Essen. Nach dem Krimi zwischen Ingolstadt und Nürnberg ist die Diskussion über die Auswärtstorregel neu entfacht. Wir diskutieren darüber.
Über kaum eine Regel wird im Fußball so gern diskutiert wie die Auswärtstorregel. So auch am Samstagabend nach dem Relegations-Rückspiel zwischen dem FC Ingolstadt und dem 1. FC Nürnberg. Dank eines Treffers in der 96. Minute durfte der Club den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga feiern. Ingolstadt hingegen trauerte. Das Gesamtergebnis aus Hin- und Rückspiel lautet jedoch 3:3. Nürnberg profitierte von einem Auswärtstor. So lief es auch in der Bundesliga-Relegation zwischen dem 1. FC Heidenheim und Werder Bremen.
Doch was spricht für und was gegen die Auswärtstorregel? Unsere Redakteure Robin Haack und Björn Goldmann diskutieren.
Pro: Die Auswärtstorregel belohnt den Mut der Gäste
0:0 im Hinspiel in Bremen, 2:2 im Rückspiel in Heidenheim. Nach insgesamt 180 Minuten Relegation zwischen Werder und dem FCH stand es in Summe 2:2 – und trotzdem gab es in den Grün-Weißen einen Gewinner. Der Auswärtstorregel sei Dank. So lief es auch eine Etage tiefer zwischen Ingolstadt und Nürnberg. Dort lautete das Gesamtergebnis 3:3, Zweitligist Nürnberg durfte am Ende feiern.
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Eine Regel, die im Fußball schon lange umstritten ist, denn jedes Mal wenn sie im Europapokal oder wie gestern in der Relegation greift, sorgt sie für ausschweifende Diskussionen. Viele Fans sind der Meinung, die Regel sei unfair und gehöre abgeschafft. Doch warum? Es gibt durchaus Argumente, die die Auswärtstorregel rechtfertigen.
Auswärtstorregel kann für mehr Attraktivität sorgen
Natürlich mag der Heimvorteil bei Geisterspielen wie zwischen Werder und Heidenheim kein echter Vorteil sein. Unter normalen Umständen jedoch, vor vollen Zuschauerrängen, vor zum Teil über 60.000 fanatischen Anhängern, macht es sehr wohl einen Unterschied, ob man daheim oder auswärts spielt. Würde die Regel nicht existieren, würden Auswärtsteams sich gerade im Hinspiel noch mehr darauf besinnen, bloß keinen Gegentreffer zu bekommen.
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Ohne die Regel würden Auswärtsmannschaften wohl häufiger über 90 Minuten konsequent verteidigen und hoffen, das Ganze im Rückspiel zu entscheiden. Durch die Auswärtstorregel wird der Mut der Gäste allerdings belohnt und das trägt sogar häufig zur Attraktivität des Spiels bei. Sie fördert offensives Spiel der Auswärtsteams, das Spektakel, was jeder Fan doch viel lieber sehen will als 90 Minuten Mauer-Fußball.
Contra: Die Auswärtstorregel ist ein Delikt vergangener Zeiten, ein Tor ist ein Tor
Justitia ist ja angeblich blind, und deshalb sind die Statuen der Göttin der Gerechtigkeit auch meist in Gerichtsgebäuden zu finden, und nicht in Fußballstadien. Denn das, was da am Montagabend in Heidenheim geschah, hatte mit Gerechtigkeit wenig zu tun. Formal war es schon richtig, dass Werder Bremen sich mit zwei Unentschieden den Status eines Erstligisten erhalten hat. So ist sie nun einmal, die von der Uefa im Jahre 1965 eingeführte Auswärtstorregel für internationale Pokalwettbewerbe, die auch in der Bundesliga-Relegation Anwendung findet. Aber gefühlt scheint das Geschehen in Heidenheim alles andere als richtig. Regel hin, Regel her.
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Da schafft es ein Erstligist nicht, im eigenen Stadion über ein 0:0 hinauszukommen, erreicht beim Rückspiel auch nur ein 2:2 – und wird trotzdem noch belohnt. Bitter für Heidenheim oder jeden anderen Klub auch, der solch eine kämpferische Leistung zeigt, nicht verloren hat und am Ende doch leer ausgeht. So ist es auch Ingolstadt ergangen. Fair ist das nicht.
Heimmanschaften spielen nun vermehrt defensiv
Die Auswärtstorregel ist ein Relikt vergangener Zeiten. Sie soll den angenommenen Nachteil der Auswärtsmannschaft ausgleichen und entstand zu einer Zeit, als Auswärtsfahrten noch voller Strapazen waren, Bälle und Spielfelder sich unterschieden. Das Auswärtstor sollte ein Anreiz sein, damit Gäste-Mannschaften in fremden Stadien von einer reinen Defensivstrategie abrücken.
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Herausgekommen ist, dass im Hinspiel gerade die Heimmannschaft vermehrt defensiver auftritt, um das so gefürchtete Auswärtstor des Gegners zu vermeiden – ein 0:0 ist fürs Heimteam besser als ein 1:1. Ohnehin wurde in Untersuchungen von Champions-League-Spielen festgestellt, dass Auswärtsteams seit den Nullerjahren in der Fremde viel offensiver zu Werke gehen als noch im alten Jahrtausend. Der Heimvorteil spielt keine so große Rolle mehr, weshalb sich namhafte Trainer wie Thomas Tuchel und José Mourinho Ende 2018 bei einer Uefa-Tagung in Nyon für die Abschaffung der Regel aussprachen. Und wer mit der Unterstützung der Zuschauer bei Heimspielen argumentieren will: Die gibt es derzeit ohnehin nicht.
Fußball ist doch ein unkompliziertes Spiel
Am Ende ist es doch so: Fußball ist ein im Vergleich zu anderen Sportarten ein recht unkompliziertes Spiel, deshalb ist es weltweit so beliebt. Ein Tor ist ein Tor. Jedes sollte gleich viel zählen. Dann werden sie eben in der Verlängerungen oder im Elfmeterschießen geschossen.