Berlin. . Abschluss-Schwäche, Abwehrpersonal, Schweinsteiger und der Neuer-Ersatz: Der Bundestrainer verarbeitet die schlechteste EM-Qualifikation seit 32 Jahren.

Der Weg war kurz für Joachim Löw. Von seiner Zweitwohnung in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin, in welcher der Bundestrainer seit Freitag weilte, kann man zum Grand Hyatt, dem Teamhotel der deutschen Nationalelf, spazieren. Der Bundestrainer hatte sich auf das erste Treffen des Jahres und die beiden Länderspiel-Klassiker gegen England am Samstag, 26. März 2016, (20.45 Uhr, ZDF) sowie Italien drei Tage später in München gefreut. Gut zwei Monate vor Beginn der EM in Frankreich wollte er mit den Testpartien Aufbruchstimmung erzeugen. Ein „Jetzt-geht‘s-aber-los“ sollte es werden.

Erstes EM-Gruppenspiel am 12. Juni

Es sind vier Baustellen, an denen Löw bis zum ersten EM-Gruppenspiel gegen die Ukraine am 12. Juni 2016 zu werkeln hat. Die vier Baustellen sind: die Abschluss-Schwäche, das Abwehrpersonal, die Causa Schweinsteiger und die Frage nach der Hierarchie im Tor hinter der Nummer eins Manuel Neuer. „Wenn wir ehrlich sind, hätten wir in unserer aktuellen Verfassung keine Chance“, hatte Sami Khedira zu Jahresbeginn auf die Frage gesagt, ob Deutschland Europameister werden kann. Löw gab ihm nun recht: „Wenn wir unsere Form nicht verbessern, wird es schwer“,

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Nach dem WM-Triumph hatte das DFB-Team seine schlechteste EM-Qualifikation seit 32 Jahren gespielt. Nur fünf Siege in neun Spielen gab es 2015, dazu drei Niederlagen. Da bleibt eine Menge Arbeit.

Vergisst man das letzte Testspiel gegen Frankreich (0:2), weil es unter besonderen Umständen stattfand, blieb der letzte Eindruck vom 2:1 gegen Georgien, als haufenweise Großchancen vergeben wurden. Löw hatte dafür das Bild des Boxers gefunden, der zwar Treffer lande, aber den K.o. verpasse. Dabei trat seine Elf eher wie ein Boxer auf, der zwar geschmeidig um den Gegner tänzelt, aber das Zuschlagen vergisst. Die Direktheit zum Tor wiederzufinden, wird eine wichtige Aufgabe.

Boateng und Höwedes sind seit Wochen verletzt

Darüber hinaus hat Löw das Problem, dass zwei seiner bewährten Verteidiger, Jerome Boateng und Benedikt Höwedes, seit Wochen verletzt fehlen. Deshalb hat er erstmals Jonathan Tah aus Leverkusen in den 26-Mann-Kader nominiert. „Wenn die Spieler ausfallen sollten, hat Jonathan in der Bundesliga gezeigt, dass er konstant gut spielen kann“, sagte Löw.

Auf der Position des rechten Außenverteidigers ist Löw immer noch im Suchmodus: Den Liverpooler Emre Can hatte er dort ausprobiert – mit mäßigem Erfolg. Zuletzt versuchte er es mit dem Dortmunder Matthias Ginter. Alternativen wären Antonio Rüdiger und Sebastian Rudy. Oder Löw stellt auf eine Dreierkette um.

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Baustelle Nummer drei ist die prominenteste: Schweinsteiger ist bei Manchester United immer noch nicht angekommen. Er sei eine „Metapher für den Untergang von United“, schrieb „The Independent“ neulich. Zuletzt fehlte er wochenlang verletzt. Löw aber setzt weiter auf den 31-Jährigen: „Natürlich muss er körperlich aufholen“, sagte er. Aber: „Bastian ist ein absoluter Leader, er geht voran.“ Und die Vergangenheit gibt Löw recht: Auch vor der WM war Schweinsteiger außer Form, um dann in den wichtigen Spielen präsent zu sein.

Kampf um die Plätze ist eröffnet

Zu guter Letzt muss sich Löw noch entscheiden, welche Torhüter er mit zur EM nimmt. Statt Ron-Robert Zieler hat er diesmal hinter Neuer Marc-André ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp berufen. Wer als Nummer zwei und drei mit nach Frankreich fährt, hängt auch von der Teamhygiene ab. Wer stellt sich trotz seiner zu erwartenden Reservistenrolle voll in den Dienst der Mannschaft?

Für Joachim Löw hat am Dienstag der Endspurt auf die EM begonnen. Der Kampf um die Plätze sei nun ernsthaft eröffnet, sagte er. Vom suspendierten Max Kruse spricht da keiner mehr.