Essen. . Die DFB-Elf hat ein bewegtes Jahr hinter sich und ein spannendes vor sich. Denn bis zur Europameisterschaft muss Bundestrainer Joachim Löw noch viel Arbeit erledigen.

Das Arbeitsjahr 2016 beginnt für Joachim Löw so richtig erst am 24. und 25. Januar. In München kommen dann seine Fußball-Nationalspieler zusammen und ihrer vergleichsweise lästigen Pflicht nach, an den sogenannten Marketingtagen für Sponsorenaufnahmen bereit zu stehen. Der Bundestrainer wird das erste Treffen im neuen Jahr auch dafür nutzen, mit dem alten endgültig abzuschließen. Die Terrornacht von Paris, die Anschlagsdrohungen beim letzten Länderspiel in Hannover – all das müssen Löw und seine Jungs noch einmal gemeinsam verarbeiten. „Wir dürfen die unangenehmen Erinnerungen nicht mit ins Turnier nehmen“, sagt der 55-Jährige mit Blick auf ein sportlich bedeutungsvolles Jahr für den Weltmeister.

Joachim Löw ist es wichtig, sich von mentalen Altlasten zu befreien. Derlei Kopfzerbrechen kann der Weltmeistermacher bei seinen Spielern nicht gebrauchen, denn dazu machen sie sechs Monate vor der Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) ohnehin schon fußballerisch einen zu unfertigen Eindruck. Mit dem mühseligen Gruppensieg in der Qualifikation hat die Mannschaft nur das abgeliefert, was von ihr verlangt werden durfte. In den anderthalb Jahren seit dem Triumph am Zuckerhut hat sich das Team kaum weiterentwickelt, um es bedenkenlos als großen Turnierfavoriten für den französischen Sommer zu etikettieren. „Turniere sind auch für mich als Trainer die Highlights“, lässt Löw die Bestandsaufnahme zum Jahreswechsel noch kalt.

Vorbereitung startet am 23. Mai

Sehr wohl hätten die schrecklichen Bilder vom 13. November in Frankreich auch jeden Fußball-Jahresrückblick geprägt, wenn die DFB-Auswahl zuvor sportlich mehr von sich reden gemacht hätte. Fünf Siege, davon drei gegen Leichtgewichte wie Georgien und Gibraltar, sowie ein Unentschieden in neun Partien sind aber eher eine magere Ausbeute für einen Weltmeister, der nur beim 3:1 über Polen ein Glanzlicht setzen konnte.

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Das rechtfertigt kein Krisengerede, darf jedoch auch nicht bedenkenlos übergangen werden. Vor dem WM-Sieg 2014 war die Mannschaft beinahe genauso weit vom Status eines Titelanwärters entfernt wie Bastian Schweinsteiger aktuell von seiner Topform. Als Schablone für Frankreich werden die 2014er Vorbereitung und das Zusammenleben im Campo Bahia allerdings nicht herhalten können. Zwei Tage nach dem DFB-Pokalfinale startet Löw am 23. Mai die finale Vorbereitung in Ascona/Schweiz, am 31. Mai muss er den 23er-Kader benennen, mit dem es ab dem 6. Juni ins EM-Quartier Évian-les-Baines geht. Dort will der Bundestrainer einen neuen Teamgeist entwickeln.

Viele Fragezeichen beim Personal

Das dürfte nicht allzu schwer fallen, weil der Kern der Brasilien-Truppe noch zusammen ist und sich seitdem nur wenige Spieler empfehlen konnten, dauerhaft eine Einladung zur Nationalmannschaft zu erhalten. Von den Außenverteidigerpositionen, die zuletzt der Kölner Jonas Hector und Dortmunds Matthias Ginter bekleidet haben, bis hin zur Sturmspitze, wo Mario Gomez noch auf sein Comeback im DFB-Dress hofft, hat der Bundestrainer noch nicht alle Unwägbarkeiten ausräumen können. Momentan ist sehr fraglich, ob Kapitän Schweinsteiger noch einmal der benötigte Anführer sein kann. Mesut Özil begeistert zwar die Fans des FC Arsenal, ist in Länderspielen aber zu häufig Mitläufer als Matchwinner. Und bei Marco Reus muss man sowieso bis kurz vor dem ersten Gruppenspiel am 12. Juni in Lens gegen die Ukraine hoffen, dass er fit mit zur EM kann.

Die Löw-Elf könnte allerdings von einer Einschätzung Oliver Bierhoffs profitieren. Der Teammanager sagt: „Aus sportlicher Sicht wird das Turnier nach der Erhöhung der Teilnehmerzahl erst ab dem Viertelfinale richtig brisant.“ Von daher ist auch nicht davon auszugehen, dass es zum Stolperstein für den Bundestrainer werden wird, der bis 2018 an den DFB gebunden ist. Löw wertet die EM als Zwischenetappe auf dem Weg zur WM, will in Russland den Titel verteidigen. „Wenn die EM komplett in die Hose geht“, erklärt der 55-Jährige, „gibt es vielleicht eine Situation, über die man diskutieren muss.“ Wahrscheinlicher ist jedoch, dass beim auf 24 Teams aufgeblähten Teilnehmerfeld in Frankreich die Weisheit widerlegt wird, dass eine WM leichter zu gewinnen sei als eine EM.