannschaft auf dem Rasen einfand und signalisierte durch einen kurzen Ton auf der Trillerpfeife schon Versammlungsbereitschaft, als Leroy Sané als Letzter auf den Platz geschlendert kam. Gerade noch rechtzeitig offenbar.
Viel ist in den vergangenen Monaten passiert im Leben von Leroy Sané. Trotz erheblicher sportlicher Eignung war der 22-Jährige von Löw aus dem Kader für die WM in Russland gestrichen worden. Und weil diese WM so verheerend verlaufen war, sieht sich auch der deutsche Fußball einem Neustart ausgesetzt. Spiel 3 und 4 seit dem Turnier führen die deutsche Elf nun am Samstag nach Amsterdam zum Nations-League-Duell mit den Niederlanden (20.45 Uhr / ZDF live) und drei Tage später ins Weltmeisterland Frankreich.
DFB-Co-Trainer Sorg: "Leroy war immer schon engagiert"
Vor diesen Spielen steht Leroy Sané sinnbildlich für die Riege der jungen dribbelnden Talente, von denen dieses weltmeisterliche, den Confed-Cup gewinnende Deutschland vor etwas mehr als einem Jahr eine fast unübersichtliche Menge zu haben schien, ehe sich entpuppte, dass die allermeisten von diesen Spielern ihre Rolle noch längst nicht gefunden haben. Und offenbar auch noch Zeit für diesen Prozess brauchen.
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Julian Draxler? Droht in der vollbesetzten Nationalmannschaft wie schon bei Paris Saint-Germain oft das Reservistendasein. Serge Gnabry? Wurde von Verletzungen gestoppt und dieses Mal wegen einiger Ausfälle aus München nachnominiert. Amin Younes? Spätestens in Neapel vom Jogi-Radar verschwunden. Julian Brandt? Gefiel bei der WM, immer spielen darf er trotzdem nicht. Und Sané? Steht sich bislang auch selbst im Wege.
„Leroy war immer schon engagiert“, sagt Löws Co-Trainer Marcus Sorg am Mittwoch, schränkt aber ein: „Das eine oder andere Mal war es nicht so, wie wir es gern gesehen hätten. Aber das ist nicht schlimm. Leroy ist ein sehr, sehr junger Mensch. Wir sind alle daran interessiert, einen Spieler mit einer solchen Qualität so zu führen, dass er bei uns eine wichtige Rolle spielen kann.“
Wie leicht das wird, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Toni Kroos, goldbehängter Star von Real Madrid, lobte Sané vor einem Monat bei der ersten Zusammenkunft seit der WM öffentlich, mischte aber auch eine beträchtliche Menge Unverträgliches in die schönen Worte: Sané müsse immer wieder zu Leistung angetrieben werden. Und die Körpersprache des früheren Schalkers erwecke den Eindruck, dass ihm egal sei, ob das Spiel gewonnen oder verloren werde.
Sanés Tochter wurde im September geboren
Braucht der Jungstar von Manchester City also stets einen Tritt in den Allerwertesten, um gut zu sein? „Ehrlich gesagt finde ich das nicht“, spricht Sané erstmals seit dem Sommer über seine potenziellen Nachlässigkeiten. Es klang fast entschuldigend, als er über seine scheinbare Gleichgültigkeit anfügte: „Ich mache das nicht extra. Ich will immer, dass wir unsere Spiele gewinnen, dass wir alle zusammen gut aussehen. Wenn das jemand anders sieht, ist das aber kein Problem für mich“, sagt der 22-Jährige: „Wenn einer zu mir kommt und mir so etwas sagt, respektiere ich das auch und versuche, mich zu verändern.“
Aber auch sportlich hat der junge Vater (seine Tochter wurde im September geboren) in der Nationalelf noch nicht so Fuß gefasst, wie das vorstellbar wäre. In Manchester lief die Saison für ihn behäbig an. Und unter Joachim Löw hat er in 13 Spielen noch kein Tor geschossen und nur eine Vorlage gegeben. Dabei wäre er so wichtig, um das deutsche Spiel um das Element des Draufgängertums zu bereichern, das es zu selten hat.
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„Wir waren bei der WM im Offensivspiel zu langsam und zu behäbig“, sagt Julian Draxler am Mittwoch. Auch er hat es wie die anderen jungen Dribbelkünstler noch nicht geschafft, sich in an dieser Stelle unentbehrlich zu machen. Aber zumindest seinem früheren Schalker Weggefährten mag Draxler helfen: „Ich kann nur sagen, dass Leroy nicht charakterschwach ist. Da möchte für ihn eine Lanze brechen.“ Sané scheint ein Mysterium zu sein, eine Laune.
Draxler und Sané wurden in der Knappenschmiede des FC Schalke unter den Augen des mittlerweile legendären Talententdeckers Norbert Elgert groß. Der sagte einmal über Leroy Sané, dass gerade die Hochbegabten „schon manchmal einen liebevollen Tritt in den Allerwertesten“ benötigen. Er habe Sané mal vor die Wahl gestellt, ob er Mitglied einer Boy-Group werden wolle, Model oder Fußball-Profi. Es war vermutlich damals so eine Art Neustart.