Brüssel. Die Klubs aus den Staaten Osteuropas sind ratlos. Die Hooligan-Szene ist in den Balkan-Ländern nicht unter Kontrolle zu bekommen. Gewalt gehört zur Tagesordnung, in der vergangenen Woche wurde ein Fan des FC Sarajewo erschossen.
Fußballerisch ist Ex-Jugoslawien ein toller Erfolg. In der Bundesliga sind die Bosnier Dzeko, Ibisevic und Misimovic, die Kroaten Olic, Pranjic und Petric oder die Serben Subotic und Kuzmanovic Stars. Ihre Landsleute spielen bei Arsenal, ManU, Tottenham, Inter und anderen Top-Vereinen. Nicht weniger als vier Nationalteams aus dem ehemaligen Tito-Reich stehen vor der Qualifikation zur WM 2010 in Südafrika. Doch so viel Sonne über dem grünen Rasen liegt, so düster sieht es auf den Rängen und vor den Stadien aus: Die Balkan-Hooligans sind das Übelste an brutaler Gewalt, das den Volksport Nummer eins derzeit heimsucht.
Schläger-Trupps begleiten die Teams ins Ausland
Die Mannschaften aus den Ländern Südosteuropas werden bei Spielen im Ausland von Schläger-Trupps begleitet, die ihre westeuropäischen Klopper-Brüder an Blutrünstigkeit übertreffen. Kaum eine Partie eines Balkan-Clubs in den europäischen Ligen geht ohne Gewalt ab. „Die Hooligan-Szene wandert von West nach Ost“, lautete jüngst eine Titelzeile der kroatischen Zeitung „Jutarnji list“. Was in den 80er Jahren in Großbritannien, Holland oder Deutschland der Polizei Kopfzerbrechen machte, spielt sich jetzt in Zagreb, Belgrad oder Sarajewo ab.
Fan des FC Sarajewo vergangene Woche erschossen
Vergangene Woche wurde der junge Vedarn Puljic, Fan des FC Sarajewo, in Siroki Brijeg erschossen, wo die Kroaten die Bevölkerungsmehrheit stellen. Neue Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen in Bosnien-Herzegowina waren die Folge. Fast 10.000 Trauergäste nahmen an Puljics Beerdigung teil. Auf katholische Kirchen in der Hauptstadt Sarajewo wurden Anschläge verübt, auf Mauern und Hauswänden erschienen anti-kroatische Parolen.
In der Vorwoche war Brice Taton, Anhänger des FC Toulouse, unter den Schlägen Belgrader Hooligans ums Leben gekommen, nachdem der heimische Club Partizan gegen die Gäste aus Frankreich verloren hatte. Am selben Tag lieferten sich 200 Fans von Dinamo Zagreb eine ganztägige Straßenschlacht mit der Polizei im rumänischen Timisoara – es war das erste Auslandsmatch nach Ablauf einer UEFA-Sperre wegen Dinamos berüchtigter „Bad Blue Boys“. Ähnlich ungehemmt hatten zuvor militante Freunde des kroatischen Konkurrenz-Vereins Hajduk Split in der Slowakei um sich gedroschen.
Prügelorgien sind ein finsteres Ritual
In Kroatien und Serbien sind Prügelorgien zwischen den Hajduk- und Dinamo-Trupps und den Randalinskis der Belgrader Lokalrivalen Roter Stern und Partizan mittlerweile ein finsteres Ritual. An spielfreien Tagen treffen sich die verfeindeten Lager zur Dreschorgie an der Autobahn-Tankstelle.
Behördenvertreter aus Serbien, Kroatien und Bosnien sind eigens nach Großbritannien gefahren, um sich Tipps für den Kampf gegen Fußball-Rowdies zu holen. Die Clubs selbst sind ratlos. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst überdies die Sorge, die fortgesetzte Randale werde den Verein womöglich ruinieren. Bislang hat das Übel noch nicht auf die Nationalmannschaften und deren Fan-Tross übergegriffen. Eine Verbindung von Nationalismus und Hooliganismus wäre auf dem Balkan wie ein Cocktail aus Nitro und Glyzerin - die schlimmste Eskalationsstufe.