Essen. . Im Gegensatz zum BVB sind die Niedersachsen nicht nur Gegner, sondern durch VW auch Bruderverein des FC Bayern - eine bedenkliche Konstellation.

Die Machtverhältnisse im Bundesligafußball haben sich in dieser Saison verschoben. Die Dortmunder Borussia, die in den vergangenen Jahren dem Branchenführer FC Bayern zeitweise sogar den Rang ablief, ist unerwartet abgestürzt, die Rolle des gefährlichsten Kontrahenten der Münchener hat der VfL Wolfsburg übernommen. Nach bewährtem Rezept müsste die Bayern nun die Frage beschäftigen, wie sie den Rivalen gezielt schwächen könnten.

Der BVB verlor Mario Götze und Robert Lewandowski an die Bayern. Möglicherweise wird sie diesmal aber eine Beißhemmung bremsen. Denn der VfL Wolfsburg ist zwar aus sportlicher Perspektive ein Gegner, aus wirtschaftlicher Sicht aber ein Bruderverein. Der Automobilkonzern VW, Alleineigentümer der VfL Wolfsburg GmbH, hält über seine Tochter Audi 8,33 Prozent an der FC Bayern München AG. Und der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn ist Mitglied des Aufsichtsrates der Bayern. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Gibt es aktuell Spieler des VfL Wolfsburg, an denen der FC Bayern Interesse haben könnte?

Einen in jedem Fall: Der belgische Mittelfeldspieler Kevin De Bruyne präsentiert sich in Top-Form. Der 23-Jährige war auch der auffälligste Mann bei Wolfsburgs 4:1 über die Bayern zum Rückrundenstart. Es heißt, die Münchener hätten bereits ihre Fühler ausgestreckt. Trotz eines bis 2019 datierten Vertrages schließt De Bruynes Berater einen Wechsel nicht aus. Die Wolfsburger sind alarmiert und an einer Vertragsverlängerung interessiert.

Welche Rolle spielt VW-Chef Martin Winterkorn?

Martin Winterkorn ist ein erklärter FC-Bayern-Fan mit Sitz im Aufsichtsrat. Gleichzeitig aber ist er auch VW-Chef – damit muss er also beruflich ein hohes Interesse am Fortkommen des VW-Vereins VfL Wolfsburg haben. Als der Brasilianer Luiz Gustavo bei den Bayern zum Verkauf anstand, erfolgte der Wechsel nach Wolfsburg auch auf Wunsch von Winterkorn („Wenn so ein Spieler auf dem Markt ist, sollte man sich um ihn bemühen“).

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Ob er sich auch beim Werben der Bayern um De Bruyne einmischen würde? Bisher ist kein Fall bekannt, dass sich die mit Machtbefugnissen ausgestatteten sportlichen Führungskräfte, Vorstands-Vorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und Sportvorstand Matthias Sammer, in ihr Geschäft hineinreden ließen. Es bleibt aber ein Geschmäckle, auch Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke trägt Bedenken: „Ich schätze Martin Winterkorn“, sagte er der Sport-Bild, „nichtsdestotrotz sehe ich eine Doppelfunktion von Winterkorn als Vorstands-Vorsitzender der Volkswagen-AG und als Aufsichtsratsmitglied bei Bayern München kritisch.“

Pikant: Dem VW-Konzern gehören über die hundertprozentige Audi-Tochter Quattro GmbH auch 19,94 Prozent des Zweitliga-Spitzenreiters und Aufstiegsaspiranten FC Ingolstadt. Kritiker sprechen bereits vom „VW-Kartell“.

Wie steht der VfL Wolfsburg zu Martin Winterkorns Doppelrolle?

Geschäftsführer Klaus Allofs sieht keinen Interessenkonflikt. „Es gibt keine Verzerrung oder Beeinflussung des Wettbewerbs“, bekräftigte er im Interview mit dem Wall Street Journal Deutschland. „Herr Winterkorn hat hier kein Amt, er ist in keinem Gremium vertreten.“

Wie ist die Rechtslage?

Der Übernahme von Investoren und Geldgebern entzieht sich der deutsche Fußball durch die 50+1-Regel. Sie besagt, dass die Mehrheit der Stimmen beim Verein bleiben muss. Mehrfache Minderheitsbeteiligungen sind in den Bundesligen aber gestattet – das heißt, unterhalb der 50-Prozent-Marke dürfen Investoren nicht nur in einem Verein wirtschaftlich mitspielen. Die EU-Kommission hat der Europäischen Fußball-Union gestattet, Mehrfachbeteiligungen einzuschränken. Ein ausdrückliches Verbot durch die Deutsche Fußball-Liga existiert nicht, ist aber für die Zukunft nicht auszuschließen.

Wie steht die Deutsche Fußball-Liga zu dieser Problematik?

Die Gefahr ist erkannt. Die zuständige Mitgliederversammlung des Ligaverbandes hat das Thema auf dem Schirm, bei der letzten Tagung wurde es besprochen, beim nächsten Treffen wird es erneut auf die Tagesordnung kommen.

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Christian Seifert, der Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung, sagte der Süddeutschen Zeitung, die DFL müsse „alles tun, um die Inte­grität des Wettbewerbs zu wahren“. Es dürfe „nie der geringste Zweifel aufkommen, ob der letzte Spieltag vielleicht unter fragwürdigen Voraussetzungen stattfindet“.

Was sagen Experten?

Der im Sportrecht versierte Rechtsanwalt Christof Wieschemann aus Bochum sieht im Gespräch mit dieser Zeitung „nach Formalkriterien keine Personal-Identität“, weil Winterkorn kein Amt im Wolfsburger Fußball ausübt, und „keine unmittelbare Beteiligung von VW bei Bayern München“. Offiziell gebe es keine Mehrfachbeteiligung, weil eben Audi Bayern-Anteilseigner sei. Wieschemanns Fazit: „Formal ist deshalb alles in Ordnung.“ Strukturell sei das Problem aber vorhanden, „wenn nur Formalkriterien abgeprüft werden“.

Wieschemann hält die derzeitige Konkurrenzlage der beiden Vereine für unbedenklich – „aber nur, weil Bayern München wirtschaftlich potent und selbstbewusst genug ist, um sich jeder Art Einflussnahme entziehen zu können“.

Der Frankfurter Anwalt und Sportrechtler Thomas Dehesselles fordert die DFL dennoch dazu auf, ihre Statuten zu ändern, im Zeit-Gespräch sagt er: „Innerhalb einer Liga sind Mehrfachbeteiligungen sportpolitisch höchst bedenklich.“