Zürich. Die Ära von Fifa-Präsident Joseph Blatter geht womöglich noch in diesem Jahr zu Ende. Im Juli wird über den Termin der Neuwahl beraten.
Noch vor dem Jahreswechsel kann die von vielen Skandalen geprägte FIFA-Ära Joseph Blatter zu Ende gehen. Bis dahin erwartet den Fußballweltverband allerdings eine turbulente Zeit mit Reformvorschlägen und personellen Spekulationen. Das Bewerbungsverfahren für die WM 2026 ist - angesichts der zuletzt bekanntgewordenen Korruptionsvorwürfe bei früheren WM-Vergaben - auf Eis gelegt. Vorrang hat die Nachfolgeregelung nach der Rücktrittsankündigung Blatters oberste Priorität.
Bereits im Juli wird das FIFA-Exekutivkomitee (ExKo) zusammenkommen und über den Termin des außerordentlichen Kongresses beraten. Das ist im Sinne von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der am Mittwoch mit einem Zehn-Punkte-Plan für eine Reform der FIFA in die Offensive ging. Die Exko-Sitzung könnte am 24. Juli in St. Petersburg im Rahmen der Auslosung der WM-Qualifikationsgruppen stattfinden, wo Schweizer und amerikanische Ermittler keine unangenehmen Fragen stellen könnten.
Laut des englischen Senders BBC soll der 16. Dezember eine mögliche Option für die Neuwahlen um das Präsidentschaftsamt sein. Wer dann auf Blatter folgt, ist noch völlig offen.
UEFA-Präsident Michel Platini gibt sich weiterhin bedeckt und wollte sich auch am Mittwoch bei einem Termin zur Europameisterschaft 2016 in Paris nicht äußern. Dass er sehr wohl hinter verschlossenen Türen aktiv ist, zeigte sein Erscheinen am Rande der IOC-Exekutivsitzung in Lausanne Anfang der Woche.
WM 2026 erst nach Blatter-Abschied ein Thema
Ob Platini oder sonst wer - der neue Mann müsse die FIFA reformieren, betonte Niersbach in einem offenen Brief an die Fußball-Basis. Blatter dürfe nicht mehr - wie von diesem zuletzt forciert - die Kontrolle über die anstehenden Reformen haben. Der kommende FIFA-Präsident müsse vom Kongress mit einer Agenda betraut werden.
Franz Beckenbauer wird dieser Mann nicht sein, auch wenn sich das 18 Prozent der Bundesbürger laut einer vom Magazin "Stern" in Auftrag gegebenen Umfrage wünschen.
Wohl erst nach dem Blatter-Abschied wird das Thema WM 2026 wieder auf die Tagesordnung rücken. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es Unsinn, mit dem Bieterverfahren zu beginnen, teilte der ebenfalls sehr umstrittene FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke auf einer Pressekonferenz im russischen Samara mit, einem Spielort der WM 2018.
Valcke steht im Mittelpunkt
Ursprünglich sollten die FIFA-Mitglieder am Donnerstag über den genauen Ablaufplan informiert werden. Die WM-Vergabe war für den FIFA-Kongress 2017 in Kuala Lumpur vorgesehen. Als mögliche Ausrichter waren zuletzt die USA, Kanada, Mexiko und Kolumbien gehandelt worden.
Valcke wollte mit Russlands Sportdirektor Witali Mutko eigentlich über den Stand der WM-Vorbereitungen referieren, vielmehr stand aber seine fragwürdige Rolle im FIFA-Korruptionsskandal im Mittelpunkt.
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"Ihr habt entschieden, dass nach Blatter mein Kopf als nächstes abgeschnitten werden soll. Schön... Aber ich bin nicht verantwortlich", sagte Valcke den Journalisten und wies Anschuldigungen zurück. Der Franzose war im Zusammenhang mit einer Zehn-Millionen-Dollar-Zahlung von Südafrika an die CONCACAF-Konföderation unter Druck geraten. "Ich weiß nicht, wo das Problem ist und warum ich bei dieser Frage im Mittelpunkt stehe. Es war kein FIFA-Geld."
Korruptionsvorwürfe wegen WM-Vergabe an Russland
Valcke und Mutko wiesen Forderungen nach einer Neuvergabe der WM 2018 zurück. "Während des Verfahrens war nichts groß genug, um zu sagen, dass die endgültige Entscheidung nicht den Regeln entsprach. Zu diesem Schluss ist auch Michael Garcia in seinem Bericht gekommen", betonte Valcke. Auch Mutko bekräftigte, dass Russland "im Rahmen der Regeln" gehandelt habe. Er sehe die WM nicht in Gefahr.
Auch im Zuge der Vergabe an Russland waren Korruptionsvorwürfe laut geworden. Die Untersuchungen des damaligen FIFA-Chefermittlers Garcia erwiesen sich aber als schwierig, weil viele Computer nach dem Bewerbungsverfahren zerstört worden waren. Nachgewiesen werden konnten dennoch mehrere Verstöße gegen Meldepflichten von Kontakten zu FIFA-Exekutivmitgliedern.
Mehr und mehr werden die WM-Vergaben der Vergangenheit infrage gestellt. Niersbach verteidigt die Heim-WM 2006 gegen jeden aufkommenden Korruptionsverdacht. Es sei traurig zu sehen, "wie Gier und fehlende Moral einiger Weniger den gesamten Fußball unter einen Generalverdacht stellen, bis hin zu unserem wunderbaren 'Sommermärchen', für das sich so viele Menschen mit großem Idealismus eingesetzt haben", schrieb Niersbach. (dpa)