Essen. Viele Fußballvereine in der Region sorgen sich wegen des Mindestlohns um ihre Finanzen. Vor allem die Ligen vier bis sechs dürften betroffen sein.

Der seit Jahresbeginn geltende Mindestlohn stellt viele Fußballvereine offenbar vor Probleme. Mehrere Klubs tauschen sich derzeit mit Finanzberatern und Juristen aus. Durch den vorgeschriebenen Lohn von 8,50 Euro pro Stunde befürchten Vereine, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, wenn sie ihre Spieler nach dem neuen Gesetz bezahlen. Tun sie das nicht, können sie verklagt werden.

„Generell ist in der nächsten Zeit mit juristischen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Gesetz zu rechnen“, sagte Rainer Koch, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dieser Redaktion: „Rechtsstreitigkeiten können auch für den Fußball nicht ausgeschlossen werden, sodass zwangsläufig mit Präzedenzfällen zu rechnen ist."

Amateurfußballer haben keinen Anspruch auf Mindestlohn

Eine entscheidende Frage dabei ist, für welche Fußball-Ligen und Vereine sich durch den Mindestlohn besondere Probleme ergeben könnten. „Auf die Lizenzligen wird das Mindestlohngesetz größtenteils kaum Auswirkungen haben, da die Zahlungen an die Lizenzspieler in der Regel ohnehin bereits jetzt schon über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen“, sagt Koch. „Die untersten Amateurligen werden wohl ebenfalls kaum betroffen sein, da die Spieler in diesen Vereinen weitestgehend Amateure sind. Die Ligen und Vereine zwischen den Lizenz- und reinen Amateurligen werden am stärksten von den Neuregelungen betroffen sein.“ Bedeutet konkret: Der Fokus liegt vor allem auf den Ligen vier bis sechs.

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In der DFB-Spielordnung wird zwischen Amateuren, Vertragsspielern und Lizenzspielern unterschieden. Amateur ist, wer Fußball spielt und kein Entgelt bezieht, sondern allenfalls einen pauschalisierten Aufwendungsersatz erhält, der unterhalb von 250 Euro monatlich liegen muss. Weil der Amateur kein Arbeitnehmer des Vereins ist, unterliegt er auch nicht dem Mindestlohn. Wer allerdings einen Vertrag abschließt, muss dafür sportrechtlich mindestens 250 Euro monatlich erhalten. Diese Vertragsspieler haben nach neuer Gesetzeslage einen Anspruch auf einen Lohn von 8,50 Euro pro Stunde.

Was wiederum bedeutet: Vertragsamateure, die 250 Euro erhalten, dürfen nur 29 Stunden pro Monat für ihren Verein arbeiten. Spieler, die bei ihrem Verein dreimal pro Woche oder häufiger trainieren, sind – die Pflichtspiele mit eingerechnet – aber oft mehr als 30 Stunden im Einsatz; ihr Lohn wäre deshalb nicht mit dem Gesetz vereinbar.

Neues Gesetz wirft auch Versicherungsfragen auf 

Ein weiteres Problem: Durch das Mindestlohngesetz gelten auch für die Inanspruchnahme der gesetzlichen Unfallversicherung veränderte Kriterien. Erstens: Der Lohn muss monatlich die Grenze von 200 Euro netto überschreiten. Zweitens: Es muss sich dabei um Geld- oder Sachleistungen handeln, die den Mindestlohn nicht unterschreiten. Beide Kriterien müssen erfüllt sein – ansonsten entfällt der gesetzliche Unfallversicherungsschutz.

Bezahlte Sportler sind bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) registriert. 2013 waren das nach VBG-Angaben rund 27.000. Doch das Mindestlohngesetz erfordert nun eine gesonderte Erhebung. „Wir führen derzeit ein außerplanmäßiges Statusfeststellungsverfahren durch“, erklärt VBG-Sprecherin Daniela Dalhoff: „Das heißt, dass die Vereine schriftlich nachweisen müssen, wie viele Stunden ihre Vertragsspieler arbeiten.“ Viele Klubs haben bereits Post von der VBG erhalten. Mehrere Vereine ziehen auch Experten zu Rate, wenn sie die Arbeitszeiten ihrer Spieler festhalten.

Vereine müssen Verträge an das Gesetz anpassen

Was gilt als reine Arbeitszeit? Bei einer Stundenaufstellung könnten Spieler beispielsweise auch Teambesprechungen, Aufwärmphasen oder Mannschaftstreffen geltend machen. Für die VBG bilden die Berechnungsgrundlage allerdings die reguläre Spieldauer vom Anpfiff bis zum Abpfiff – inklusive der zum Spiel gehörenden Pausen und Unterbrechungen – und die regulären reinen Trainingszeiten, vom Trainingsbeginn bis zum Trainingsende.

