Essen/Dortmund. Vor genau 20 Jahren kam es zu einem der spektakulärsten Transfers der Geschichte. Andreas Möller verließ den BVB und ging zum Erzrivalen.

Michael Meier dachte, er hätte sich verhört. War da gerade wirklich das Wort „Schalke“ an sein Ohr gedrungen? Das konnte doch nicht wahr sein.

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Meier hatte einen Gesprächstermin mit Spielerberater Klaus Gerster. Es ging um dessen Klienten Andreas Möller. Meier, damals Manager bei Borussia Dortmund, wollte dem Routinier keinen hochdotierten Vertrag mehr geben. Die Trennung nach sechs erfolgreichen Jahren stand bevor. Nun sollte Gerster aber verraten, wohin Möller denn wechsele. Und dann kam es raus: Schalke 04. „Da war ich erstmal baff“, sagt Meier im Gespräch mit dieser Redaktion. „Mit Schalke hätte ich im Leben nicht gerechnet.“

Heute vor 20 Jahren, am 26. Mai 2000, verkündeten die Königsblauen einen der spektakulärsten Transfers innerhalb der Fußball-Bundesliga. Die Dortmunder Reizfigur Möller wechselte ablösefrei zum Erzrivale nach Gelsenkirchen. Eine auf den ersten Blick absurde Idee: So als würde Christian Lindner heute die FDP verlassen und bei der Linkspartei anheuern. Wie ein Engagement von Rockstar Ozzy Osbourne bei den Kastelruther Spatzen. Ein Talkformat mit Daniela Katzenberger auf Arte.

Möller-Transfer zu Schalke 04: „Es fühlt sich an, als wenn dir jemand die Seele rausreißt“

Andreas Möller (l.) im Duell mit seinem Ex-Verein Borussia Dortmund.
Andreas Möller (l.) im Duell mit seinem Ex-Verein Borussia Dortmund. © Imago Images

Für Rudi Assauer war die Idee alles andere als absurd. „Ich dachte: Verdammte Hacke, Möller! Vertrag läuft aus, ablösefrei, wupp. Das ging ratz­fatz“, kommentierte Schalkes 2019 verstorbener Manager später seinen Plan in für ihn typischen Worten. Die Verhandlung geriet zur Geheimmission. Peter Peters, damals wie heute Finanzvorstand auf Schalke, hatte in sein Wohnzimmer geladen. Er saß an einem Tisch mit Gerster, Möller und Assauer. Trainer Huub Stevens komplettierte die Runde. Da keiner von dieser Zusammenkunft erfahren sollte, zog Peters sogar die Vorhänge in seinem Wohnzimmer zu.

An einem sonnigen Freitag lüftete Schalke das Geheimnis und stellte Möller auf einer Pressekonferenz vor. Damit erzürnte der Klub einen Großteil seiner Fans: Auf der Geschäftsstelle gingen die Faxe mit Vereinsaustritten ein. Am Trainingsgelände kam es zu einem spontanen Protestmarsch. „Es fühlt sich an, als wenn dir jemand die Seele rausreißt“, sagte ein Schalker vor TV-Kameras.

Auch bei den Dortmundern Fans sorgte die Nachricht für Verärgerung. Ihr großes Idol, Garant für zwei Meisterschaften und einen Champions-League-Triumph, galt nun als Verräter. BVB-Fans überklebten die Schilder an der Dortmunder Möllerbrücke. Sie tauften sie um in ​„Olisehbrücke“, benannt nach Zugang Sunday Oliseh.

Trotz lukrativer Angebote: Andreas Möller ging den unbequemen Weg auf Schalke

Es ging damals das Gerücht um, Möller habe Reißaus vor Matthias Sammer genommen. „Das war großer Quatsch“, sagt Michael Meier heute. „Zu dem Zeitpunkt stand auch noch gar nicht fest, dass Sammer unser neuer Trainer wird. Wir wollten schlichtweg kein großes Gehalt mehr zahlen.“ Möller bestätigte diese Version kürzlich dieser Zeitung. „Ich wäre gerne geblieben, aber das Dortmunder Angebot war einfach nicht akzeptabel, das konnte ich nicht annehmen“, sagte der Weltmeister von 1990.

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Er hätte in die Türkei wechseln können. Lukrative Angebote für den damals 32-Jährigen gab es genug. Doch Möller entschied sich für den unbequemen Weg – und für einen Dreijahresvertrag auf Schalke. „Er wollte damit auch sein Weichei-Image loswerden“, sagt Michael Meier rückblickend. Möller hatte keinen leichten Start auf Schalke. Als die Gelsenkirchener beim Saisonauftakt den 1. FC Köln empfingen, entrollten Fans im Parkstadion beleidigende Transparente. „Zecke Möller, willkommen in der blau-weißen Hölle“, stand auf einem geschrieben.

Der Jubel von Andreas Möller (l.) und Rudi Assauer wehrte nur kurz. Vier Minuten lang dachten die Schalker 2001 sie seien Deutscher Meister, der FC Bayern entriss Königsblau den Titel allerdings in der Nachspielzeit.
Der Jubel von Andreas Möller (l.) und Rudi Assauer wehrte nur kurz. Vier Minuten lang dachten die Schalker 2001 sie seien Deutscher Meister, der FC Bayern entriss Königsblau den Titel allerdings in der Nachspielzeit. © getty Images

Doch der Mittelfeldspieler ließ sich davon nicht beeindrucken. Er harmonierte von Anfang an mit den Angreifern Emile Mpenza und Ebbe Sand. Und dann kam der 23. September 2000: Möllers Rückkehr ins Westfalenstadion. Angetrieben von ihrem neuen Star führten die Schalker den BVB vor – gewannen am Ende mit 4:0.

Auf der Tribüne sah Michael Meier, wie Möller das Dortmunder Team auseinandernahm und hinterher mit den Schalker Fans feierte. Groll kam im heute 70-Jährigen aber nicht hoch. Im Gegenteil. „Ich hatte damals Riesenrespekt, dass Andy Möller bei so einer hitzigen Atmosphäre aufläuft“, erzählt Meier. „An diesem Tag hat er endgültig bewiesen, dass er kein Weichei ist, sondern ein echter Kerl.“