Belfast/Mainz. Ein Sieg am Sonntag gegen Aserbaidschan wäre der zehnte in der WM-Qualifikation für das DFB-Team. Bundestrainer Löw fordert eine Steigerung.
Genugtuung klingt immer ein wenig böse, nach einem der sündigen emotionalen Abgründe, in die ein Mensch nur selten herabschreiten sollte. Sebastian Rudy ist nicht böse, und es ist nachvollziehbar, dass ihn dieses Gefühl dieser Tage begleitet. „Joa, es gab diese Stimmen“, sagt der Profi des FC Bayern München. Und es ist angebracht, sich zu vergewissern, dass man Bayern München geschrieben hat und nicht weiterhin Hoffenheim, weil Rudy und der Großklub der Superguten immer noch so schwer miteinander in Verbindung zu bringen sind, obwohl die Verbindung real ist. Seit dem Sommer. Die Stimmen, dass er nicht gut genug dafür sei, begleiteten ihn dorthin.
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Ob er Genugtuung verspüre, wurde Rudy also nun in Belfast gefragt. „Joa“, sagt er, weil er sich zu einem klaren Ja dann doch nicht durchringen kann. Ob er unterschätzt werde? „Ja, aber sollen sie nur. Lieber unterschätzt als überschätzt“, sagt er, „ich komme mehr so aus der zweiten Reihe.“ In der Nationalmannschaft war dieser Moment beim 3:1 der deutschen Elf in Nordirland gekommen, mit dem die Qualifikation für die WM 2018 vorzeitig gelang. Dieser Sebastian Rudy hatte dabei nicht nur ein prächtiges Tor geschossen, sondern auch fast alles andere richtig gemacht. Wie zuletzt bei den Bayern. Der Unterschätzte überragte in einer Ansammlung hoch geschätzter Herrschaften. Manchmal zu hoch geschätzt, wie Bundestrainer Joachim Löw meint.
Neun Siege in neun Qualifikationsspielen sammelte sein Team bisher ein. Am Sonntag (20.45 Uhr/RTL), wenn es im letzten Pflichtspiel vor der WM in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan geht, ist sogar ein Weltrekord möglich. Im Falle eines Sieges würde die bisherige Bestmarke in einer Qualifikation – aufgestellt 2009 von den Spaniern (30 Punkte, 28:5 Tore) – dank des besseren Torverhältnisses (bisher 38:3) überboten.
„Wir wollen den zehnten Sieg“, sagte Löw, ohne jedoch allumfassende Euphorie schüren zu wollen. „Für das Turnier müssen wir uns aber steigern“, mahnte Löw in der Manier des gestrengen Fußball-Lehrers, schließlich werde da „das höchste Niveau“ abverlangt.
Endlich sind genügend Stürmer da
Doch auch das Niveau der Deutschen geriet in Belfast mal wieder bemerkenswert. Löw wurde gefragt, ob er nicht selber überrascht sei, wie großartig das alles funktioniere in seiner Mannschaft. Dass da also die Stürmer Timo Werner und Mario Gomez ausfielen und unter Verzicht auf Lars Stindl trotzdem noch ein Stürmer von beachtlicher Präsenz im Spiel sei: der Torschütze Sandro Wagner. Immerhin sei der Angriff über viele Jahre eine Sorgenposition gewesen, nun herrsche fast schon so etwas wie ein Überangebot.
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Löw ist über diese Weiterentwicklung erfreut, befand aber auch, dass beim Blick auf die Konkurrenz, mit der es sich im Sommer zu messen gilt, Bescheidenheit angebracht sei. Argentinien zum Beispiel hätte Lionel Messi, Gonzalo Higuain, Sergio Agüero und Angel di Maria zur Auswahl. Zumindest, wenn es sich qualifiziert. Danach sieht es nach einem erneuten sportlichen Rückschlag aber gar nicht unbedingt aus. Ein Problem, dessen sich der Weltmeister schon entledigt hat.