Um sich im gesetzlichen Rahmen zu bewegen, müssen manche Klubs nun möglicherweise die Verträge ihrer Spieler überarbeiten. Dabei mehren sich die Bedenken um die finanziellen Möglichkeiten. „Das ist alles schwierig zu bezahlen“, sagt Fabian Decker, Teammanager des Essener Regionalligisten FC Kray und der U23-Mannschaft des Vereins. „Wir müssen alles überprüfen. Unsere Spieler trainieren bereits sechs Stunden pro Woche und wollen auch ihren Vertragsamateurstatus behalten.“

Nur weil man bezahlt wird, ist man noch kein Arbeitnehmer 

Auch Ulrich Wloch, Vorsitzender des Gladbecker Oberligisten SV Zweckel, rechnet mit Schwierigkeiten: „Wir können unsere Vertragsabschlüsse in dieser Form möglicherweise nicht aufrechterhalten, sonst würde es für uns unbezahlbar. Das könnten wir nicht stemmen.“ Wloch übt zugleich Kritik am rechtlichen Rahmen: „Die Gesetze sind nicht besonders amateurfreundlich ausgelegt. Und wenn Prüfer kommen, werden einem die Karten sehr schnell offen gelegt.“

Jens Klein, Teammanager des Oberligisten SSVg Velbert, will juristische Streitigkeiten vermeiden: „Der Zoll führt schließlich Prüfungen durch. Bei uns ist alles sauber und das soll es auch bleiben. Wir werden uns in einer Vorstandssitzung in dieser Woche mit dem Thema beschäftigen.“

WFLV gibt Hilfestellung auf seiner Webseite

Der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband (WFLV) hat auf die Problematik bereits reagiert. WLFV-Präsidiumsmitglied Stephan Osnabrügge erklärt auf der Homepage des Verbandes, für welche Bereiche im Sport der Mindestlohn gilt und für welche nicht. Die Argumentation folgt aber eher dem Ausschlussprinzip.

„Die Ausnahmevorschrift des §22 MiLoG erspart der Praxis schwierige Abgrenzungsfragen im ehrenamtlichen Bereich. Denn der Anwendungsbereich des Gesetzes ist grundsätzlich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt. Noch lange nicht jeder, der in Vereinen eine ‘bezahlte‘ Tätigkeit ausübt, ist jedoch Arbeitnehmer. Dieser Status hängt nicht alleine an der Zahlung einer Vergütung in Geld, sondern an der persönlichen Weisungsunterworfenheit“, heißt es hier.

Sonderfall Ehrenamt 

Gezahlte Vergütungen seien unabhängig davon, ob sie als „Aufwandsentschädigung“, „pauschalierter Aufwendungsersatz“ oder als Vergütung gezahlt werden, von der Geltung des Mindestlohngesetzes befreit, solange es sich um eine „ehrenamtliche Tätigkeit“ handelt. Dies sei dann der Fall, wenn diese Tätigkeit „nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen“.

WFLV-Präsidiumsmitglied Stephan Osnabrügge führt dazu einige Beispiele auf:

  • Der Jugendtrainer, der eine pauschalierte Aufwandsentschädigung von beispielsweise 100 Euro pro Monat erhält, leistet seine Tätigkeit nicht für diese Gegenleistung, sondern aus ehrenamtlichen Motiven: Er bleibt von der Anwendung des Gesetzes ausgeschlossen. Darauf, wie viele Stunden pro Woche für Training und Spiel eingesetzt werden, kommt es deshalb nicht an. Es handelt sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit.
  • Das Vorstandsmitglied, das monatlich eine pauschalisierte Aufwandsentschädigung erhält, ist ehrenamtlich tätig und überdies kein Arbeitnehmer des Vereins. Die Vergütung wird nicht an den Maßstäben des Mindestlohngesetzes gemessen, solange die Ausübung des Vorstandsamtes nicht (neben-)beruflich erfolgt.
Vertragsspieler und Jugendfußballer 
  • Der Vertragsspieler, der monatlich 350 € erhält und mit einem Minijob angemeldet ist, wird in der Regel mit seinem Engagement zumindest auch wirtschaftliche Motive verbinden. Er ist Arbeitnehmer des Vereins und unterliegt damit dem Mindestlohngesetz. Für die Frage, ob das gezahlte Gehalt den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, kommt es auf die für das Gehalt angeordnete Arbeitszeit an. Dabei ist allerdings nicht alles „Arbeitszeit“, was mit Fußball zu tun hat, sondern nur die tatsächlich auch angeordneten, verpflichtenden Zeiten vor Ort. Muss der Spieler an drei Trainingseinheiten á 1,5 Stunden sowie einem Spiel mit 2,5 Stunden (einschließlich Aufwärmen und Vorbesprechung, jeweils ohne Wegezeiten hin zum Arbeitsort) teilnehmen, kommt dies auf 7,0 Stunden pro Woche, entspricht (7,0 * 4,33=) 30,31 Stunden pro Monat. Um dem Mindestlohngesetz gerecht zu werden müssen dann mindestens (30,31 * 8,50 Euro) = 257,63 € pro Monat gezahlt werden. Die nach den sportrechtlichen Regeln ohnehin zwingend vorgesehene Mindestvergütung beträgt 250 Euro.
  • Für den leistungsorientierten Jugendfußball hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Personen unter 18 Jahren, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, nicht unter das Mindestlohngesetz fallen.
Bald mehr Aufwandsentschädigungen statt Löhne? 

