Prag. DFB-Präsident Reinhard Grindel und die Spieler distanzieren sich von einem Teil der deutschen Fans. Dieser fiel beim Spiel in Prag negativ auf.
Eilig und mit einer Sondergenehmigung entschwand die deutsche Nationalmannschaft noch in der Nacht zu Samstag vom Flughafen in Prag. Ihr Ziel: Stuttgart, Austragungsort eines weiteren WM-Qualifikationsspiels gegen Norwegen am Montag. Nächstes Spiel, nächste Aufgabe. Weiter geht's. Doch so einfach ließ sich nach den Geschehnissen in Tschechien trotz des glücklichen Sieges nicht zur Tagesordnung übergehen
Auch interessant
Das schändliche Verhalten eines Teils der deutschen Fans verfolgte die Delegation bis in die Heimat und rief nur wenige Stunden nach der Landung in der Heimat auch Verbandspräsident Reinhard Grindel auf den Plan. "Wir können stolz sein auf das DFB-Team", begann er seine schriftliche Stellungnahme und lobte "das feine Gespür, sich eindeutig vom Verhalten eines Teils der deutschen Zuschauer zu distanzieren". Dies sei "ein klares Signal, das die Mannschaft da ausgesendet hat: Ihr seid nicht unsere Fans. Ihr seid Krawallmacher. Ihr habt im Stadion nichts verloren. Ihr missbraucht die Bühne des Fußballs."
Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes meinte damit die Entscheidung der Nationalspieler, den obligatorischen Gang zu den eigenen Anhängern - eine Geste des Dankes für Unterstützung und Gefolgschaft - nach dem 2:1-Sieg geschlossen zu verweigern. Das Verhalten auf Teilen der Tribüne "war so weit daneben, dass es nicht mehr zur Diskussion stand, da hinzugehen", berichtete der erfreulich meinungsstarke Verteidiger und Siegtorschütze Mats Hummels vom offenbar einheitlichen Stimmungsbild in der Mannschaft über die Entgleisungen.
Chaoten begannen ihr Treiben schon vor dem Anpfiff
Jene Chaoten begannen ihr unappetitliches Treiben schon vor dem Anpfiff, als sie eine Schweigeminute für zwei verstorbene tschechische Funktionäre und auch die Nationalhymnen mit Zwischenrufen störten. "Fußball-Mafia DFB" und "Scheiß DFB" brüllten sie, weil sie den Verband bezichtigen, den Sport mit Profitsucht und Arroganz kaputt zu machen. Später dann beleidigten sie den Torschützen zur deutschen Führung, Timo Werner, in trauriger, aber bekannter Weise ("Hurensohn"), weil er für das ungeliebte RB Leipzig spielt und sich vor einem Jahr zu einer Schwalbe hatte hinreißen lassen.
Auch interessant
Den Verband zu beschimpfen, ist derzeit schwer in Mode. Schon in der Bundesliga hatte es am ersten Spieltag konzertierte Aktionen gegeben. Nun ist diese Bewegung vehement auch in der Nationalelf angekommen, was eine neue Qualität darstellt. Nationalmannschafsmanager Oliver Bierhoff wollte diese beiden Themen am liebsten ignorieren. Beschimpfungen gegen den Verband? "Das ist die Ansicht einiger Fans, das muss man akzeptieren. Ich würde kein riesiges Drama daraus machen." Anfeindungen gegen Werner? "Das sind Einzelfälle. Das interessiert uns nicht."
Zur vollumfänglichen Schande entwickelte sich das Geschehen dann ein wenig später, als ein noch kleinerer Teil der deutschen Zuschauer den aus Fußball-Stadien bekannten Sprechchor "Sieg" mit "Heil" beantworteten. Nicht Tausende, aber eben auch nicht nur zwei, drei Verwirrte. Wer nicht darauf achtete, konnte es im Stadion auch überhört haben, wie offenbar Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw. Die Spieler aber hatten es mitbekommen. „Wenn du Gesänge hörst mit nationalsozialistischem Hintergrund, braucht man sich nicht wundern, dass wir das nicht bejubeln. Wir waren uns alle einig, dass wir da jetzt nicht noch in die Kurve gehen und das noch unterstützen“, sagte der Leverkusener Julian Brandt. Hummels befand all das als "Katastrophe! Ganz schlimm. Davon distanzieren wir uns komplett. Das sind keine Fans, das sind Krawallmacher, Hooligans. Wir müssen schauen, dass wir die aus dem Stadion kriegen. Tut uns leid, für die, die das nicht gerufen haben."
DFB-Manager Bierhoff: "Wir hatten zwei verschiedene Fanblöcke"
Aber so leicht ist das nicht. "Ich habe gehört, dass es hier wohl nicht so streng war, Tickets zu kriegen. In Deutschland haben es diese Leute schwerer, was sehr gut ist", meinte Hummels. Bierhoff bestätigte das: "Wir hatten zwei verschiedene Fanblöcke, der eine war von uns geordnet, beim anderen war der Ticketverkauf nicht über uns gelaufen." In den offiziellen deutschen Fanblock gelangt bei Auswärtsspielen nur, wer dem Fanclub Nationalmannschaft angehört. Eine kostenpflichtige Mitgliedschaft, über die personalisierte Karten zu beziehen sind.
Direkt daneben aber, auf einem getrennten Tribünenteil, hatten sich jene Typen zusammengerottet, die sich anderweitig Karten besorgt hatten. Besorgnis erregende Typen, von denen noch mehr auf dem Weg nach Tschechien gewesen sein sollen, aber offenbar an der Grenze gestoppt werden konnten. So traurig das klingt: Möglicherweise ist dieser abstoßende Abend durchaus noch glimpflich ausgegangen.