Das neue FIFA-Statut sorgt weiterhin für Wirbel. Nach Jermaine Jones kehrt nun auch Kevin-Prince Boateng dem DFB den Rücken. Der SID sprach mit DFB-Präsident Theo Zwanziger.

Auf Jermaine Jones folgt Kevin-Prince Boateng: Das FIFA-Statut zum Wechsel von Auswahlmannschaften hat sich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) bereits bemerkbar gemacht. Der Sport-Informations-Dienst (SID) sprach mit DFB-Präsident Theo Zwanziger über die aktuelle Problematik.

SID: "Theo Zwanziger, das neue FIFA-Statut zum Wechsel von Nationalmannschaften sorgt weiter für Wirbel. Nach Jermaine Jones hat nun auch Kevin-Prince Boateng seinen Abschied vom DFB erklärt. Sehen Sie das neue FIFA-Statut ähnlich problematisch wie Generalsekretär Wolfgang Niersbach?"

Theo Zwanziger: "Diese Entscheidung, die von der UEFA nicht gewünscht war, müssen wir respektieren. In der FIFA sind viele kleine Nationen vereint, die ein Interesse daran haben, Spieler aus stärkeren Nationen an sich zu binden. Natürlich kann das dazu führen, dass Spieler, die das Trikot der deutschen A-Nationalmannschaft getragen und noch kein Pflichtspiel absolviert haben, deshalb das Land wechseln. Für die Spieler ist die neue Regelung sicher interessant, weil sie dadurch flexibler reagieren können. Aus Sicht der starken Nationalverbände, in denen die Spieler erst alle Jugendauswahlteams durchlaufen und von denen sie sich dann verabschieden, kann man natürlich an den Punkt kommen, an dem man fragt: Wann ist Schluss?"

SID: "Auf Jones und Boateng kann Bundestrainer Joachim Löw sportlich verzichten. Fürchten Sie nicht dennoch den Missbrauch der Regel seitens der Spieler und deren Berater?"

Zwanziger: "Wenn so eine Regel beschlossen wird, ist man vor Missbrauch nicht gefeit. Aber wir sollten nicht auf die neuen Regularien schimpfen. Wir sollten vielmehr vor allem den Spielern mit Migrationshintergrund stets Respekt entgegenbringen, damit sie sich fair behandelt fühlen und am Ende nur Leistungsgründe für ihre Entscheidung ausschlaggebend sind. Wenn sie sportlich keine Zukunft im DFB sehen, und die Chance zum Wechsel nutzen, ist das ihre Sache. Wir müssen das akzeptieren und können dagegen nichts einwenden. Dennoch wollen wir erreichen, dass es für junge Spieler eine Grundsatzentscheidung ist, wenn sie das deutsche Trikot tragen, sie sich also mit unserem Land und dem Team identifizieren. Und eine solche Grundsatzentscheidung sollten sie dann nicht irgendwann auf dem Altar opfern, aus welchen Gründen auch immer. Für uns ist neben dem Leistungsprinzip das entscheidende Kriterium, dass Nationalspieler, die das DFB-Trikot tragen, Deutschland als ihre Heimat betrachten."

SID: "Sie haben den nötigen Respekt gegenüber Spielern mit Migrationshintergrund erwähnt. Jermaine Jones hat diesen im Kreis der Nationalmannschaft offenbar vermisst..."

Zwanziger: "Der Bundestrainer hat doch dazu klar Stellung bezogen. Er und auch andere im Kreis der Nationalmannschaft sehen dies ganz anders als Jermaine Jones. Bei allem Respekt vor ihm und seiner Entscheidung: Seinen Äußerungen wird klar widersprochen. "

SID: "Mit Blick auf zahlreiche Spieler in der U21 mit Migrationshintergrund scheint die Identifikation der meisten jungen Auswahlspieler mit dem DFB ja vorhanden zu sein. Man hat den Eindruck, dass sich trotz der aktuellen Fälle Jones und Boateng immer mehr Spieler für den DFB entscheiden..."

Zwanziger: "Das sehe ich genauso. Ich glaube auch, dass die Zeit für uns spielt, wenn wir mit diesen Spielern fair umgehen und die Botschaft rüberbringen, dass wir sie nicht ausnutzen. Wenn die Spieler vom Bundestrainer nominiert werden, müssen sie unabhängig von ihrem familiären Hintergrund den nötigen Respekt spüren - und das ist nach meinen Beobachtungen zuletzt immer der Fall gewesen. An den Beispielen von Ashkan Dejagah, Mesut Özil und Serdar Tasci sieht man ja, dass sich in vergangenen zwei, drei Jahren in unserer Gesellschaft angesichts dieses Themas viel geändert hat. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg."