München. .
Die Bayern wähnten sich eigentlich bereits auf einem guten Weg, doch nun stellt sich heraus: Ohne die verletzten Robben und Ribery fehlt es an Mitteln gegen die traditionelle Herbstkrise.
Seit Uli Hoeneß als Präsident oben auf der Tribüne sitzt, trägt er regelmäßig einen rot-weißen Schal, und den behält er in der Regel auch an, wenn er nach dem Spiel bei der Mannschaft in der Kabine vorbeischaut. Hoeneß zeigt eben gerne, dass er stolz ist auf den FC Bayern. Die 1:2-Niederlage gegen den FSV Mainz ändert daran nichts, aber als er diesmal mit grimmiger Miene von der Tribüne kam, hatte er den Schal abgelegt. Vielleicht erschien es ihm nach dem Spiel gegen den Tabellenführer einfach unpassend, sich als Fan zu geben, oder er wollte damit ein Zeichen setzen bei den Spielern, dass es mit der guten Laune nun vorbei ist.
„Wir müssen jetzt die Kurve kriegen und in Dortmund punkten“, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nach der zweiten Saisonniederlage, die den Rückstand zur Spitze auf zehn Punkte anwachsen ließ. „Denn wir dürfen uns nicht den Luxus erlauben, zu denken, dass es wieder so läuft wie im vergangen Jahr und wir es in der Rückrunde drehen können.“ Um allen Spekulationen vorzubauen, schickte der Klubchef den Hinweis hinterher, dass „exklusiv die Mannschaft gefragt“ sei. Louis van Gaal wurde bewusst von der Schelte ausgenommen. Noch genießt der Niederländer Vertrauen, nach der vergangenen Saison wäre eine Trainerdiskussion derzeit auch unpassend. Aber van Gaal muss sich zumindest Fragen gefallen lassen, ob es tatsächlich klug ist, an seinem strikten System mit nur einer Spitze nach dem Ausfall von Arjen Robben und Franck Ribéry festzuhalten.
Die Krise hatte sich schon länger angedeutet, aber die Bayern spielten die Probleme herunter, verwiesen beharrlich auf ihre Dominanz und die Torchancen. Die Niederlage in Kaiserslautern wurde als kleiner Betriebsunfall abgetan, für die torlosen Unentschieden daheim gegen Bremen und Köln vor allem die Defensivstrategie der Gegner verantwortlich gemacht. Mit dem Sieg in letzter Minute in Hoffenheim am Dienstag wähnten sie sich zurück auf dem Weg nach oben. „Ich dachte, dass wir damit den Schalter umgelegt haben“, gibt Sportdirektor Christian Nerlinger zu. „Aber es wird schwieriger als erwartet.“
Mainz spielerisch überlegen
Der Tabellenführer aus Mainz zeigte bei seinem sechsten Sieg hintereinander, dass eine Mannschaft auch mit deutlich weniger Ballbesitz als der Gegner – laut Statistik nur 36 Prozent gegenüber 64 für die Münchner – spielerisch überlegen auftreten kann. Er könne ja nicht jede Woche sagen, man habe das Spiel dominiert aber nur wieder kein Tor erzielt, gibt van Gaal zu. „Fußball ist ein Spiel, um Tore zu machen.“ Und die gelangen seiner Mannschaft bisher kaum. Nur fünf Treffer haben die Bayern in sechs Bundesligaspielen erzielt, noch keines ging dabei auf das Konto eines Stürmers. Genau genommen hat der Meister sogar erst vier Tore geschossen, denn das fünfte steuerte am Samstag der Gegner mit einem Eigentor durch Svensson bei. „Dass wir schlecht gespielt haben, ist ein Verdienst der Mainzer“, sagte van Gaal und zollte dem Gegner großen Respekt. Bei der Mannschaft sehe man eine Handschrift, erklärte er und gab schließlich bei der Frage nach den Titelchancen des Tabellenführers die Antwort, die jeder hören wollte: „Natürlich können sie Meister werden. Das hat Kaiserslautern auch einmal geschafft.“
Tuchels „Boygroup“ spielte gegen den Meister so wie bei den fünf Siegen auch, störte den Gegner schon am eigenen Strafraum und nutzte die Abwehrschwächen der Münchner bei den Treffern von Allagui und Szalai aus. „Mit dem Pressing nach vorne hatten wir Schwierigkeiten“, sagte van Gaal. „Aber als Spitzenmannschaft müssen wir damit umgehen können.“
Die Bayern erkennen, dass sich die Probleme nicht mehr mit den Spätfolgen der WM erklären lassen und auch nicht allein mit dem Ausfall von Robben und Ribéry, haben aber keinen Plan, wie sie dieses Mal aus der traditionellen Herbstkrise herauskommen. Sie irrten sich in der Annahme, die Aufgaben spielerisch lösen zu können und vergaßen jene „Attribute, die uns in der Rückrunde der vergangenen Saison stark gemacht haben“, erklärt Rummenigge. Laufbereit, aggressiv und leidenschaftlich – das waren am Samstag nur die Mainzer.