Bremen. Lukas Schmitz war in der zweiten Mannschaft des VfL Bochum aussortiert worden und schaffte danach überraschend den Sprung ins Bundesliga-Team des FC Schalke 04. Bei Liga-Konkurrent Werder Bremen hat sich der 24-jährige Hattinger mittlerweile etabliert.

Dienstags meldete sich Lukas Schmitz zum Training bei den Profis, Felix Magath wollte den Spieler der zweiten Schalker Mannschaft mal etwas genauer durch die Gläser der Designerbrille beobachten. Der 20-Jährige stellte sich brav vor und fragte zur Sicherheit nach, ob es auch wirklich kein Missverständnis wäre, dass er hier zum Dienst antreten sollte. Das sei schon richtig so, entgegnete der Chef und gab ihm einen wenig originellen und doch sinnvollen Rat: „Sieh zu, dass du gut trainierst.“

Wenn der ehrgeizige Neue aber eines nicht brauchte, war es ein zusätzlicher Motivationsschub. Benötigt Spiderman eine Fliegenklatsche? Es fiel Lukas Schmitz allerdings schwer, in der ungewohnten Umgebung kühl zu bleiben. „Du kommst in die Kabine, und da stehen dann Leute wie Bordon und Kuranyi“, erzählt er. „Das waren schon eindrucksvolle Erscheinungen.“ Männer, die erkennen ließen, dass Platzhirsche ein Geweih haben. Zum Glück war auch noch Christoph Moritz da, noch ein junger Neuer. „Er sagte zu mir: Gib einfach Gas, der Rest kommt von alleine. Und so war es dann auch.“

Keine Zeit zum Nachdenken

Freitagsabends stand das Bundesligaspiel des FC Schalke 04 gegen den VfL Wolfsburg an, es war der sechste Spieltag der Saison 2009/2010. An jenem 18. September 2009 tauchte Lukas Schmitz tief in eine neue Welt ein, in die Welt des Profifußballs. Bei der letzten Besprechung im Hotel kurz vor der Abfahrt in Richtung Stadion sagte ihm Magath: „Du spielst.“ Auf der Busfahrt von Duisburg nach Gelsenkirchen wurden die Knie weich, auch in der Kabine schossen dem Beförderten noch tausend Gedanken durch den Kopf. „Beim Warmmachen aber hörte die Nervosität schon auf, da war ich total konzentriert“, sagt Lukas Schmitz. Magath hatte ihm ja gar nicht viel Zeit gelassen, um die Situation voll erfassen zu können. „Vielleicht dachte er: Wenn man nicht darüber nachdenken kann, ist es am besten“, mutmaßt Lukas Schmitz. „Ich weiß nicht, ob ich nervöser gewesen wäre, wenn ich es eher gewusst hätte. So war es jedenfalls gut für mich.“

Schalke verlor 1:2 gegen Wolfsburg, der Nachwuchsmann aber durfte bleiben. Er war in allen weiteren Schalker Bundesligaspielen in jener Saison am Ball, und am Ende seiner ersten Spielzeit in der höchsten Spielklasse freute sich Schalke über die Vizemeisterschaft.

Schmitz belohnt sich für seine Beharrlichkeit 

Welch ein Durchbruch für den Jungen aus Hattingen. Und welch eine Belohnung für seine Beharrlichkeit.

In Bochum werden sich damals einige Entscheidungsträger mächtig geärgert haben – vor allem, als Lukas Schmitz in seinem zweiten Spiel für Schalke an der Castroper Straße auflief und mit 3:0 im DFB-Pokal triumphierte. Denn eine Saison zuvor hatte der VfL dem Linksfuß in seiner Regionalliga-Mannschaft keine Perspektive mehr aufgezeigt. „Die Trainer beim VfL setzten mehr auf erfahrene Leute“, erinnert sich Lukas Schmitz. „Ich weiß noch, wie es hieß, Ilkay Gündogan fehle für die erste Mannschaft die Dynamik...“ Dabei hatte Schmitz den Schritt zum VfL doch für den aussichtsreichsten gehalten, nachdem er schon als A-Jugendlicher in der ersten Mannschaft der TSG Sprockhövel aufgefallen war und Angebote aus Schalke, Dortmund und Bochum erhalten hatte.

Den Tiefschlag, den ihm die Bochumer verpassten, ließ er nicht als K.o. zu. „Ich wollte meinen Traum noch nicht begraben“, sagt er. Also Schalke. Wieder die zweite Mannschaft, wieder ein Anlauf. Eher hätte er damals vermutet, dass Angela Merkel zu den Grünen wechselt, als dass er nach nur fünf Spieltagen zu den Profis hochgezogen würde.

Ein halbes Jahr zuvor hatte er mit einem Fernstudium der Politik- und Verwaltungswissenschaften begonnen, auch die Aufnahmeprüfung für den Studiengang Sportwissenschaften war schon geschafft. Der unerwartete Karrierestart durchkreuzte das Vorhaben. „So war es mir aber lieber“, verrät LukasSchmitz grinsend. „Ich wollte mich einfach absichern für den Fall, dass es mit dem Profifußball nicht geklappt hätte.“

Schmitz: "Habe einfach losgelegt"

Dieser selbstgewählte Weg der Vernunft, diese Auspolsterung war es auch, die ihm in den ersten Wochen auf Wolke sieben die Gefahr von Schwindelanfällen nahm. „Ich habe nicht viel nachgedacht, ich habe einfach losgelegt“, sagt Lukas Schmitz, der zu Hause die nötige Unterstützung fand: „Meine Eltern haben zu mir gesagt: Du kannst noch mehr als nur Fußball spielen, es geht doch nicht um Leben und Tod. Mach dich nicht verrückt.“

Also: täglich Leistung liefern, Nebengeräusche ausblenden, Veränderungen verdrängen. „Trotzdem war es schon krass“, gibt Lukas Schmitz zu. „Plötzlich läufst du durch die Stadt, und auf einmal erkennen dich die Leute.“

Aber er wollte es ja so, er wollte ja unbedingt Profi werden. Und seinen Aufstieg hat er ausgerechnet einem Mann zu verdanken, der in der Fußballszene den zweifelhaften Ruf genießt, Menschen wie Material zu behandeln. „Felix Magath ist das Risiko eingegangen, jungen Leuten wie mir eine Chance zu geben“, sagt der 24-Jährige voller Hochachtung. „Es gibt nicht viele Trainer, die den Mut dazu aufbringen.“

Glücklich bei Werder

Bei Magaths Nachfolger Ralf Rangnick vermisste Lukas Schmitz die Rückendeckung, deshalb verabschiedete er sich in Richtung Bremen. „Werder ist auch ein großer Verein, und wir haben auch unsere Ansprüche“, betont der inzwischen etablierte Linksverteidiger. Dennoch geht es in Bremen traditionell nicht ständig so aufgeregt zu wie auf Schalke, der Ruhrgebietsjunge fühlt sich an der Weser „richtig wohl“. Bis 2015 steht er bei den Grün-Weißen unter Vertrag. Und dann? Hat er Zukunftspläne? „Ich habe einen Zukunftsplan für morgen“, sagt Lukas Schmitz und lacht zufrieden.