Leverkusen. . Bayer Leverkusens Trainer Sascha Lewandowski ist ein Kind des Ruhrgebiets. Vor dem Spiel gegen die Königsblauen spricht er über seine Erfahrungen beim BVB, seinen Wohnort Bochum und das faire Verhalten von Michael Ballack.

Lewandowski? Heißt Robert mit Vornamen und stürmt für Borussia Dortmund. Oder heißt Sascha mit Vornamen und ist Trainer von Bayern Leverkusen. Präziser: die eine Hälfte des Leverkusener Trainerteams. Ein Gespräch mit Sascha Lewandowski vor dem Spitzenspiel am Samstag gegen Schalke 04 (18.30 Uhr, live im DerWesten-Ticker) über die Arbeit im Team, einen Besuch in der Bundesliga und den Respekt von Michael Ballack.

Herr Lewandowski, die schlimmste Frage zuerst: Wer ist in Leverkusen der wahre Chef – Cheftrainer Lewandowski oder Teamchef Sami Hyypiä?

Sascha Lewandowski: Sami und ich sind jetzt acht Monate im Amt. Sind wir tatsächlich immer noch bei dieser Frage?

Ja.

Lewandowski: Also gut: Wir bewegen uns auf Augenhöhe. Wir denken sehr ähnlich über Fußball, und in der Regel liegen wir bei neun von zehn Punkten auf einer Linie. Beim zehnten setzt sich der durch, der die besseren Argumente hat. Keiner von uns hatte bisher das Gefühl, dass er mal eine richtige Kröte schlucken musste.

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Lewandowski: Wir haben schon schlechtere Vergleiche gehört.

Ihre Lebensläufe könnten jedenfalls kaum unterschiedlicher sein.

Lewandowski: Stimmt. Sami mit der riesig großen Reputation als Spieler, aber ohne jede Trainererfahrung. Und ich mit großer Erfahrung als Trainer, aber eben im Junioren- und nicht im Profibereich. Wir sind damals von Bayer 04 wirklich ins kalte Wasser geschmissen worden.

Ursprünglich hat Leverkusen sich dieses Modell nur für sechs Wochen ausgedacht. Sie beide sollten im April und Mai die Saison zu Ende bringen...

Lewandowski: Wir sind sechs Spieltage vor Schluss eingestiegen, und da war die Lage schon so kritisch, dass es nicht mehr darum ging, etwas zu Ende zu bringen. Wir mussten die Saison retten, indem wir die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb schaffen. Sami und ich hatten 48 Stunden Zeit, einen Plan zu entwickeln. Das war schon eine extreme Drucksituation.

Sie waren immer Jugendtrainer, erst in Dortmund und Bochum, dann in Leverkusen. Von einer Stunde auf die andere standen Sie in der Profi-Kabine. Um wie vieles schwieriger ist es, mit Profis klar zu kommen?

Lewandowski: Es ist anders, nicht schwieriger. Was ich zum Beispiel sehr vermisse, ist die Möglichkeit, jeden Tag intensiv mit der Mannschaft etwas im Training zu erarbeiten. In der Jugend geht das, aber wir haben derzeit alle drei Tage ein Spiel. Da geht es eben mehr um Regeneration als um gezieltes Training.

Müssen Sie Profis anders ansprechen?

Lewandowski: Ich bin an einem Abend aus der Kabine der U19 rausmarschiert und am nächsten Tag standen dann Rene Adler, Michael Ballack und Stefan Kießling vor dir. Da fragt man sich schon, wie bringe ich jetzt meine Linie durch? Wie genau beobachten die mich jetzt? Wie fair sind die? Alles halb so schlimm. In dem Moment, in dem du die Kabine betrittst, bist du der Trainer. Ich habe diesen Job von der Pike auf gelernt. Das gereicht mir heute manchmal zum Nachteil, weil ich nicht die schillernde Reputation habe. Mir ist doch klar, dass Bayer Leverkusen mich nicht alleine auf diese Position stellen konnte, sondern nur im Verbund mit Sami. Aber ich habe diesen Job mit allen Facetten intensiv gelernt. Danach weißt du, welche Qualität du hast. Und das hilft.

