Hamburg. Wegen einer Kassenrolle, die von den Zuschauerrängen auf Pirmin Schwegler fiel, muss der FC St. Pauli einen Teil der Fans aussperren. Betroffen ist die Partie gegen den Karlsruher SC.
Der Kassenrollenwurf eines Fans auf den Frankfurter Profi Pirmin Schwegler kommt den Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli teuer zu stehen. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) unter Vorsitz von Richter Hans E. Lorenz verurteilte den Hamburger Klub am Montag in mündlicher Verhandlung wegen "mangelndes Schutzes des Gegners" zu einer Teilsperrung der Stehplätze. 5800 Zuschauer müssen im nächsten Heimspiel gegen den Karlsruher SC am 12. März draußen bleiben. Das entspricht einem Einnahmeverlust von 63.000 Euro. Zudem muss St. Pauli die Kosten des Verfahrens tragen. Schwegler war in der 48. Minute des Spiels am 19. Dezember (2:0) am Kopf getroffen worden.
Der DFB-Kontrollausschussvorsitzende Anton Nachreiner hatte gegen den aktuellen Tabellendritten, der als Wiederholungstäter in Sachen Fan-Fehlverhalten gilt, einen Ausschluss sämtlicher 13.000 Stehplatzbesucher beantragt. Der Klub hielt "eine Geldstrafe in überschaubarem Rahmen" für angemessen, weil es sich eben nicht um einen Wurf mit der Absicht gehandelt habe, Schaden anzurichten. Selbst Nachreiner sprach von einem "dummen Zufall", sah die Basis des Fehlverhaltens aber in der Fan-Kultur des Hamburger Vereins liegen. Es sei der dritte Vorfall binnen weniger Monate.
Laut Beschluss müssen die Blöcke A, B, C, G und H leer bleiben. Das Sportgericht sei wegen des "vorbildlichen Nachgangverhaltens" von Täter und Klub "deutlich" hinter dem beantragten Strafmaß geblieben. Dennoch seien der Wurf als "Fahrlässigkeit" und St. Pauli als Wiederholungstäter zu werten. "Es kann nicht bei einer Geldstrafe bleiben", sagte Lorenz.
Wie St. Paulis Vizepräsident Gernot Stenger erklärte, überlege der Klub, das Urteil anzufechten. Der Klub hat eine Woche Zeit, in Berufung zu gehen. "Wir hatten auf eine Geldstrafe gehofft, die ein Riesenstück darunter liegt." Lobende Worte fand Stenger aber für die Tatsache, dass das Gericht das Geständnis und die Einsicht des Täters "zum Anlass genommen hat, von der hohen Forderung abzuweichen."
Der 20 Jahre alte Rollenwerfer, der wie Schwegler und Schiedsrichter Felix Zwayer selbst als Zeuge in Frankfurt auftrat, entschuldigte sich mit tränenerstickter Stimme bei dem Profi, beim Klub, beim DFB und bei den Fans für seinen fatalen Wurf. Die Papierrolle hatte sich nicht aufgewickelt und traf Schwegler am Kopf. Eintracht-Kapitän Schwegler zog sich laut eigener Aussage "eine kleine Beule" zu.
Der 20 Jahre alte Abiturient hatte sich zwei Tage nach seiner Tat auf der Geschäftsstelle des Klubs selbst gestellt. Der angehende Lehramtsstudent bat danach bei Schwegler per E-Mail und persönlich beim Verein für sein Fehlverhalten um Entschuldigung.
Dass der Täter bei der mündlichen Verhandlung selbst als Zeuge auftrat, wertete Richter Lorenz als "positives Signal" und Novum. Mit brüchiger Stimme schilderte der junge Mann den Zwischenfall und äußerte tiefe Reue über "die Scheiße, die ich gemacht habe".
Der derzeitige Aushilfsjobber berichtete, dass er das von einem Nebenmann erhaltene Corpus Delicti "in den Himmel" werfen wollte, auf dass es sich aufrolle. Als er sah, dass sich die Rolle eben nicht zur Schlange entwickelte und stattdessen "als kleines Geschoss" übers Fangnetz flog und den Spieler Schwegler traf, habe er "die Hände vors Gesicht" geschlagen. Die folgenden zwei Nächte habe er kaum geschlafen: "Man fühlt sich schuldig, wenn man so einen Scheiß macht." Über den Fanbeauftragten habe er sich dann am Mittwoch nach dem Montagabendspiel beim Klub gemeldet.
Der FC St. Pauli ist ein guter Bekannter beim Sportgericht. Erst war der Kaiserslauterer Kapitän Christian Tiffert am Millerntor von einem Schneeball getroffen worden. Wegen eines Bierbecherwurfs musste der Erstliga-Absteiger das erste Heimspiel auf neutralem Platz in Lübeck austragen. Weil in dieser Saison im Spiel gegen Aue ein leerer Bierbecher den Schiedsrichter traf, wurden die Hamburger mit 8.000 Euro zur Kasse gebeten. (dapd)