Gelsenkirchen. Beim 2:2 der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gegen das Starensemble der Elfenbeinküste gab es guten Fußball. Und Gewinner und Verlierer. Wie üblich.
Zur Verabschiedung von Robert Enke im Hannoveraner Stadion waren noch „Mehr Tore. Mehr Siege“ und „Mehr Netto“ erschienen. Zum letzten Spiel, das die Nationalelf in diesem am Ende so traurigen Jahr absolvieren musste, kam nur noch „Mehr Netto“. Der Finanzdienstleister, dessen Werbebande dem Tod des Torhüters unverhüllt getrotzt hatte, wollte das Publikum diesmal möglicherweise nicht überfordern. Die Situation in der Schalker Arena war ja kompliziert genug. Überall hingen die Fragezeichen, niemand wusste, was geschehen, niemand wusste, ob Normalität tatsächlich herrschen würde. Die Last, die Enke Trainern, Spielern, dem Umfeld der Auswahl und den Fans mit dem Ausscheiden aus dem Leben mitgegeben, auferlegt, aufgebürdet hatte, sie war groß.
Es hat sich dann aber doch ein ziemlich gewöhnliches, ein in manchem Momenten sogar erstaunlich gutes Spiel zwischen dem Starensemble von der Elfenbeinküste und der deutschen Mannschaft entwickelt. Und es ist auch ziemlich schnell klar geworden, dass der Fußball seine vordringliche Aufgabe doch nicht darin sieht, die Welt zu heilen. Robert-Enke-Rufe nach dem Anpfiff. Dann ein Schalker Lied. Kurz danach die üblichen Beleidigungen gegen den Erzkonkurrenten aus Dortmund. Beifall in der 11. Minute, nach dem Elfmetertor durch Lukas Podolski, das Guy Demel durch ein Foul an Stefan Kießling ermöglichte. In der 27. Minute, als die Stimmung prächtig war, die Welle. Nach den Gegentreffern durch Emmanuel Eboue (57.) und Seydou Doumbia (85.) Pfiffe, um die 90. Minute herum lang anhaltend. Und dann, als der Poldi noch einmal zugeschlagen hatte, in der Nachspielzeit, zum 2:2, satte, oder vielleicht auch satte und gleichzeitig nachdenkliche Zufriedenheit.
Beim bekanntlich nicht vom Mimosenbaum gefallenen Tim Wiese war die Nachdenklichkeit so sichtbar wie nie zuvor. Das erste Mal hatte der Bremer von Beginn an für die Nationalelf das Tor hüten dürfen, und es war eine Chance für ihn, irgendwie, aber er sprach nach seinem Einsatz von der „schlimmen Woche“ und davon, „dass da immer noch der Gedanke an Robert ist“.
Wiese und Manuel Neuer, der in der zweiten Runde aufs Feld durfte, sind nun die (nach aktuellem Stand) verbliebenen WM-Kandidaten, und Rene Adler, der verletzte Leverkusener. Und im Grunde hat sich zwar im Rennen um die Nummer eins gar nicht so viel verändert. Es kann nur eine geben, und nur die Nummer eins ist wirklich von Bedeutung. Aber Wiese dürfte sich vorbeigeschoben haben an Neuer, der nicht nur besonders begabt, sondern auch besonders unberechenbar ist in seinen vor Selbstbewusstsein strotzenden Aktionen.
Das war Enkes herausragende sportliche Qualität. Die Sicherheit und Ruhe, die er ausstrahlte. Seine Souveränität. Auf dem Platz. Einem Neuer passiert es eben, dass er einen Rückpass von Heiko Westermann locker wegzuhauen versucht und dabei Gegner Eboue so mächtig mit dem Ball in die ganz weichen Körperteile trifft, dass ein Tor der besonders kuriosen Art notiert werden kann. Ein Tor, dass Neuer auf seine „Kappe“ zu nehmen bereit war und das ihm, trotz des Geständnisses vom Schalker Vereinskameraden Westermann, nicht perfekt vorgelegt zu haben, in der kleinen Leistungsgemeinschaft Nationalelf schaden wird.
Löw lobte beide Torhüter
Joachim Löw lobte allerdings beide Torhüter. Er lobte auch Podolski, den Doppel-Torschützen: „Bei uns spüre ich immer, dass er Spielfreude mit sich bringt.“ Und er lobte auch Kießling, den er lange trotz beachtlicher Torquote in der Bundesliga nicht berücksichtigt hatte, weil der Stürmer aus Leverkusen mit den Kollegen harmonierte und gefährliche Situationen herbeiackerte. Kießling war ein Gewinner der Partie. Beim nächsten Stelldichein der Nationalspieler, bei den Marketingtagen im Januar, wird er dabei sein. Ein Abschiedsspiel für Enke könnte in die Werbeaktivitäten eingebettet werden.