Wie fair war Michael Ballack?

Lewandowski: Sehr fair. Die Akzeptanz war sofort da, der Respekt kam auch sehr schnell. Es hat riesigen Spaß mit ihm gemacht.

Sami Hyypiä und Sie haben damals als Trainer kein Spiel verloren, Bayer hat ihnen danach etwas überraschend einen Drei-Jahres-Vertrag gegeben. Hatten Sie nicht eine ganz andere Lebensplanung?

Lewandowski: Das ist ein so großes Wort, da würde ich mich zu wichtig nehmen. Aber ich war ursprünglich auf sechs Wochen eingestellt. Weiter habe ich nicht gedacht, weil es nie unbedingt mein Ziel war, Profitrainer zu werden. Aber dann gab es viele Signale aus der Mannschaft, aus der sportlichen Leitung: macht doch weiter. Sami und ich waren erst skeptisch, weil wir auch die Probleme sehen, die sich in so einer Zweier-Konstellation auf lange Sicht entwickeln können. Aber der Reiz, jetzt etwas Eigenes aufzubauen, war stärker.

Bis jetzt ist das Modell erfolgreich, Bayer gewinnt plötzlich sogar in München...

Lewandowski: War das nicht schön, dass wir bei den Bayern endlich mal einen rausgehauen haben? Rein rational sage ich mir, das waren auch nur drei Punkte. Aber für den Verein hatte es eine immense Bedeutung.

...und Bayer verliert dann wieder sang- und klanglos 1:3 in Wolfsburg. Ist das das alte, phlegmatische Leverkusen?

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Lewandowski: Lösen wir uns mal einen Moment von Tabellenplätzen und Punkteständen. Dann haben wir hier zwei Ziele: Wir wollen wieder für eine klare Spielidee stehen. Und da haben wir in punkto erspielter Chancen bislang einen Riesensprung gemacht, gehören in der Bundesliga zu den „Top drei“ und haben in der Euro-League den absoluten Topwert. Zweites Ziel: Die Elf soll eine Mentalität entwickeln, mit der sie sich Siege auch mal erkämpfen kann. München, das war so ein Sieg. Da sind wir über unsere Grenzen gegangen. Wolfsburg war in einer Phase voller englischer Wochen einfach das eine Spiel zu viel. Die Jungs waren platt. Wir haben Top-Qualität im Kader, aber nicht in der Breite wie die Bayern oder die Schalker. Die sind haben eine echte Spitzenmannschaft. Aber noch haben Sami und ich ja kein Heimspiel verloren...

Was Schalker nicht gerne hören werden: Sie waren früher BVB-Fan?

Lewandowski: Hab’ ich gelesen, ist aber falsch. Ich bin in Dortmund geboren und es ging dem BVB ja nicht immer so gut wie heute. Als Arbeiterkind hat man vielleicht eher als andere gedacht: Wenn es dem Klub schlecht geht, musst du hin. Aber ich war nie Fan. Ich wohne immer noch in Bochum, deshalb freue ich mich vielleicht einen Tick mehr als andere, wenn wir gegen die Ruhrgebiets-Klubs spielen. Mehr aber auch nicht.

Sie sind acht Monate dabei. Wie stark wirkt die Faszination Bundesliga?

Lewandowski: Vom Geschäft komme ich leicht runter. Ich fühle mich ein bisschen so, als wäre ich zu Besuch. Das ist nicht negativ gemeint, aber ich sehe viele Dinge noch mit einer gewissen Distanz. Ich rede wahnsinnig gerne über Fußball an sich, aber deshalb muss das in meinem Freundeskreis noch lange nicht die erste Rolle spielen. Mein Leben hat sich in diesen acht Monaten gar nicht so wahnsinnig verändert. Ich habe die gleichen Freunde wie früher. Und die gleiche Freundin.