Oberhausen. Ex-Profi Hans-Günter Bruns geht heute nur noch zu Gladbach ins Stadion - “weil die noch Typen haben“. Er kritisiert die Entwicklung des Fußballs.
Hans-Günter Bruns (60) wollte mit dem Fußball abschließen und entdeckte beim Oberhausener Landesligisten Arminia Klosterhardt seine Leidenschaft wieder. Gladbach-Legende, Aufstiegstrainer, Europameister – und ein Kritiker des modernen Fußballs. Am kommenden Sonntag steht er als Coach gegen den TSV Ronsdorf an der Seitenlinie, vorher sprach er im Interview mit Dirk Hein.
Schalke, Düsseldorf, Gladbach – dazu 366 Bundesliga-Spiele: Verfolgen Sie noch den Werdegang Ihrer ehemaligen Vereine?
Hans-Günter Bruns: Ich gehe nur noch in Gladbach ins Stadion. Der heutige Fußball macht mir keinen Spaß mehr. Er ist unattraktiv und langweilig. Wenn man auf den Platz geht, möchte man Fußball sehen und nicht Torverhinderungs-Künstler oder Taktiken, die nur auf Ballbesitz zielen.
Aber was macht Gladbach anders?
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Bruns: Gladbach hat noch Typen. Schauen Sie sich Max Eberl an und dann die anderen Manager, die da herumrennen. Gladbach war immer ein familiärer Verein. Da gab es 30 Jahre lang ein Führungstrio mit Helmut Beyer, Alfred Gerhards und Helmut Grashoff.
Fehlt Ihnen die klare Kante oder formt der moderne Fußball die Spieler automatisch?
Bruns: Früher haben die Spieler das gesagt, was sie wollten. Das war sicher nicht immer toll, aber authentisch. Heute gibt es rhetorische Schulungen.
Nun trainieren Sie in der Landesliga in Oberhausen. Hier in der Nachbarschaft hat mit Ihrem ersten Trainerjob alles angefangen...
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Bruns: Das war beim FC Sardegna. Einer meiner Freunde ist Sarde, sein erster Sohn ist mein Patenkind. Ich habe damals bei Gladbach gespielt. Er fragte: Kannst du uns nicht mal in der Woche was zeigen?
Ein Bundesliga-Profi, der nebenbei noch in der Kreisliga trainiert. Das klingt, wie aus einer fernen Zeit...
Bruns: Ich hatte damals von Jupp Heynckes die Erlaubnis, solange das nicht mit Gladbach kollidierte. Das wäre heute nicht mehr möglich. Die ticken ganz anders. Heute sind alle völlig abgehoben, wie der gesamte Fußball.
Was stört Sie am meisten?
Bruns: Es geht ums Geld, sonst um gar nichts. Über Leute, die auf Fußball-Söldner schimpfen, kann ich mich kaputtlachen. Das sind alles Fußball-Söldner – durch die Bank.
Bruns: "Bayern München hat durch Uli Hoeneß eine soziale Ader"
Wann hat der Fußball seine Unschuld verloren?
Bruns: 1990 habe ich aufgehört, da ging es noch. In Gladbach war alles immer etwas anders – genau wie bei Bayern München. Der Verein hat durch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge eine soziale Ader. Nicht dieses überkandidelte Getue, das bei Sky präsentiert wird.
Warum werden die Bayern bei einigen Fans anders wahrgenommen?
Bruns: Erfolg erzeugt Neid. Ich war kein Freund von Bayern München, aber sie haben aus ihren Möglichkeiten immer das Beste gemacht. Natürlich gibt es in so einer Stadt bessere Chancen. Aber wenn andere ihr Geld zum Fenster herausgeworfen haben, hat Bayern seine Konten vollgemacht.
„Das schönste Tor, das niemals erzielt wurde“ – Ihr Sololauf gegen die Bayern über das gesamte Spielfeld, 1983, ist im Internet ein Hit.
Bruns: Rein physikalisch war das unmöglich, dass der Ball gegen den zweiten Pfosten prallt und gerade herausspringt. Als der Ball über die Linie lief, war ich fest davon überzeugt: Der geht rein!
Sind Sie auf etwas stolz?
Bruns: Als Trainer wollte ich unbedingt mit wenig Geld in den bezahlten Fußball kommen. Das ist mir mit Rot-Weiß Oberhausen gelungen. Von der Oberliga bis in die Zweite Bundesliga mit einem Etat, über den sich andere kaputtgelacht haben. Dafür muss man sich die richtigen Jungs aussuchen, die Herz und Charakter haben.
Oberhausen galt lange als der etwas andere Verein, der sich den Automatismen des Fußballs verweigert. Schmerzt es Sie, dass es dann mit Ihrer Entlassung endete?
Bruns: Ich weiß doch, wie das läuft. Bei meiner Entlassung standen wir nicht auf einem Abstiegsplatz. Leider gibt es dann viele Quassler und wenig Charakter.
Zitat Hans-Günter Bruns: „Statistiken sind was für Leute, die vom Fußball keine Ahnung haben...“
Bruns: Genau, Fußball muss man gelebt haben. Wenn ich höre, wenn jemand heute damit angibt, dass er ja in der Jugend gespielt hat, weiß ich genau, was los ist. Der hat nie etwas gekonnt und durfte nur mitspielen, weil er einen Ball mitbrachte.
Warum trainieren Sie heute in der Landesliga?
Bruns: Bei den Jungs in den höheren Spielklassen liegen 30 Prozent ihrer Möglichkeiten brach, weil sie in taktische Zwänge gedrängt werden. Nach meiner Trainerstation in Velbert sollte bei mir Schluss sein. Doch bei Arminia Klosterhardt kannte ich viele Leute. Ein Klubhaus ist hier auch vorhanden. Und es gibt 19 Jugendmannschaften. Das alles bei wenig Geld. Hier geht es für mich zurück zu den Wurzeln.
Was werden Sie von jungen Spielern gefragt?
Bruns: Es geht um Anekdoten, bei denen die sportlichen Leiter von heute wohl ohnmächtig werden würden. Heute machen die Vereine ein Fass auf, wenn ein Spieler in der Disco gesehen wird. Das finde ich lächerlich.
Wenn noch einmal ein großer Verein zu Ihnen...
Bruns (unterbricht): Dann sage ich nein!