Dortmund. . Serie 50 Jahre Bundesliga, Saison 2001/2002: Bei dem Dortmunder Talent Francis Bugri klappt am Anfang der Karriere alles. Doch dann kommt der Knick. Mit 32 spielt er nun wieder in Dortmund, aber nicht mehr beim BVB, sondern beim ASC: in Liga sechs.

Es läuft die 90. Minute, Borussia Dortmund führt beim TSV 1860 München mit 3:1, BVB-Trainer Matthias Sammer wechselt noch einmal, für die kurze Nachspielzeit bringt er Francis Bugri. Der kann in dem Moment nicht wissen, dass dieser Kurzeinsatz am 17. November 2001 nicht nur sein einziger Bundesliga-Auftritt in jener Saison bleiben würde. Sondern auch sein letzter überhaupt.

Am Ende der Spielzeit holt Borussia Dortmund den Titel, theoretisch könnte sich Minuten-Mann Francis Bugri also auch Deutscher Meister 2002 nennen. „Ja, theoretisch könnte ich das“, sagt er und muss lachen. Den Gedanken findet er absurd.

In der Traditionsmannschaft des BVB

Francis Bugri ist heute 32, und er spielt wieder in Dortmund. Allerdings beim Westfalenligisten ASC. Und, kaum zu glauben: auch in der Traditionsmannschaft des BVB, mit vielen ehemaligen, deutlich älteren Größen von einst. „Die brauchen jemanden, der für sie läuft“, erklärt er und lacht auch diesmal.

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Er kann inzwischen entspannt reden über sich und seine Fußball-Laufbahn, das war nicht immer so. Es gab Zeiten, in denen Skepsis, Unsicherheit, auch Ungläubigkeit in ihm rumorten, ihn manchmal auch verzweifeln ließen. Die Frage, die er sich immer wieder stellte, hieß schlicht: warum? Warum erlebte die Karrierekurve, die in den ersten Jahren so steil nach oben zeigte, in der Mitte diesen krassen Knick?

Francis Bugri, ein gebürtiger Deutscher mit einem ghanaischen Vater und einer rumänischen Mutter, kommt mit 15 aus Kassel zum BVB. Marcel Raducanu, Dortmunder Mittelfeldregisseur in den 80er-Jahren, hat ihn entdeckt und empfohlen. Bei den Schwarz-Gelben startet der junge Hesse durch: einmal Meister mit der B-Jugend, zweimal Meister mit der A-Jugend, und mittendrin ein grandioser internationaler Auftritt. Francis Bugri spielt bei der U-17-WM 1997 in Ägypten in einer deutschen Nationalmannschaft mit späteren Top-Profis wie Sebastian Deisler, Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller, und er strahlt dabei einen solchen Glanz aus, dass er sogar ins All-Star-Team dieser WM gewählt wird. „Alles lief sehr, sehr rund“, sagt er heute.

Mit 18 wird er zunächst Amateur beim BVB. In einer Chaos-Saison, in der die in Abstiegsnot geratenen Borussen erst von Michael Skibbe, dann von Bernd Krauss und schließlich vom Retter-Duo Matthias Sammer/Udo Lattek trainiert werden, kommt Francis Bugri durch Krauss zu den ersten drei von insgesamt vier Bundesliga-Einsätzen. Er läuft vor 80.000 Menschen ins Westfalenstadion ein, „ein überragendes Gefühl“, sagt er. „Beim ersten Spiel hatte ich nicht einmal Zeit, um nervös zu sein. Ich habe es erst spät erfahren, dass ich von Anfang an spiele.“ Er ahnt damals nicht, dass er jede Sekunde hätte genießen sollen.

Unglücklich als Pendler

Francis Bugri, der Junge mit den sensiblen Zehen, der Ankurbler ansehnlicher Angriffe, erhält einen Profivertrag. Seine Perspektive ist prächtig. Bis Millionenmann Tomas Rosicky in Dortmund erscheint. Dasselbe Alter, dieselbe Position. Aber schon ein Stück weiter.

