Frankfurt. Im Verein saß Mario Götze zuletzt oft nur auf der Bank. Bei der Nationalmannschaft soll er jetzt als falsche Neun den polnischen Abwehrriegel knacken.
Joachim Löw hatte gerade erst darüber referiert, wie schwindelerregend doch die Geldflut sei, die in den letzten Tagen von der britischen Insel aus die Fußball-Bundesliga überrollt habe. Aber, sagte der Bundestrainer, die deutschen Vereine könnten diese aberwitzigen Summen nutzen. Indem sie sie in ihre Nachwuchsarbeit und damit in die Zukunft der Nationalmannschaft investieren.
Nur wenige Augenblicke später nahm das vielleicht noch immer beste Beispiel deutscher Talentförderung neben Joachim Platz im Medienzelt vor dem Frankfurter Stadion: Mario Götze, immer noch 23 Jahre jung, viermal in den vergangenen fünf Jahren Deutscher Meister und - seine wichtigste Errungenschaft wohl - goldener Finaltorschütze bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Brasilien. “Der englische Fußball hat nämlich das Problem”, sagte der Bundestrainer zuvor, “dass die Talente dort keine Spielpraxis erfahren.”
Götze ist noch nicht unentbehrlich
Nun muss man Götze mit Fug und Recht nicht mehr als Talent bezeichnen, dem womöglich noch jede Minute Einsatzzeit auf dem Rasen zur persönlichen Entwicklung nützlich wäre. Aber trotz seiner immensen Erfahrung, des riesigen Potenzials und großer Momente wie dem 1:0-Siegtreffer 2014 gegen die Argentinier ist Götze noch immer nicht dort, wo er sich vermutlich selbst, ganz sicher aber viele andere sehen: als einen Spieler, an dem der Trainer nicht vorbei kommt, der trotz großer Konkurrenzsituation im Kader, sei es beim FC Bayern oder in der Nationalmannschaft, als gesetzt gilt, sofern er gesund ist.
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“Ich freue mich, dass ich spielen kann”, bedankte sich Götze nun vor seinem 45. Einsatz im DFB-Trikot am Freitag (20.45 Uhr/RTL und in unserem Ticker) im bedeutenden EM-Qualifikationsspiel gegen Polen für das in ihn gesetzte Vertrauen. Er selbst sei sein größter Kritiker, “ich versuche, 24 Stunden für den Fußball zu leben.” Dies hat in den beiden Jahren nach seinem von reichlich schwarzgelbem Fangroll begleiteten Wechsel nach München offenbar nicht dazu geführt, Pep Guardiola hundertprozentig von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. “Für mich stand dennoch nie zur Debatte, den Verein zu verlassen”, sagt Götze, “ich habe den Faden nicht verloren, aber es gibt solche und solche Phasen. Man kann nicht immer auf dem besten Level spielen.”
Gegen Polen wird Götze wohl als falsche Neun spielen
Dass dieses, wenn er es denn erreicht, zum Wertvollsten gehört, was der globale Fußball zu bieten hat, ist unbestritten. “Ich weiß, dass ich meine Stärken nie verlieren werde.” Sein Selbstbewusstsein zeigt Götze, dem Löw bei der Einwechslung im WM-Finale mit auf den Weg gegeben hat, der Welt zu zeigen, dass er besser als Lionel Messi sei, noch immer gerne. Die Allüren aber will der oftmals als schnöselig beschriebene Mittelfeldkünstler künftig beiseite lassen.
Gegen Polen wird Götze auf jeden Fall spielen, aller Voraussicht nach als falsche Neun ganz vorne. Löw schätzt die Intuition und die überragenden technischen Fähigkeiten des 23-Jährigen. “Er hat einen enormen Wert für uns und kann auf engstem Raum Lösungen finden.” Wie im Hinspiel vor fast einem Jahr dürften Adam Nawalka sein polnisches Team wieder äußerst defensiv und auf Konter lauernd eingestellen. “Das 0:2 liegt uns auf jeden Fall noch im Magen”, denkt der Weltmeister an den Rückstand in der Quali-Tabelle. Schließlich will er ja noch einmal all das erleben, was den Sommer 2014 in Rio so speziell gemacht hat - zur Not auch eben im kommenden Jahr auf europäischer Ebene. “Kann natürlich sein, dass der WM-Titel eine einmalige Geschichte war”, sagt Götze, “was ich aber nicht hoffe.”