Paris. Joachim Löws DFB-Team trifft am Freitag auf Frankreich. Der Spielort weckt Sehnsüchte: Im Stade de France findet 2016 das Finale der Fußball-EM statt.
Die Pariser Straße der Träume ist eher ein mehrspuriger Asphalt der Tristesse denn ein prachtvoller Boulevard. Die Rue de la Chapelle ist geprägt von gammeligen Supermärkten und kleinen Restaurants. In dieser düsteren Betonschlucht ist die vage Zuversicht auf bessere Zeiten spürbar. Von hier aus führt der Weg in die nördlichen Vororte der Hauptstadt, mit jedem Meter rücken Perspektivlosigkeit und Kriminalität näher. Über die Autoroute du Nord gelangt man schließlich nach Saint-Denis, für Staatspräsident Francois Hollande eines der 15 Problemdepartements Frankreichs.
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Doch hinter einem langgezogenen Tunnel auf der A1 taucht aus Sicht der Grande Nation dann doch noch ein Ort der Hoffnung auf: das Stade de France, in dem am Freitagabend (21 Uhr/ live in unserem Ticker) im Testspiel der Fußball-Weltmeister Deutschland zur einer Ortsbegehung für das nächste Großereignis auflaufen wird. Wo Frankreich kurz nach der Einweihung 1998 seinen WM-Titel feierte, wird am 10. Juli kommenden Jahres der Europameister gekürt. Die Sehnsucht nach Paris, sie nimmt für die beiden Fußball-Großmächte Freitagabend erstmals Fahrt auf.
Bei Joachim Löw allerdings nur allmählich. Der Bundestrainer schmunzelt, als er bei der Medienrunde am Donnerstag im Mannschaftshotel unweit der Seine auf dem Weg zu seinem Stuhl beinahe über eine Werbetafel stolpert. “Wir freuen uns, das sind zwei große Namen”, sagt er und nippt am Espresso, “aber es ist schwierig für mich, alles unter einen Hut bringen.” Weil in den Tagen zuvor in München mehr Fototermine im Englischen Garten anstanden als Trainingseinheiten auf dem Rasen des FC Bayern, klinge Frankreich gegen Deutschland nach mehr, als er sich von der Partie verspreche.
Löw: "Probieren, sehen, lernen"
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Für Löw ist das Ergebnis sekundär, “was für mich zählt: probieren, sehen, Erkenntnisse sammeln, analysieren, daraus lernen, wissen, was in der Vorbereitung zu tun ist - und dann ist EM.” Ähnlich wie der Bundestrainer denkt Thomas Müller: “Es ist schön, gegen einen großen Gegner in so einem Superstadion zu spielen”, sagt der Münchner, “aber mit der EM hat das noch nichts zu tun, man denkt nicht in solch großen Zyklen.” Schließlich suchen jetzt beide Verbände auch noch nach der Orientierung, nachdem die Skandale um ihre höchsten Funktionäre sie ordentlich durchgeschüttelt haben.
In Frankreich rückt neben der Affäre um Michel Platini mit Karim Benzema noch einer der Leistungsträger der “Bleus” ins Visier der Ermittler. Beinahe hätte der Stürmer von Real Madrid vor 16 Monaten das deutsche Team im Viertelfinale (1:0 durch Mats Hummels’ Kopfballtor) ganz empfindlich auf dem Weg zum WM-Titel gestört, doch Manuel Neuer hatte mit einer Riesenparade in der Nachspielzeit entschieden etwas dagegen.
Frankreich gegen Deutschland unter Druck
Am Freitag fehlt der 27-Jährige in Saint-Denis. Benzema soll daran beteiligt sein, Vereinskamerad Mathieu Valbuena mit einem pikanten Video erpresst zu haben. Das alles “wirft kein gutes Licht auf den französischen Fußball”, klagt Valérien Ismaël,“ er hat von seinem Glanz verloren.”
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Der frühere Bremer und Münchner Bundesligaprofi, verheiratet mit einer Deutschen und heute Trainer bei der U23 des VfL Wolfsburg, glaubt, dass auf die mit großen Hoffnungen besetzte neue Generation um Paul Pogba, Kingsley Coman und Anthony Martial “der Druck größer wird, endlich mal wieder positive Schlagzeilen zu produzieren.” Was nicht bloß im ersten Titel seit 2000 enden sollte: Das Verhältnis der Franzosen zur Équipe Tricolore “ist schwer belastet von den Problemen, die sich bei der WM 2010 in Südafrika ergaben”, sagt Ismaël. Damals wandte sich die ganze Nation nach blamablen Leistungen und etlichen Eskapaden von Ribéry & Co. ab. Bis heute fehlten dem aktuellen Team Gesichter, zu denen man stünde, findet Ismaël: “Die Mannschaft von 1998 und 2000 hatte eine eigene Persönlichkeit durch Spieler wie Zidane, Thuram, Blanc, Deschamps, das fehlt momentan noch – da muss erst wieder etwas zusammen wachsen.”
Die Franzosen soll nun das Duell mit der Löw-Elf ihrem Team von Nationaltrainer Didier Deschamps wieder näher bringen. Topfavorit auf den EM-Titel werde zu Turnierbeginn aber Deutschland sein, glaubt Ismaël. Trotzdem weckt das Stade de France Sehnsüchte beider Teams: “Den Weltmeister zu Hause zu schlagen, könnte eine positive Stimmung bis zur EM erzeugen”, sagt er. Die Hoffnung, es gibt sie also noch auf der Straße hoch nach Saint-Denis.