Die Fanproteste haben eine neue Eskalationsstufe erreicht, dem Fußball drohen nach dem Präzedenzfall von Sinsheim Spielabbrüche. Ein Kommentar.

Wir hätten an dieser Stelle gerne ein paar Worte zum Sport verloren, auch über den FC Bayern. 6:0 in Hoffenheim, grandios. Aber plötzlich: Nebensache. 22 Spieler standen auf dem Feld herum und kickten sich den Ball zu. Aus Protest gegen die Beleidigungen aus der Bayern-Fankurve in Richtung Dietmar Hopp. Aus Solidarität mit Hoffenheims Mäzen.

Eine Farce, das Ganze. Und eine neue Stufe der Eskalation. Hier die Ultras, die ihren Selbstdarstellungstrieb in ungezügelter Hemmungslosigkeit ausleben, die lustvoll sämtliche Grenzen des guten Geschmacks überschreiten und sich dabei feige vermummen. Dort der Deutsche Fußball-Bund, der ihnen Angriffsflächen bietet und Entscheidungen fällt, die es sehr wohl wert sind, hinterfragt zu werden.

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Denn es ist der Verband, den sie als Gegner in diesem Machtkampf ausgemacht haben. Hopp ist für sie nur eine willkommene Symbolfigur, an der sie sich mit maximaler Provokation abarbeiten können.

Ein Porträt hinter einem Fadenkreuz darf nicht geduldet werden

Natürlich darf es nicht geduldet werden, dass das Porträt eines Menschen hinter einem Fadenkreuz gezeigt wird. Dass Gladbacher Ultras genau dies vor einer Woche taten, war bereits eine Solidarisierung mit denen der anderen Borussia. Schon vor Jahren hatten BVB-Anhänger genauso gegen Hopp protestiert, der war gerichtlich dagegen vorgegangen. Und weil sich die Vorfälle wiederholten, entschied der DFB, dass in den kommenden beiden Spielzeiten alle Fans von Borussia Dortmund vom Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim ausgeschlossen werden. Die Betonung liegt auf: alle. Damit stellte der DFB das Pulverfass hin, an dem die Ultras jetzt ihr Feuer entzünden. Denn es war ihnen die Abkehr von Kollektivstrafen zugesagt worden. Deshalb rasten sie jetzt in vielen Stadien aus.

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Es gibt also nicht nur eine Wahrheit. Aber das will kaum jemand hören, längst herrscht Hysterie – ein Zeichen dieser Zeit. Und der Verband hat, indem die Partie in Sinsheim zweimal unterbrochen wurde und vor dem Abbruch stand, einen Präzedenzfall geschaffen. Nun steht dieser Vorwurf im Raum: Ein Milliardär wird geschützt, während bei Rassismus, Homophobie oder Beleidigungen von Spielern nichts geschah.

Der DFB hat sich mit den Unterbrechungen in Sinsheim selbst unter Druck gesetzt

Es ist richtig und wichtig, Hass und Hetze nicht mehr zu tolerieren. Nur weil in Stadien schon immer ein rauer Ton herrschte, muss man nicht Auswüchse hinnehmen. Aber wenn der DFB konsequent bleiben will, dann müssten die armen Schiedsrichter jetzt auch reagieren, wenn mal wieder Leipzigs Stürmer Timo Werner geschmäht oder der gegnerische Torwart beim Abstoß mit dem leider üblich gewordenen Beleidigungs-Dreiklang überzogen wird. Es droht eine Serie von Spielabbrüchen.

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Opfer und Täter allerdings sollten nicht verwechselt werden. Die angeblichen Hüter der Fankultur versauen vielen anderen tatsächlichen Fußballliebhabern die Freude am Stadionbesuch. Es wird Zeit, dass die Extremisten unter den Ul­tras identifiziert und ausgeschlossen werden. Viel zu lange haben die Vereine weggesehen.