Stuttgart. . Bewegt verurteilt Bundestrainer Löw die rechtsradikalen Sprüche beim WM-Qualifikationsspiel in Prag. Der DFB ist in Aufruhr: Im Ausland sind die Krawallmacher unter den Fußballfans nicht zu stoppen.

Joachim Löw gleitet am Sonntagmittag im Aufzug in die achte Etage eines futuristischen Baus in unmittelbarer Nähe des Stuttgarter Fußballstadions. Schwarzer Pulli, schwarze Hose, ernste Miene. In der Arena, auf die man von dort aus durch die Glasfront herabschaut, tritt die Nationalmannschaft am Montagabend (20.45 Uhr / RTL live) gegen Norwegen an. Der Bundestrainer würde gern über Schönes sprechen, darüber, wie es ist, dorthin zurück zu kommen, wo man mal als Trainer zu Hause war. Oder über die Möglichkeit, mit dem achten Sieg im achten Qualifikationsspiel womöglich schon die Teilnahme an der WM 2018 in Russland zu sichern. Aber schön fühlen sich diese Tage derzeit nicht wirklich an.

„Es ist nicht so einfach, zur Tagesordnung überzugehen“, leitet Löw seine Rede ein, die Schlagzeilen machen wird: „Ich bin voller Wut über das, was passiert ist. Dass einige sogenannte Fans die Bühne des Fußballs benutzen, um mit ihrem oberpeinlichen Auftreten viel Schande über unser Land bringen.“

Schande über das Land: So nennt Löw die Nachwirkungen von Freitagabend, als die deutsche Mannschaft in Prag mit 2:1 gegen Tschechien gewonnen hat, sich ein Teil der deutschen Anhänger aber auf beschämende Weise präsentiert hat: Sie störten im Stadion eine Gedenkminute für zwei verstorbene tschechische Funktionäre. Sie grölten ihre Ablehnung gegenüber dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), den sie bezichtigen, ihren Sport mit selbstgefälliger Profitsucht zu ruinieren, mitten hinein in die Hymnen. Sie beleidigten zum wiederholten Male den 21 Jahre alten Nationalspieler Timo Werner. Und – das wog am schwersten – sie bellten rechte Parolen, skandierten „Sieg“ und dann „Heil“. Es waren 150, vielleicht 200 Personen. Rechtsradikale, Krawallmacher, üble Klientel. Nicht laut genug, um überall im Stadion gehört zu werden. Aber laut genug, um von der Mannschaft gehört zu werden. Sie verweigerte nach dem Schlusspfiff den Dankes-Gang zur Kurve (siehe Text unten).

DFB in Aufruhr versetzt

Die Vorfälle versetzten den DFB unmittelbar in Aufruhr. Schon am Samstag verurteilte sie Präsident Reinhard Grindel. „Gemeinsam müssen wir uns den Krawallmachern entgegenstellen“, sagte er und lobte die Aktion der Mannschaft als „ein klares Signal“: „Ihr seid nicht unsere Fans. Ihr seid Krawallmacher. Ihr habt im Stadion nichts verloren.“

Löw versicherte noch am Freitag nach dem Spiel glaubhaft, dass er von den rechten Entgleisungen nichts mitbekommen hatte. Umso betrübter zeigte er sich am Sonntag, sprach von „unterster Schublade“ und empfand das Geschehen als „zutiefst, zutiefst verachtenswert“.

Denn sowohl Löw als auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff betonen stets, wie wichtig ihnen die Botschaften sind, die ihr elitärer Zirkel sendet. „Wenn wir ins Ausland gehen und das Trikot anziehen, dann ist uns immer wichtig, dass wir unser Land würdig vertreten, dass wir für Werte stehen, für ein respektvolles, tolerantes, weltoffenes Deutschland“, meint Löw und wirkte wie inmitten einer Staatsaffäre, „diese Chaoten beschädigen dieses Bild. Deshalb stehe ich auf der Seite derjenigen, die die absolute Härte an Sanktionen fordern. Jeder von denen, der nicht ins Stadion kann, ist ein absoluter Gewinn.“

Doch das ist sicherlich deutlich einfacher gesagt als getan. Videoaufnahmen von den Chaoten dürften vorliegen. Natürlich lassen sich einige von ihnen identifizieren. Aber es dürfte schwer werden, sie uristisch zu belangen, weil sich ihr Vergehen kaum zweifelsfrei belegen lässt.

Lücke im System

Zudem nutzen sie eine Lücke im System: Wer in Deutschland bereits mit einem Stadionverbot belegt ist, kann sich für ein Spiel in Tschechien problemlos eine Karte besorgen. Zwar sind Tickets für den deutschen Block bei Auswärtsspielen nur über eine Mitgliedschaft im „Fanclub Nationalmannschaft“ zu bekommen. Wer ins Stadion kommt, ist dem DFB auf diese Weise namentlich bekannt.

Doch die Chaoten von Prag, die auch mit Hitlergruß in der Innenstadt zu sehen waren, fanden sich mit ihren Zugangsberechtigungen auf einem anderen Tribünenteil zusammen und überschatteten das Spiel mit ihrem Verhalten. Andere, die ebenfalls nach Prag kommen wollten, sollen an der Grenze an der Anreise gehindert worden seien, weil die Partie ohnehin als eine mit erhöhtem Sicherheitsrisiko galt. ---

Länderspiel als Ort der Freude

Bei der Partie gegen Norwegen am Montagabend ist das anders. Schmähungen gegen den Verband sind nicht ausgeschlossen; diese zuletzt vehemente Bewegung aus der Bundesliga hat die Nationalmannschaft nun auch erreicht. Aber damit lässt sich leben. Mit allem anderen nicht. „Ein Fußball-Stadion sollte ein Ort sein, wo man mit Freude hingeht“, sagt Löw, freudlos.