Frankfurt/Main. Für den verletzten Marco Reus holt Joachim Löw keinen Ersatz. Der Bundestrainer wirft vor dem Polen-Spiel seine Pläne nicht völlig über den Haufen.
Mit einem dünnen weißen Tuch sind vor allem aus optischen Gründen die Rohre unter dem Dach bedeckt, die das Großzelt vor dem Frankfurter Fußballstadion angenehm herunterkühlen. Joachim Löw sitzt auf dem Podium, macht in seinem DFB-Poloshirt allerdings nicht den Eindruck, als hätte er eine Klimaanlage nötig. Dabei spricht der Bundestrainer von einem “heißen Herbst”, der ihm und dem Weltmeister nun bevorstehe. Was natürlich nicht meteorologisch gemeint ist, sondern rein sportlich, denn etwas anders formuliert sei das EM-Qualifikationsspiel gegen Polen am Freitag (20.45 Uhr/Live im Ticker) nun einmal der Auftakt für die “Wochen der Wahrheit”, an deren Ende die Qualifikation für die Europameisterschaft in Frankreich 2016 stehen soll.
Wochen der Wahrheit
Die ersten beiden letzten vier Spiele auf dem Weg nach Frankreich (am Montag tritt der DFB noch in Schottland an, im Oktober geht es dann gegen Irland und Georgien endgültig ums Weiterkommen) muss Löw ohne Marco Reus bestreiten. Der Dortmunder hat sich am linken Fuß den großen Zeh angebrochen und ist bereits am Donnerstagmorgen in seine Heimat zu weiteren Behandlungen zurückgekehrt. Für den Offensivmann wird allerdings kein Ersatz geholt, der Bundestrainer wirft ob des Ausfalls auch nicht seine Pläne völlig über den Haufen. “Das gesamte taktische Konzept wird dadurch nicht geändert. Wir leben von unserer Flexibilität”, sagt Löw.
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Wer Reus gegen Polen ersetzen soll, ist noch offen. Karim Bellarabi ist ein Kandidat, laut Löw auch Andre Schürrle und Lukas Podolski. Gut möglich, dass auch Toni Kroos in die Dreieroffensivreihe aufrückt und Ilkay Gündogan seinen Platz neben Bastian Schweinsteiger in der zentralen Defensive einnimmt. Eine Einsatzgarantie bekam auf jeden Fall Mario Götze. “Er hat die Qualität, gegen einen Gegner, der mit acht, neun, zehn Spielern eng gestaffelt steht, herausragende Lösungen zu finden.” Auch Mesut Özil, dessen Plan, im kommenden Jahr sowohl die EM als auch das olympische Fußballturnier zu spielen, Löw als unmöglich umsetzbar nannte, steht zur Verfügung.
Genug Selbstbewusstsein
Seitdem der Weltmeister am Montag in Mainhattan zusammen gekommen ist, hat Löw “frischere und motiviertere Spieler” gesehen. “Das Jahr eins nach der WM war kein einfaches.” Gründe dafür sah er in den Karriereenden einzelner Spieler, vielen Verletzungen, aber auch einem emotionalen Abfall: “Ein Spiel gegen Georgien oder Gibraltar ist eben auch beim Fan ein anderes.” Dies hat dazu geführt, dass die DFB-Auswahl nicht wie gewohnt durch die Qualifikation spaziere: “Wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand, sondern haben genug Selbstbewusstsein, das aus eigener Kraft schaffen zu können.”
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Dazu gehört auch, die 0:2-Pleite aus dem Hinspiel gegen die Polen wettzumachen. “Sie haben ein Hochgefühl, eine kleine Euphorie”, sagt Löw über den Spitzenreiter der deutschen Qualigruppe. Dass die Truppe von Adam Nawalka, angeführt vom Münchener Robert Lewandowski und seinem Sturmkollegen Arkadiusz Milik, bis auf gegen Gibraltar stets weniger Ballbesitz hatte als der Gegner, ließe auf eine klare Spielphilosophie schließen: “Sie sind eine gefährliche Mannschaft, wenn der Gegner den Ball hat und ihn verliert. Was sie können, machen sie hervorragend.”
Auf Ballsicherheit und zündende Ideen käme es daher in der gegnerischen Hälfte an. Also auch auf offensive Außenverteidiger. Dass Neuling Emre Can sein Debüt auf der rechten Seite gibt, ist allerdings unwahrscheinlich. Löw lobte die Passtechnik des Liverpoolers, dürfte aber wohl auf den Hoffenheimer Sebastian Rudy vertrauen.