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Francis Bugri hätte damals vielleicht wechseln sollen, aber er bleibt und hofft. Die Chance, die er im Heimspiel gegen Kiew in der Champions League bekommt, bestärkt ihn. In der Regel aber spielt er für die Zweite des BVB in der Regionalliga. „Ich habe bei den Profis trainiert und bei den Amateuren gespielt, und als Pendler gehörte ich zu keiner Mannschaft richtig. Dadurch habe ich selten meine beste Leistung abgerufen.“ Francis Bugri will sich wohl fühlen, wenn er den Ball bewegt. Wie früher, als Jugendlicher.

2004 geht er dann doch, und es beginnt eine Odyssee. Er ist ständig auf der Suche nach Umwegen, die ihn zurück in den Profifußball führen könnten, es ist auch eine Suche nach sich selbst. VfB Lübeck, Hessen Kassel, Kickers Emden, dann ein Zweitligist in Dänemark und noch Sportfreunde Lotte: immer unterwegs und nirgends zuhaus.

„Über Francis als Mensch kann ich nichts Schlechtes sagen“

Der Wittener Filmemacher Christoph Hübner hat in zwei Dokumentarfilmen das Leben mehrerer junger Männer beleuchtet, die alle A-Jugend-Meister mit dem BVB wurden und den gleichen Plan hatten: den von einer großen Fußball-Karriere. Er begleitete sie über Jahre mit der Kamera, einer von ihnen ist Francis Bugri. In „HalbZeit“ spricht Hübner mit Marc Fascher, Trainer in Emden. „Über Francis als Mensch kann ich nichts Schlechtes sagen“, erklärt Fascher. „Und mit dem Ball am Fuß ist er ein Riese. Aber das Durchbeißen, das fehlt ihm.“

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Francis fühlt sich oft missverstanden. Er will sein Spiel spielen, und sie wollen ihn zum Kämpfer erziehen. Und so bescheren sie ihm Selbstzweifel, die er vorher nicht gekannt hat. „Früher hatte ich mich mit Gedanken ans Versagen nie beschäftigt, es hatte ja immer alles geklappt“, sagt er im Rückblick. „Aber dann musste ich auf einmal mit dem Druck zurechtkommen. Und ich hatte ja nie gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Irgendwann habe ich nicht mehr an meine Stärken geglaubt, sondern nur noch versucht, meine Schwächen abzustellen.“

„Er ist einfach zu lieb, das ist immer sein Problem gewesen“

Im Film „HalbZeit“ klagt Francis darüber, dass seine von Technik geprägte Spielweise in unteren Ligen nicht gefragt sei, und seine Mutter Eleonora sagt dazu: „Er ist einfach zu lieb, das ist immer sein Problem gewesen.“ Francis schaut sie an und erwidert: „Das ist doch nichts Schlechtes, lieb zu sein.“

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Wie wahr. „Ich kann meinen Charakter eben nicht ändern – auch im Spiel nicht“, sagt er heute. „Es kann natürlich sein, dass mich das einige Bundesligaspiele gekostet hat.“

Im besten Fußballer-Alter, mit 28, zieht er eine einschneidende Konsequenz: Er geht zurück nach Dortmund, zunächst zum TuS Eving-Lindenhorst, wo alte Freunde spielen. Über einen Sponsor des Klubs findet er Arbeit, er ist nun im Marketing einer Reifen- und Auto-Servicefirma beschäftigt, und er macht den Job gern. Dass er als Fußballer gescheitert sei, findet er nicht: „Das höre ich nur von Leuten, die nie mal vor 80.000 Zuschauern gespielt haben. Für mich hat sich alles gelohnt, es waren Erfahrungen fürs Leben.“

Der Liebe wegen ist er nach Düsseldorf gezogen, ein Kompromiss, weil die Freundin, die seit zwölf Jahren Rücksicht auf ihn nimmt, in Frankfurt arbeitet. Dreimal wöchentlich Training nach der Arbeit, da ist er oft spät und nur für wenige Stunden in der gemeinsamen Wohnung. „Ich wollte deshalb schon mit dem Fußball aufhören“, sagt Francis Bugri. „Aber noch kann ich es einfach nicht ganz sein lassen.“