Essen. 1995 schindete er einen Elfmeter und zoffte sich mit KSC-Trainer Schäfer. Heute ist die Aktion für den ehemaligen Dortmunder kein Thema mehr.
Andreas Möller möchte offenbar nicht reden. Auf die Anfrage dieser Redaktion, sich über das legendäre Bundesliga-Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem Karlsruher SC zu unterhalten, folgt keine Reaktion. Möller hatte einmal gesagt, dass die Schwalbe kein Thema mehr für ihn sei. Und da bleibt er sich auch zum 25. Jahrestag dieser Aktion treu.
Möller hat als Fußballprofi eine eindrucksvolle Karriere hingelegt. Der heute 52-Jährige begeisterte Fans von Borussia Dortmund und Schalke 04 gleichermaßen. Wenn er seinen Turbo zündete, kamen die Abwehrspieler kaum hinterher. So holte er mit seinen Teams die großen Titel: Möller gewann die Welt- und Europameisterschaft, die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal, die Champions League und den Uefa-Cup. Wer heute seinen Namen googelt, findet bei den Ergänzungsvorschlägen aber zuerst das Wort Schwalbe. Und das liegt an den Ereignissen vom 13. April 1995.
Der BVB hatte damals am Gründonnerstag ein Heimspiel. Ottmar Hitzfelds Mannschaft musste gewinnen, um die Tabellenführung nicht an Werder Bremen zu verlieren. Doch es lief zunächst schlecht. Gunther Metz brachte den KSC kurz vor der Pause in Führung. Die Gäste kontrollierten das Spiel. Ungeduld machte sich breit im damals bereits mit 42.800 Zuschauern ausverkauften Westfalenstadion.
Andreas Möller ging im Sinkflug zu Boden
Und dann kam Andreas Möller. In der 76. Minute spielte er im Strafraum einen Doppelpass mit Lars Ricken und ging dann im Sinkflug zu Boden. Durch die Lücke zwischen Möller und Gegenspieler Dirk Schuster hätte problemlos ein Moped fahren können. Aber Schiedsrichter Günther Habermann fiel auf die plumpe Täuschung herein. Er deutete sofort auf den Elfmeterpunkt.
Heute hätte der Videoassistent diese skurrile Entscheidung sofort einkassiert. Doch in den 1990er-Jahren ging es höchstens für Partys mit Bacardi-Cola in einen Kölner Keller. Und nicht wie heute, um sich dort auf Monitoren Spielszenen anzuschauen und Fehlentscheidungen zu korrigieren.
So traf Michael Zorc per Elfmeter zum Ausgleich. Karlsruhe war nun von der Rolle. Matthias Sammer erzielte per Fernschuss noch das 2:1. Dass Zorc später noch einen – diesmal berechtigten – Elfmeter vergab, ging im Trubel beinahe unter.
Nach "Schutzschwalbe": Öffentliche Auseinandersetzung mit Winfried Schäfer
Habermann pfiff kurz darauf ab. Nun ging es richtig zur Sache. Möller versuchte, seine Aktion zu rechtfertigen. „Das war eine Schutzschwalbe. Ich dachte, dass Dirk Schuster mich voll umhauen würde“, sagte der BVB-Profi im Interview und schuf so ein geflügeltes Wort. Und dann legte er sich mit Winfried Schäfer an. „Bei jedem anderen Trainer wäre ich vielleicht zum Schiedsrichter hingegangen und hätte zugegeben, dass es kein Foul war. Aber bei ihm nicht“, sagte Möller über den Karlsruher.
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Er konnte Schäfer damals nicht leiden. Ständig gerieten die beiden aneinander. Und der KSC-Trainer nahm die Schwalbe zum Anlass, um eine moralische Diskussion zu beginnen. „Eben haben kleine Kinder meiner Mannschaft den Mittelfinger gezeigt. Das ist das Produkt von Möller“, sagte Schäfer im Dortmunder Presseraum.
Andy Möller bekam Rückendeckung von Bundestrainer Berti Vogts
Die Aktion rief den Deutschen Fußball-Bund auf den Plan. Chefankläger Horst Hilpert sperrte Möller für zwei Bundesligaspiele. Zudem gab es 10.000 D-Mark Strafe obendrauf. Der damalige Bundestrainer Berti Vogts verzichtete für das Länderspiel gegen Wales auf Möller. Allerdings nahm er seinen Mittelfeldspieler auch in Schutz und attackierte dafür Winfried Schäfer. „Mich ärgert auch die Scheinheiligkeit eines meiner Kollegen, durch die Möller zum Freiwild gemacht wird“, sagte Vogts.
In der Bundesliga ging der Zweikampf zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen weiter. Und Möller zeigte nach Ablauf seiner Sperre wieder, welch genialer Fußballer er ist. Am 34. Spieltag zirkelte er gegen den Hamburger SV einen Freistoß ins Tor. Sein Team gewann 2:0 und überholte Bremen noch auf den letzten Drücker. Ein Punkt Vorsprung hatte der BVB am Saisonende.
Ob das Team auch ohne Möllers Schwalbe und Habermanns Fehler die Meisterschaft geholt hätte, bleibt Spekulation. Dafür ist etwas anderes klar: Die Bundesliga hat in ihren 57 Jahren viele Schwalben erlebt. Etwa die von Timo Werner, mit der er für RB Leipzig einen Elfmeter gegen Schalke 04 schindete. Sie hat diverse Flugeinlagen von Arjen Robben im Bayern-Trikot mitgemacht. Doch es gab keine Schwalbe, die für soviel Aufregung sorgte wie diese von Andreas Möller am 13. April 1995.