Madrid/München. . Bei Real Madrid muss Cristiano Ronaldo keinem Gegenspieler mehr nachlaufen. Trainer Zidane hat ihn auf Strafraumspieler umgeschult – Bayern wird es spüren.

Zurück in München. „Wo alles begann“, wie es Kapitän Sergio Ramos mal ausdrückte, in Erinnerung an das fulminante 4:0 im Halbfinale 2014. Damals zog Real Madrid nach zwölf Jahren wieder in ein Finale der Champions League ein. Seitdem holten die Königlichen drei von vier Titeln und begründete die erfolgreichste Ära seit den mythischen 1950er Jahren.

Wenn die Madrilenen am Mittwochabend mal wieder im Halbfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Bayern vorbeischauen (20.45 Uhr / ZDF), dann zwar als ein Team, das wegen einer Schwächephase in der ersten Saisonhälfte längst die heimische Liga verloren hat. Aber eben auch als eines, das sich das fast leisten kann.

In München begonnen hat beim letzten Aufeinandertreffen auch noch etwas anderes: das Ende der BBC. Nach dem Funkhaus wurde einst die Angriffsformation aus Gareth Bale, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo getauft, und wie ihr Erfinder Carlo Ancelotti stufte sie auch der aktuelle Trainer Zinédine Zidane lange als „unverhandelbar“ ein.

Doch voriges Jahr beim Viertelfinalhinspiel in München (1:2) verletzte sich Bale, und Madrid lernte, dass es ohne ihn ziemlich gut funktioniert. Wenn nicht gar besser.

Real Madrid mit bbC statt BBC

Da Benzema die Torproduktion verweigert, wurde aus der BBC die bbC. Zuletzt stand das C bisweilen gar allein da. Bale und Benzema sind nur Optionen für zwei Zusatzrollen neben einem Trio spanischer Nationalspieler, dem filigranen Isco, dem eleganten Asensio und dem engagierten Lucas Vázquez.

Wer also begleitet CR7, den Meister aller Champions-League-Register (25 Tore in den letzten 15 Spielen, mindestens eines in jedem dieser Saison), der besonders hungrig gegen Deutsche ist (26 Tore in 22 Duellen) und sowieso gegen die Bayern (neun in sechs)?

Bale schon wieder auf dem Rückweg

Die schlechtesten Karten hat inzwischen der Waliser Gareth Bale, der mal brilliert und genauso oft enttäuscht, vor allem aber mehr denn je als Insel ohne Systemrelevanz wahrgenommen und daher gedanklich bereits zurück nach Großbritannien verschifft wird. „Bye, bye Bale“ betitelte die vereinsnahe Sportzeitung As kürzlich einen Kommentar, der nicht mal hämisch angelegt war, sondern eher als nüchterne Bestandsaufnahme.

Komplexer liegt der Fall bei Benzema, der wüste Debatten im Fanvolk auslöst. Nun würden den Franzosen etliche angesichts von bloß neun Saisontreffern in 39 Spielen so gern vom Königshof jagen, dass Pfiffe gegen ihn kaum mehr als Nachricht durchgehen. Zidane setzte ihn im Viertelfinalrückspiel gegen Turin auf die Bank. Allerdings endete die Partie beinahe im Desaster (1:3 nach 3:0 aus dem Hinspiel). Bis zur furiosen Schlussphase mit umstrittenem Elfmeter blieb sogar Ronaldo blass – wohl nicht zufällig.

Der fünfmalige Weltfußballer liebt seinen Karim und dessen spezifische Interpretation der Nummer 9. Benzema changiert permanent zwischen Mittelstürmer und hängender Spitze und schafft damit meisterhaft die Räume für Ronaldo. Er bekommt hilft da, sich immer wieder trotz engster Bewachung den minimalen Raum- und Zeitvorsprung für Abschlüsse.

Eine Kunst, die er so perfektioniert hat, dass er selbst Fachleute in Erstaunen versetzt. „Mit über 30 hat er sich noch umgestellt, in einen unglaublichen Strafraumstürmer verwandelt, man kann ihn nur beglückwünschen“, sagte Juve-Trainer Massimiliano Allegri.

Taktische Umschulung im Angriff

Wie aktiv sein Kollege Zidane diese Umschulung fördert, untermauerte zuletzt ein Bericht des Portals El Confidencial. Danach bat er Ronaldo (33), die über ein Jahrzehnt lang angestammten Sololäufe über den halben Platz zu unterlassen und erarbeitete stattdessen einen Belastungsplan mit Aerobic und Intervallsprints, nach dem der Portugiese umso intensiver kurze, aber häufigere Antritte über wenige Meter trainiert. Die typischen Bewegungen eines Mittelstürmers.

Als solcher gibt Ronaldo dem Trainer mehr Spielraum als die statische BBC, in der er über links kam und die notwendigerweise ein 4-3-3-System bedingte. Wo Reals Aufstellung zuvor jahrelang in Stein gemeißelt war, orchestriert Zidane jetzt taktisch unterschiedliche Formationen, die er oft während der Partie durch Auswechslungen ändert. Beim 2:1 im Achtelfinale in Paris wurden sogar die angeschlagenen Mittelfeldlenker Toni Kroos und Luka Modric erstaunlich problemlos ersetzt. Alles fließt, alles geht – solange Ronaldo trifft.