Essen/Nürnberg. . Jumpei Yamamori war der Mann hinter dem Erfolg von Shinji Kagawa bei Borussia Dormtund. Der Dolmetscher und Betreuer war immer an Kagawas Seite und somit Teil der erfolgreichen Meistermannschaft des BVB Jetzt ist Yamamori im Funktionsteam vom 1. FC Nürnberg. Im Interview erinnert sich der Japaner an seine Zeit beim BVB und spricht über seine Erfahrungen in der Bundesliga.
Im schnelllebigen Fußballgeschäft ist häufig kein Platz für Freundschaften, man könnte meinen, die Menschlichkeit geht im Profi-Sport fast gänzlich verloren. Das ist aber nur der oberflächliche Blick auf das Bundesliga-Business. Jumpei Yamamori und Borussia Dortmund zeigten Ende Januar, dass es auch anders geht. Der Japaner war zwei Jahre lang der Schattenmann von BVB-Star Shinji Kagawa, kümmerte sich um die Integration des Nationalspielers, war Übersetzer und festes Mitglied der Meistermannschaften. Eine ähnliche Funktion übernahm der 35-Jährige nach dem Abgang Kagawas zu Manchester United beim 1. FC Nürnberg, die mit Hiroshi Kiyotake und Mu Kanazaki sogar zwei Spieler aus Fernost in ihren Reihen haben. Und das auf persönliche Empfehlung von BVB-Trainer Jürgen Klopp. Im Interview spricht Yamamori über seine Aufgaben, die Erinnerungen an seine Zeit beim Double-Sieger und Freundschaften im Fußball-Geschäft.
Die Begrüßung im Stadion von Borussia Dortmund fiel emotional aus. Man könnte meinen, sie haben sich alle seit Jahren nicht mehr gesehen.
Jumpei Yamamori: Der Kontakt nach Dortmund ist nicht abgebrochen. Aber natürlich ist es nicht einfach, sich in dem Bundesliga-Geschäft regelmäßig zu besuchen. Als wir mit dem Club gegen Dortmund gespielt haben, war die Begrüßung sehr herzlich. Das hat mir noch mal in Erinnerung gerufen, wie toll und aufregend die Zeit damals beim BVB war - nicht nur für Shinji Kagawa, sondern auch für mich.
War es schwierig für Sie, nach Dortmund zurückzukehren – in anderen Mannschaftsfarben? Sie müssten doch eigentlich BVB-Fan sein…
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Yamamori: (lacht) Fan bin ich eigentlich gar nicht, weil ich Teil der Mannschaft bin – auch in Nürnberg. Ich stehe voll und ganz hinter dem Team und deshalb ist es selbstverständlich, dass ich emotional hundertprozentig hinter dem Verein stehe. Als wir gegen Dortmund gespielt haben, hatte ich natürlich etwas gemischte Gefühle. Aber das ist bei ehemaligen Spielern auch nicht anders.
Seit dieser Saison stehen Sie beim Club in Lohn und Brot. Gibt es Unterschiede zu der Zeit bei der Borussia?
Yamamori: Auch in Nürnberg bin ich Teil des Funktionsteam und immer mit dabei - da gibt es keinen Unterschied im Vergleich zu der BVB-Zeit. In Dortmund war ich allerdings nicht der erste Dolmetscher im Team. Da gab es noch Hardy Meuleneers, der sich um Lucas Barrios gekümmert hat. Wir waren voll integriert und es war eine super Truppe. Borussia Dortmund und Shinji hatten natürlich in den zwei Jahren große Erfolge, so dass es an meiner Tätigkeit nicht viel auszusetzen gab und sich niemand beschwert hat.
Nach dem Abgang von Kagawa endeten Ihre Aufgaben in Dortmund. Wie kam der Kontakt zum 1. FC Nürnberg zustande?
Yamamori: Es war eine Weiterempfehlung, über die ich sehr froh und dankbar bin. Das zeigt, dass man mit meiner Arbeit in Dortmund zufrieden war.
Jetzt haben Sie gleich zwei Spieler, die unter Ihren Fittichen stehen. Fällt die Integration von Mu Kanazaki leichter, weil mit Hiroshi Kiyotake schon ein Japaner im Team ist?
Yamamori: Die Mannschaft hat Mu sehr gut aufgenommen, weil sie den Umgang mit Japanern durch Kiyotake schon kennen. Da gab es überhaupt keine Berührungsängste. Die beiden verstehen sich blendend, weil sie sich schon lange kennen. Sie werden sich gegenseitig unterstützen.
Und Sie bringen den beiden die deutsche Kultur näher?
Yamamori: Ich will den japanischen Spielern nicht die deutsche Kultur beibringen, das überlasse ich den Deutschen. Ich stehe den Japanern in Deutschland zur Seite und erkläre Dinge, die neu für sie sind. Außerdem rege ich die Spieler an, sich zu integrieren. Japaner sind häufig schüchtern und zurückhaltend. Ich spiele aber nicht „den Deutschen“ und konfrontiere sie frontal mit der neuen Kultur. Die Mitspieler machen das in der Regel sehr gut.
Japaner in der Bundesliga
Yamamori musste seinen Job beim BVB "selbst erfinden"
In Dortmund waren Sie Kagawas „Schattenmann“ – skizzieren Sie mal Ihre Arbeit bei einem Bundesligisten.