Der WFLV nennt auch einige Beispiele, bei denen dennoch Fragen offen bleiben. Die Bezahlung vieler Amateurfußballer erscheint weiterhin als ein Graubereich. Erhalten sie eine Aufwandsentschädigung oder als Arbeitnehmer einen Lohn?

Harald Plank, Manager des Oberligisten TV Jahn Hiesfeld, befasst sich „bereits seit mehreren Monaten mit dem Thema“. Seine Meinung: Die Gesetzgeber hätten „ein Luftloch geschossen, weil der Bereich Amateursport beim Mindestlohn schlichtweg vergessen wurde“. Plank, der 18 Vertragsspieler in seinem Kader beschäftigt, vertritt im Hinblick auf den Lohn aber eine klare Auffassung: „Wenn ein Spieler beispielsweise 32,5 Stunden arbeitet, sollte man ihn dafür auch bezahlen. Man sollte allen Vereinen generell raten, ihre Spieler angemessen zu entlohnen.“

"Entweder wir trainieren weniger oder spielen kürzer"

Plank erwägt, im Zusammenhang mit dem Mindestlohngesetz den Spielerstatus zu modifizieren: „Es wäre denkbar, dass es eine Reamateurisierung geben wird und Aufwandsentschädigungen gezahlt werden. Die Frage ist: Akzeptiert der Spieler das? Und geht er das Risiko ein, nicht über die VBG abgesichert zu sein?“

Auch Hajo Sommers, Präsident des Regionalligisten Rot-Weiß Oberhausen, macht sich Sorgen um den Mindestlohn. Im Gespräch mit dem Radiosender Einslive sagte er: „Wir müssen den Mindestlohn erfüllen, sonst machen wir uns ja strafbar, das können wir nicht. Entweder wir machen jetzt weniger Training oder wir spielen kürzer, also keine 90 Minuten mehr, sondern nur 45, weil mehr Geld ausgeben können wir nicht momentan.“ VBG-Sprecherin Daniela Dalhoff sieht in der Entwicklung des Fußballs gerade in unteren Ligen die besondere Schwierigkeit: „Das Problem ist der Wandel vom Freizeit- zum Profisport.“

Wolfgang Graf, Fußballabteilungsleiter des Oberligisten VfB Homberg, erhofft sich Hilfe vom Verband: „Der gesetzliche Rahmen ist in dieser Form sehr wackelig. Ich hoffe, dass der WFLV neue Musterverträge bereitstellt und die Vereine auch unterstützt.“

Spielergewerkschaft begrüßt den Mindestlohn

Die Spielergewerkschaft begrüßt die Einführung des Mindestlohns. „Für die Spieler ist das neue Gesetz im Grundsatz gut, weil es gerecht und fair ist“, sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). Zugleich räumt er aber ein: „Für Klubs, deren finanzielles Konzept auf Kante genäht ist, kann es schwierig werden.“

Die Vereine seien verpflichtet, genaue Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten ihrer Spieler zu führen. Bei diesen Nachweisen gelte es aber nicht nur die reinen Trainings- und Einsatzzeiten, sondern auch Mannschaftsbesprechungen oder Auswärtsfahrten zu berücksichtigen. Wer hierbei fehlerhaft vorgeht, muss mit weitreichenden Konsequenzen rechnen. Denn: „Der Zoll führt Prüfungen durch“, sagt Baranowsky, „und kann Strafen von bis zu 500.000 Euro aussprechen.“