Essen/Liverpool. . Der frühere BVB-Trainer mischt nun mit dem FC Liverpool die Königsklasse auf. Das Duell gegen Rom ist die große Chance, ins Finale einzuziehen.
Die Besonderheit eines solchen Tages kennt Jürgen Klopp. Auch wenn er einräumen muss, dass ein wenig Zeit vergangen ist, seit er diese Art der Anspannung gespürt hat. „Es ist eine Weile her, dass ich zuletzt im Halbfinale war“, sagt der Trainer des englischen Spitzenklubs FC Liverpool, der an diesem Dienstagabend (20.45 Uhr/Sky) AS Rom zum Halbfinal-Hinspiel in der Champions League empfängt. Zwei Spiele noch bis zum Finale, bis zum größten Spiel, das der europäische Vereinsfußball hergibt. Klopp kennt das. 2013 führte er Borussia Dortmund bis ins Endspiel, als er die Prominenz der Königsklasse aufmischte. Parallelen zwischen damals und heute sind offensichtlich. Klopp macht‘s schon wieder.
Einen Titel in den ersten vier Jahren
Im Herbst 2015 unterzeichnete der 50-Jährige einen Dreijahresvertrag beim strauchelnden englischen Klub, der in der eigenen Wahrnehmung stets und immer ein Spitzenklub blieb und sein wird. Einer von Klopps ersten Sätzen: „Ich bin ziemlich sicher, dass wir einen Titel gewonnen haben werden, wenn wir in vier Jahren hier sitzen.“ Dass es nun ausgerechnet die größte aller Trophäen ist, die in dieser Saison noch in Reichweite ist, macht diesen Abend noch ein bisschen reizvoller. An eine solche Chance hätte vor der Saison so wenig jemand geglaubt wie es damals in Dortmund war.
Aber Klopp machte in beiden Fällen aus einem respektierten Traditionsklub eine mitreißende Überraschungsmannschaft. Ein Team, das Europa erobert, das mit seinem aufregenden Stil an einen Actionfilm in Hollywood erinnert: wuchtig, spannend, kurzweilig. Und weil mal schwarz-gelb war, was nun rot ist, blickt Dortmund hoffnungsfroh, aber auch wehmütig dem Ex-Trainer hinterher. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schickte Klopp jüngst eine Videobotschaft in eine Fernsehsendung. Botschaft: Viel Glück im Halbfinale, Dortmund ist stolz auf dich.
Damals wusste das hoch dekorierte Real Madrid kaum, wie ihm geschah, als Klopp seine BVB-Mannschaft losließ und sie mit einem 4:1-Heimsieg schon im Halbfinal-Hinspiel fast alles klar machte. Der Favorit war geschlagen. Die Geschichte wiederholte sich nun, nur schon im Viertelfinale. Der in der Liga enteilte englische Meister Manchester City, Mitfavorit auch in der Champions League, wurde in den ersten 30 Minuten des Hinspiels in einen solchen Schlaghagel verwickelt, das der Schaden nicht mehr zu reparieren war. 3:0 stand es für Liverpool im Heimspiel. Die „Reds“ sind als einziges Team im Wettbewerb noch ungeschlagen, keine Mannschaft erzielte zudem mehr Tore. Klopps Lust auf Offensive begeistert mal wieder Europa. Neu ist für den deutschen Trainer allerdings, dass der Widersacher die fast noch größere Überraschungsmannschaft ist, weil sie den FC Barcelona in einem denkwürdigen Rückspiel doch noch ausschaltete.
An Geld fehlt es nicht
Wie damals in Dortmund ist es Klopp auch in Liverpool auf beeindruckende Weise gelungen, einen emotionalen Klub, sein Umfeld, die Entscheidungsträger und vor allem die Mannschaft zu einer Einheit zu formen. Natürlich hätten sie Qualität, sagt Klopp. An Geld fehlt es in Liverpool, anders als damals in Dortmund, nicht. Beispiel: Die Verpflichtung des niederländischen Innenverteidigers Virgil van Dijk im Winter für atemberaubende 75 Millionen Pfund.
Aber Klopp verweist auch auf einen enormen Teamgeist, auf eine vergleichsweise junge Mannschaft, die ihre besten Jahre noch vor sich hat, die einen solchen Abend zum ersten Mal erlebt. „Wir sind solche Abende nicht gewohnt – im besten Sinne“, sagt Klopp einen Tag vor dem Anpfiff und hofft, dass die Lust den Druck überwiegt. „Das sind sehr spezielle Momente, wenn man die nicht genießen kann, ist was falsch mit dir“, sagt Klopp, der damals mit dem BVB im Finale dem FC Bayern München mit Trainer Jupp Heynckes unterlag. Es ist eine hübsche Pointe des Schicksals, dass die Heynckes-Bayern erneut der Final-Gegner sein könnten.