Leverkusen. . Das Bayer-Team wird vom überragenden Stürmer Stefan Kießling angetrieben. Aber auch nach dem 4:2 der Leverkusener gegen Borussia Mönchengladbach ist die Nationaelf für Leverkusens Besten kein Thema.
Joachim Löw war also da, und vielleicht hat den Fußball-Bundestrainer eine Szene aus der 28. Minute ins Grübeln gebracht. In der Szene ging es um Stefan Kießling, den Joachim Löw seit Jahren konsequent links liegen lässt, wenn es um Berufungen in die Nationalelf geht. Kießling, der in diesen Jahren Tore am Fließband für Bayer Leverkusen erzielt und sich zum wichtigsten Spieler des Teams entwickelt hat, zog also nach 28 Minuten auf und davon und setzte mit einem präzisen Pass im richtigen Moment Sidney Sam so gekonnt in Szene, dass Sam gar nicht anders konnte, als zu treffen. Es war das 2:0 in einem mitreißenden Bundesliga-Spiel zwischen Leverkusen und Borussia Mönchengladbach, das am Ende 4:2 für die Hausherren endete und deshalb entspannte Leverkusener und hadernde Gladbacher hinterließ.
Kießling ist Herz und Seele der Leverkusener
Dass Kießling zu den Tiefenentspannten gehörte? Versteht sich. Der Stürmer erzielte das 1:0, er bereitete das 2:0 technisch astrein vor. Und nachdem die Gäste in ihrer besten Phase nach der Pause zum 2:2 ausgeglichen hatten, lenkte Kießling nicht nur mit seiner Vorarbeit zu Sams 3:2 das Spiel zurück in die Leverkusener Bahnen. Kießling ist im Vereinstrikot längst mehr als die Summe seiner Statistik, mehr als zwei Vorlagen und ein Tor, auch wenn es sein hundertstes in der Bundesliga war. Kießling ist längst Herz und Seele der Leverkusener, Antreiber, Torschütze, Identitätsstifter.
Nur Nationalspieler ist er nicht mehr, weil der Bundestrainer ihm zwei andere Spieler ähnlichen Typs vorzieht, die beide nach dem Verlust ihrer Liga-Stammplätze nach Italien ausgewichen sind und Miroslav Klose und Mario Gomez heißen. Kießling jedenfalls erwartet nichts mehr vom DFB: „Das“, sagt er und meint damit ein Comeback in der Nationalelf, sei durch: „Feuchter Käse.“
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Es lässt sich ja auch so gut leben, denn Leverkusen gehört neben Dortmund, Bayern und Mainz zu den vier Teams, die aus drei Spielen neun Punkte geholt haben. Die Mannschaft spielt stark, sie kontert schnell und ist kaum zu beherrschen, wenn man ihr so viel Platz gibt wie die Gladbacher am Samstag. „Wir haben keine Angst, selbst zu spielen“, sagte Borussias Trainer Lucien Favre, „das ist schon mal was.“ Tatsächlich zeigte das Team als es in der Viertelstunde nach der Pause aus einem 0:2 ein 2:2 machte, dass es wieder einen wesentlich besseren Ball spielen kann als im Vorjahr. Allerdings sollte man gegen Leverkusen die Rückwärtsbewegung nicht vergessen.
Bayer dagegen berechtigt nicht nur wegen Kießling zu großen Hoffnungen. Sydney Sam, über den sich viele aufgeregt haben, weil er so oft die Bereitschaft vermissen ließ, sein Talent mit Arbeit zu kombinieren, dieser Sam scheint unter Sami Hyypiä etwas begriffen zu haben. Leverkusens Trainer war als Spieler ein Musterbeispiel an Einsatz und Berufsauffassung.
Ein außergewöhnlicher Verteidiger obendrauf, weshalb sich niemand wundern muss, dass Leverkusen einen Innenverteidiger wie Emir Spahic geholt hat, der beinahe so cool spielt wie sein Trainer redet. Angeblich ist Leverkusen noch auf der Suche nach einem Stürmer, weil sie vor nichts so viel Angst haben wie vor einer Verletzung Kießlings. Hyypiä brummte dazu elchtief: „Wenn einer kommt, ist okay. Wenn nicht, ist auch okay.“
Gladbach patzt in Leverkusen
So gelassen sind sie in Mönchengladbach nicht. Die Elf zeigte also, was sie vorne anstellen kann, aber nur 20 Minuten lang. Dann, als es 2:2 durch Treffer von Martin Stranzl und Juan Arango stand, stürmten die Borussen mit einer Naivität weiter, die Leverkusen sofort ausnutzte. „Das“, nickte Favre, „war nicht gut.“
Gladbach-Trainer Favre schimpfte nach Elfmeter-Pfiff
An dieser grundsätzlichen Einschätzung änderte auch die Debatte um die Szene nichts, die Stefan Kießling das 1:0 per Handelfmeter ermöglicht hatte. Juan Arango war der Ball im Kopfballduell von hinten an den empor gereckten Arm gesprungen – das gilt nach neuer Lesart als Vergrößerung der Körperfläche und damit als Elfmeter. Es bleibt nach Menschenverstand eine Situation, in der der Spieler nichts dafür kann, dass ihn der Ball am Arm trifft, weil er ihn nicht sieht. „Diese Regel ist katastrophal“, schimpfte Lucien Favre sehr unentspannt.
Aber das hatten wir ja schon: Leverkusen nahm Gladbach die Butter vom Brot. Was drauf blieb, war sozusagen feuchter Käse.