Bochum. . Der vielseitige Defensivspieler Ata Lameck brachte es mit Auge und Ausdauer auf 518 Bundesligaspiele für den VfL und wurde zur Symbolfigur der Unabsteigbaren. Auf der Straße wird er noch oft angesprochen. Typisch war die Saison 83/84: Der VfL rettete sich wieder, und Lameck bestritt alle 34 Partien.

Gleich wird abgepfiffen, Ata Lameck schleppt schon mal den Wasserkasten und das Ballnetz in Richtung Kabine. Die Traditionsmannschaft des VfL Bochum gewinnt gerade auf einem der Stadion-Nebenplätze zweistellig gegen ein bedauernswertes Altherrenteam, und Ata, der Betreuer, sorgt sich um das Drumherum. Wie früher auf dem Platz: Für Arbeit war er sich noch nie zu schade.

Kein Wunder bei diesem Spitznamen. Ein Michael Lameck taucht nur in offiziellen Listen auf; wer über Bochums Rekord-Bundesligaspieler spricht, der schwärmt von Ata, dem Unverwüstlichen. Schon als Kind wurde er so gerufen, in seiner Heimatstadt Essen pöhlte er auf schwarzer Asche, bis nicht einmal mehr der Weiße Riese helfen konnte. „Da hieß es: Den kriegst du nicht mehr sauber, den musst du mit Ata abschrubben.“ Ata also, inzwischen ein Markenzeichen. Es steht für 518 Bundesligaspiele im Dress des VfL. Für selten gewordene Vereinstreue. Und für den unerschütterlichen Widerstand eines Außenseiters: Mit Ata hat Bochum in 16 Jahren von 1972 bis 1988 nie in Liga zwei gespielt, der Mann ist eine der Symbolfiguren der Unabsteigbaren.

Lameck verpasste kein Spiel

1983/84 war eine typische Saison. Dauerbrenner Ata Lameck verpasste nicht ein einziges der 34 Spiele, der VfL landete auf Platz 15 und war wieder mal gerettet. Unterwegs aber hatte er dem Branchen-Goliath eine Ohrfeige verpasst: Der FC Bayern wurde mit 3:1 aus dem Ruhrstadion geschickt, der kurz zuvor von Westfalia Herne gekommene Bundesliga-Neuling Frank Schulz machte sich mit zwei Toren einen Namen. „Die Neuen passten bei uns immer rein“, erzählt Ata Lameck, „weil wir über Jahre ein festes Gerippe von Stammspielern hatten.“ Männer, die sich wehrten, wenn ihr Klub mal wieder als Graue Maus belächelt wurde. „Wir waren immer die Kleinen, die ab und zu die Großen geärgert haben“, sagt Ata Lameck. „Mehr war nicht drin, der VfL musste ja mit wenig Geld auskommen.“ Umso bewundernswerter, dass auch in schweren Zeiten das Kunststück Klassenerhalt gelang. „Einmal waren wir fast weg“, erinnert sich der heute 63-Jährige. Es war in Herne, der VfL trug wegen des Umbaus des Ruhrstadions sechs Heimspiele am Schloss Strünkede aus. Frankfurt führte zur Pause 3:1 – „und am Ende gewannen wir 5:3“. So klingt Stolz.

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Es gibt noch ein paar Partien, die Ata Lameck ohne lange zu überlegen aus dem Gedankenarchiv hervorkramt: 1972 das 3:0 gegen Mönchengladbach zur Flutlicht-Einweihung in Bochum, 1976 das 5:6 gegen den FC Bayern nach 4:0-Halbzeitführung, 1981 ein grandioser 6:0-Triumph beim damals dem Abstieg entgegentaumelnden FC Schalke. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, darüber zu diskutieren, ob für den ewigen Außenseiter VfL überhaupt Platz sei zwischen Dortmund und Schalke, den den beiden Giganten des Ruhrgebietsfußballs.

Lameck: "Ich bin bodenständig"

„Wir waren ja sogar jahrelang besser“, bekräftigt Ata Lameck. „Dortmund war in den Siebzigern in der Zweiten Liga und Schalke in den Achtzigern.“ Dass es später auch den VfL erwischte, der erst den Fahrstuhl zwischen den Ligen im Dauerbetrieb hielt und sich mittlerweile nur noch im Kellergeschoss aufhält, führt der Vereinsexperte auf „gravierende sportliche Fehlentscheidungen“ zurück („Niemals hätte man Stefan Kuntz als Manager gehen lassen dürfen, da wurde eine blühende Blume abgesägt“).

Wenn die VfL-Fußballer der Neuzeit geschlossen über die Kortum-straße gingen, hätten sicher viele Bochumer Mühe damit, alle Profis identifizieren zu können. Die Generation Lameck hingegen müsste sich schon extrem gut verkleiden, um nicht erkannt zu werden. Ata Lameck wird oft angesprochen, er bleibt dann stehen und hält ein nettes Schwätzchen. „Ich denke immer: Der hat mich damals vielleicht auch bezahlt“, erzählt der ewige Bochumer. Nie käme es ihm in den Sinn, wegen seiner Prominenz die Nase höher zu tragen. „Das entspräche doch auch gar nicht unserer Mentalität hier im Ruhrgebiet“, erklärt er. „Ich bin bodenständig, ich fühle mich wohl hier.“

Auch deshalb wechselte er nie, selbst nach der Karriere blieb er dem VfL erhalten: als Co-Trainer, als Jugendtrainer, als Scout, als Repräsentant. Er weiß natürlich, dass er mit seiner kerzengeraden Haltung heute als Dinosaurier gilt: „Es gibt ja nur noch ganz Wenige, die nicht dem Ruf des Geldes folgen. Das Bosman-Urteil hat vieles verändert.“ Wo sind heute Typen wie die, die damals Ata, Enatz, Ente, Emma und Stan hießen? Warum wirken der Mario und der Mats, der Julian und der Joel so glatt, so kantenlos, so distanziert professionell? Ata Lameck grinst. „Wir hatten damals noch keine Berater.“

"Ich war gedanklich oft schon einen Schritt weiter"

Einer wie er hätte einem Mentaltrainer noch etwas beibringen können, seine Eigenmotivation funktionierte perfekt: „Ich habe mich nie so gut gesehen wie andere“, erzählt er. „Selbst wenn ich samstags zu den Besten gehörte, habe ich mir eingeredet, ich sei schlecht gewesen. Dadurch bin ich mit Herz in jedes Training gegangen.“ Auch im Spiel profitierte der Linksfuß, der bei Schwarz-Weiß Essen als Stürmer begann und in Bochum im Laufe der Jahre sämtliche Aufgaben in der Defensivabteilung erfüllte, von seiner Selbsteinschätzung: „Ich wusste, dass ich nicht der Schnellste war“, sagt er, deshalb trumpfte er mit starker Kondition und ausgeprägtem Stellungsspiel auf. „Ich hatte eine gute Ausdauer und ein gutes Auge. Ich war gedanklich oft schon einen Schritt weiter. Wenn wir gegen die Bayern eine Ecke hatten, habe ich die Abwehr schon für den möglichen Konter bereitgestellt.“

Ein solcher Fußballer der Kategorie Zuverlässig wäre heute schon in jungen Jahren Multimillionär, Ata Lameck aber kennt keinen Neid. „Was sollte dann erst ein Uwe Seeler sagen, der vor meiner Zeit gespielt hat?“, fragt er. Alles, was er von den aktuellen Profis verlangt, ist Hingabe: „Die sollen nur ihre Leistung bringen“, sagt er. „Denn der Fan gibt für sie seine letzten Euro.“