München. Der Vorstand von Rekordmeister Bayern München will an Trainer Louis van Gaal festhalten, vor allem aus eigenem Interesse. Wie lange das gut geht, weiß niemand.

Karl Hopfner gilt als die graue Eminenz des FC Bayern München. Der Finanzchef taucht selten in der Öffentlichkeit auf, das erledigen Präsident Karl-Heinz Rummenigge und Manager Uli Hoeneß. Aber wenn es brenzlig wird in München, wenn Entscheidungen anstehen, ist Hopfner dabei. Nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen tauchten Präsident, Manager und Finanzchef gemeinsam in der Kabine auf, wie eine Phalanx marschierten sie hinein und kurz danach geschlossen wieder heraus.

Mittelmaß in der Bundesliga

Das gilt seit jeher als ernstes Zeichen für eine ernste Lage. Und sie ist ernst: Mittelmaß in der Bundesliga, möglicherweise schon morgen raus aus der Champions League – deshalb steht Trainer Louis van Gaal unter Druck.

Öffentlich wollen sie ihn ja noch schützen im Bayern-Vorstand, aber wenn man das Herz auf der Zunge trägt, dann rutscht einem schon mal mehr heraus, als man sagen möchte: Er habe in der Kabine keine großen Reden geschwungen, teilte Rummenigge nach dem 1:1 gegen Leverkusen mit. Und dann sagte er: „Wir müssen versuchen, gemeinsam die Kurve zu kriegen.”

Da ist viel Wahres dran. Und viel Entlarvendes.

Wie sehr die Stimmung in der Öffentlichkeit gegen den Niederländer umgeschlagen ist, zeigt ein Spielchen, das man nicht mitmachen, auch nicht geschmackvoll finden muss, aber doch zur Kenntnis nehmen kann: Man hat gestern die Amtszeiten der 17 Bayern-Trainer seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965 aufgelistet. Heraus kam, dass Udo Lattek mit neun Jahren an dem einen Ende der Liste steht, und Sören Lerby mit nicht einmal vier Monaten an dem anderen. Würde Louis van Gaal jetzt entlassen, hätte er Lerby noch unterboten.

Ist van Gaal noch im Amt?

So ist inzwischen die Stimmung in München: Beim Training schauen Kamerateams nach. Ist van Gaal noch im Amt? Muss er Mittwoch gehen? Etwa, wenn Juventus Turin in der Champions League 1:0 in Bordeaux gewinnt und den Bayern damit die Chance nimmt, in Turin noch aus eigener Kraft das Achtelfinale zu erreichen. Oder, schlimmer noch: Was, wenn Bordeaux den Bayern mit einem Punktgewinn hilft, aber van Gaals Elf nicht einmal mehr gegen Maccabi Haifa gewinnt?

Das sind die Fragen, die der Bayern-Vorstand auf dem Weg in die Winterpause fürchtet, denn man muss ja versuchen, bis dahin die Kurve zu kriegen. Man muss, hat Rummenigge gesagt. Nicht etwa: man will. Man muss, weil man sich nach dem halbherzigen Experiment mit Jürgen Klinsmann nicht den zweiten Trainerflop in Folge eingestehen will. Das klingt nach einer unbestimmten Hoffnung, dass es irgendwie doch noch gut gehen wird mit Louis van Gaal. Aber nicht nach Vertrauen. Und van Gaal liefert ja in der Tat genug Gründe, ihm skeptisch gegenüber zu stehen. Der Niederländer mag der kenntnisreiche Fußball-Lehrer sein, den die Bayern nach Klinsmann gesucht haben. Aber er kommt, auch wenn man alle den Sprachproblemen geschuldeten Missverständnissse beiseite schiebt, wie ein Brachial-Pädagoge rüber, wie einer, der mit seiner Sturheit, mit Kleider- und Sitzordnungen Spieler verschreckt.

Augenfällig ist, wie verunsichert viele Bayern wirken. Youngster Thomas Müller, immer noch die Entdeckung der Münchener Saison, verspringen einfachste Bälle. Anatoliy Tymoshchuk treibt die Zuschauer mit Quergeschiebe zur Weißglut, Miroslav Klose wird je nach Spielsystem hin- und hergeschoben. Man könnte die Liste lange fortsetzen.

Zugleich fungiert van Gaal auch als Sündenbock für Entwicklungen, die er nicht zu verantworten hat. Franck Ribery und Arjen Robben werden Bayern eine andere Qualität geben, wenn sie irgendwann wieder fit sind. Aber auch mit den beiden bleiben die Fragen, warum gegen das seit Jahren klaffende Loch im vorderen Mittelfeld nichts getan wurde, warum sich Bayern immer noch die van Bommels und van Buytens leistet, deren Spiel immer antiquierter wirkt, warum ein Außenverteidiger von Format fehlt.

Das ist die Crux am Trainergeschäft: Die Antwort auf diese Fragen müsste genau die geben, die intern längst van Gaal in Frage stellen.