München. . Toni Kroos stand vor dieser Saison am Scheideweg: „Schafft er es doch noch beim FC Bayern, oder nicht?“, lautete die vielfach gestellte Frage. Kroos ließ Taten sprechen. Und die Antwort lautet: „Ja, er hat es geschafft!“
Toni Kroos scheint dieser Tage zu schweben - nicht nur auf dem Fußball-Platz. „Es läuft super“, sagte er zu Wochenbeginn breit grinsend. Und damit meinte er nicht in erster Linie die starken Leistungen von Bayern München, das souverän an der Spitze der Bundesliga-Tabelle thront, sondern vor allem sich selbst. In seiner fünften Saison als Profi löst der 21-Jährige endlich das Versprechen ein, das er einst als Nachwuchsspieler gegeben hatte.
Für viele Experten stellte sich vor Saisonbeginn die Frage, ob es Kroos nun doch noch schaffen würde beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft. Wenige trauten es ihm zu. Nicht, weil es Kroos an Talent mangelte, sondern vielmehr, weil ein Platz für ihn in beiden Mannschaften blockiert schien. Kroos, da waren sich die Fachleute einig, hatte nur eine Chance - und die hieß Jupp Heynckes. Der Coach hatte das Talent bei Bayer Leverkusen in der Bundesliga etabliert, jetzt sollte er dasselbe auf höherem Niveau bei den Bayern tun.
Heynckes betitelt Kroos als "Top-Spieler"
Wer Heynckes auf Kroos anspricht, zaubert ein Lächeln auf das Gesicht des 66-Jährigen. „Toni ist ein absoluter Topspieler. Es ist eine Delikatesse, wie er Fußball spielt“, sagte er kürzlich. Tatsächlich hat sich Kroos als Takt- und Ideengeber im offensiven Mittelfeld der Bayern etabliert. Zwar profitierte er auf dem Weg in die Stammelf (neun von elf Bundesligaspielen bestritt er von Beginn an) auch von der Verletzung von Arjen Robben. Jedoch nutzte er seine Chance auch mit überzeugenden Auftritten. Für die Süddeutsche Zeitung ist er der „Prinzregent des Münchner Offensivspiels“.
„Ich spiele auf konstant hohem Niveau“, sagt Kroos selbst. Überzeugt von seinen Fähigkeiten war er schon immer. Mancher Kritiker attestierte Arroganz, dazu passte Kroos“ Auftreten auf dem Platz. Kroos läuft nicht, er schreitet, die Brust stets nach vorne gereckt. Das wirkte manchmal schnöselig-gockelhaft, wenn er etwa bei der Bayern-Reserve in der 3. Liga aushalf. Mittlerweile wird ihm das als natürliche Eleganz oder positive Lässigkeit ausgelegt. Fußball für Feinschmecker - das ist es, was Kroos ausstrahlt, und was er zeigt.
Hoeneß legte Latte früh sehr hoch
Einer, der das früh erkannte, war Präsident Uli Hoeneß. Als der noch Manager der Bayern war, versprach er dem Ausnahmetalent öffentlich, dereinst mit der Nummer 10 spielen zu dürfen - und tat ihm damit einen Bärendienst. Kroos wurde fortan immer daran gemessen, dass er die Bayern in ferner Zukunft als „Zehner“ zu großen Siegen führen sollte. Als es unter Jürgen Klinsmann nicht lief und Kroos sich für die Ausleihe nach Leverkusen entschied, galt er als Flüchtender, nach seiner Rückkehr und Problemen unter Louis van Gaal als gescheitert.
Die Wende kam mit Heynckes, der Kroos wieder die Rolle des Spielmachers gab und so dessen verschüttet geglaubtes Offensivpotenzial wieder erweckte. „Er hat noch mal einen Schritt nach vorne gemacht“, lobte kürzlich Bundestrainer Joachim Löw, aus dessen Elf Kroos kaum mehr wegzudenken ist. Warum das so ist, erklärt Heynckes so: „Toni hat inzwischen auch gelernt zu verteidigen.“
Kroos sieht sich selber eher als Vorbereiter
Eine Sache, betont der Coach, müsse Kroos jedoch noch verbessern: Wie in Leverkusen müsse er mehr Tore schießen. In 56 Bundesligaspielen für den FC Bayern hat Kroos erst einmal getroffen. Er selbst führt das auf seine Rolle als Ergänzungsspieler zu Beginn seiner Karriere zurück, meint aber auch: „Ich sehe mich in erster Linie als Vorbereiter und Toreinleiter.“
Dass er auch als Torjäger gewisse Qualitäten hat, bewies er ausgerechnet auf der höchsten Ebene, in der Champions League. Kroos traf zum Auftakt in Villarreal, sein zweiter Treffer in Neapel war ein technisches Kunststück. „Es gibt nicht viele Spieler, die das können“, sagte er selbst dazu. Auf die Idee, das eingebildet zu nennen, kam niemand. Es war einfach die treffende Analyse einer Aktion, die nur ein Delikatessen-Fußballer drauf hat. (sid)