Yamamori: Die oberste Prämisse ist es, die Spieler schnell zu integrieren, so dass sie sich komplett auf Fußball konzentrieren können. Daraus ergeben sich natürlich auch Dinge im täglichen Leben, angefangen von organisatorischen Terminen bis hin zum Internetanschluss in der Wohnung. Sportlich übersetze ich im Training die Ansagen vom Coach und greife da ein, wo die Zeichensprache ihre Grenzen hat. Auch bei Mannschaftssitzungen oder in der Halbzeitpause. Fußball ist eigentlich ja international verständlich, aber manchmal muss ich eben Details erklären. Überall da, wo es Probleme wegen der sprachlichen Barrieren gibt, bin ich da - privat und beruflich.
Auf dem Trainingsgelände von Borussia Dortmund sah man Sie nicht selten die Seitenlinie rauf und runter rennen.
Yamamori: Ich musste meine Arbeit erst selbst erfinden. Es gab ja in dieser Richtung kein Präzedenzfall. Einen Fußballdolmetscher in dieser Konstellation gab es nicht. Ich habe mir überlegt, wie ich dem Job gerecht werden kann. Es stellte sich die Frage: Wie kann ich die Kommandos des Trainers an den Spieler weitergeben, ohne auf dem Platz rumzurennen und den Trainingsbetrieb zu stören? Es kam einfach auf meine Position an. Ich habe mich an den Rand des Platzes, in die Nähe des Trainers und auf Höhe des Spielers gestellt. In drei bis vier Sekunden beim Coach oder Spieler zu sein, war meine eigene Zielsetzung.
Es wurde mal geschrieben, Sie haben deshalb „Laktatwerte wie Kagawa“.
Yamamori: Ich habe tatsächlich mal einen Laktattest mitgemacht und das Ergebnis war nicht schlecht. Es war toll, dass ich bei den Trainingseinheiten mitlaufen durfte und selbst auch etwas für meine Fitness machen konnte. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt auch das Klima, das wir in Dortmund hatten. In Nürnberg läuft es genauso.
Schütten die Spieler ihrem Betreuer auch mal das Herz aus?
Yamamori: Natürlich bin ich manchmal auch einfach nur Gesprächspartner. Wobei das jetzt etwas in den Hintergrund rückt, weil sich Kanazaki und Kiyotake schon lange kennen. Ich mime nicht den Kumpel oder den Familienersatz des Spielers. In erster Linie ist es ein Beruf und ich versuche, Privates nicht mit dem Job zu vermischen. Wenn sich über den Beruf hinaus eine Freundschaft entwickelt, weil die zwischenmenschliche Ebene stimmt, freut mich das natürlich sehr. Aber das würde ich nie im Vorhinein voraussetzen. Die Professionalität darf nie darunter leiden.
Beim Hamburger SV und beim VfL Wolfsburg waren Sie nur ein „normaler“ Dolmetscher für die japanischen Spieler – damit fing alles an, oder?
Yamamori: In Hamburg war ich vom Spieler angeheuert. Ich habe Naohiro Takahara bei Interviews in der Mixedzone und im Privatleben geholfen, war aber nicht Teil der Mannschaft. Bei Wolfsburg entwickelte es sich dann etwas mehr in die Richtung, die ich beim BVB oder jetzt beim Club eingeschlagen habe. Herr Magath war sehr darauf bedacht, dass Makoto Hasebe sehr gut betreut wird. Deswegen hatte ich von Vereinsseite mehr Zugang und war jederzeit abrufbereit. Es war damals eine besondere Maßnahme seitens Herrn Magath.
Wenn Sie die taktischen Anweisungen von den Trainern an Ihren Schützling weitergeben, müssen Sie zwangsläufig Ahnung vom Fußball haben.
Yamamori: (lacht) Selbst habe ich keinen Fußball gespielt. Aber ich habe während meines Studiums für einen japanischen TV-Sender Berichte geschrieben und aus den Stadien im Hintergrund gearbeitet. Das habe ich zwei, drei Jahre gemacht und dann kam Takahara zum HSV. Ich passte gut in das Anforderungsprofil, das man für den Job brauchte, und das war mein Türöffner in die Dolmetscherei.
Takahara war der Türöffner für japanische Spieler in der Bundesliga. Jetzt spielen mittlerweile elf Ihrer Landsleute in Deutschland und es gibt einen „Bundesliga-Tourismus“ in Japan.
Yamamori: Spätestens seit Shinji und Schalkes Atsuto Uchida, der in Japan sehr populär ist, kommen viele Touristen nach Deutschland, um diese Spieler zu sehen. Und wenn sie schon so einen weiten Weg auf sich nehmen, wollen sie natürlich so viele Spieler und Spiele wie möglich sehen.
Sie müssen den nicht ganz so weiten Weg nach Manchester fliegen, um Ihren Freund Shinji Kagawa zu sehen…
Yamamori: Wir haben noch sehr regelmäßig Kontakt, telefonieren und schicken uns SMS. Ich war drei Wochen bei ihm nach seinem Wechsel nach Manchester und habe ihm geholfen, auch dort Fuß zu fassen.
Warum sind Sie nicht dort geblieben und haben den Job, den Sie jetzt beim Club machen, bei United gemacht?
Yamamori: Mein Lebensmittelpunkt ist in Deutschland und ich möchte lieber den neuen Spielern aus Japan helfen, sich hier einzugewöhnen. Shinji ist jetzt im dritten Jahr in Europa und weiß, wie er hier zurechtkommt. Es ist eine Fernbetreuung. Und ab und zu bin ich ja noch in England.