Berlin. Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann tritt bei Hertha BSC die Nachfolge des entlassenen Coaches Ante Covic an. Geplant ist ein Engagement bis Saisonende.
Berlin ist nicht Kalifornien. Das musste Jürgen Klinsmann gleich an seinem ersten Arbeitstag bei Hertha BSC feststellen. Der frühere Bundestrainer, am Mittwochmittag überraschend als Nachfolger des entlassenen Coaches Ante Covic vorgestellt, leitete am Nachmittag sein erstes Training. Bei Dunkelheit und Nieselregen stand der 55-Jährige im schwarzen Trainingsanzug im Flutlicht.
Die Installation von Klinsmann als Interimstrainer bis Saisonende ist eine kleine Sensation beim Berliner Bundesligisten, der nach zuletzt vier Niederlagen in Folge auf Platz 15 gestürzt ist. War zunächst noch spekuliert worden, ob der erfolglose Trainer Covic die Mannschaft noch einmal ins Duell am Samstag gegen Borussia Dortmund (15.30 Uhr) führen dürfe, lautete die Antwort am Mittwochvormittag: Nein. Nach der – laut Hertha – „einvernehmlichen Trennung“ vom überforderten Bundesliganovizen nach zwölf Spielen übernimmt Klinsmann.
Berlin träumt vom Wintermärchen 2019
Eine große Lösung, die zu Träumereien anregt. „Führt er Berlin zu einem Wintermärchen 2019?“, fragte einer der Fernsehleute bei seiner Live-Schalte vor laufender Kamera.
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Klinsmann hatte die deutsche Nationalelf bei der WM 2006 in Deutschland auf Platz drei geführt und zuletzt bis 2016 das Nationalteam der USA betreut. Der gebürtige Schwabe mit Wohnsitz Kalifornien war erst vor drei Wochen als Aufsichtsrat in Herthas Kommanditgesellschaft installiert worden, auf Wunsch des neuen Investors Tennor um Lars Windhorst. Doch am Montag, nach Herthas 0:4 in Augsburg und einer Absage von Wunschkandidat Niko Kovac, der nach seinem Aus bei Bayern München bis Saisonende pausieren möchte, hatte sich Klinsmann in einen Flieger gesetzt und sich in Berlin zu einem Engagement als Aushilfstrainer überreden lassen. Ein kurzer Anruf zu Hause, bei der er seiner Frau Debbie mitteilte, dass er an Thanksgiving nicht am heimischen Esstisch sitzen werde, dann sagte er zu.
Großer Andrang bei der Vorstellung
Klinsmann wirkte denn, obgleich gebräunt und dauerlächernd, etwas ermüdet vom Flug, als er am Mittwochmittag vor die Presse trat. Der Medienraum, wo zuletzt oft nicht einmal ein Dutzend Journalisten Covic zuhören wollten, platzte aus allen Nähten. Ein Dutzend Kameras, eine Hundertschaft Journalisten und Fotografen, viele offenbar zum ersten Mal bei Hertha. Als die Fotografen nicht aufhören wollten, ihn abzulichten, scherzte Klinsmann: „Ich brauche sowieso ein Foto für einen neuen Reisepass.“
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Einen solchen Auflauf hatte es zuletzt bei der Verpflichtung von Otto Rehhagel 2012 gegeben. Mit dem damals 73-Jährigen stiegen die Berliner in der Folge ab, genau das soll Klinsmann nun verhindern. „Wir wollen uns nach oben arbeiten“, kündigte er an.
Amt als Hertha-Aufsichtsrat ruht
Erst beim letzten Heimspiel gegen Leipzig hatte Klinsmann als sportlicher Berater von Windhorst neben dem Investor auf der Tribüne des Olympiastadions gesessen. „Da hätte ich nicht gedacht, dass ich danach gleich wieder rüberfliege, aber im Fußball passieren Dinge manchmal über Nacht“, sagte Klinsmann. Er war sich noch nicht mal sicher, ob sein Amt als Aufsichtsrat damit bis Saisonende ruhe. Tue es, versicherte Michael Preetz neben ihm, der sich freute, einen Trainer „mit enormer Strahlkraft“ verpflichtet zu haben.
Der Manager hatte wohl schön öfter versucht, seinen alten Bekannten zu einem Engagement zu überreden. Immerhin ist der frühere Weltklassestürmer aus Schwaben Hertha-Mitglied, weil sein Vater aus Brandenburg stammte. „Es ist eine Ehre, mithelfen zu dürfen“, sagte Klinsmann nun. „Es ist so vorgesehen, dass ich das bis Saisonende mache. Das gibt Michael die Zeit, jemanden zu finden.“
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Friedrich als Teammanager
Preetz musste dafür offenbar einige Zugeständnisse machen. Dass Klinsmann bis Saisonende einen vierköpfigen Trainerstab mitbringt und Ex-Nationalspieler Arne Friedrich als Teammanager installiert, stört den Geschäftsführer nicht: „Ich begrüße das sehr, sonst hätte ich interveniert.“ Einen zu großen Einfluss des Investors fürchtet er nicht: „Es gibt keine Machtübernahme, sondern ein Miteinander.“
Auch Klinsmann, von seinen früheren Stationen als energiegeladener Querdenker bekannt, will bei Hertha nicht alles auf Links drehen: Es gehe nicht um Veränderungen, sondern um Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Berlin. Buddha-Statuen, wie schon im Internet gewitzelt, will Klinsmann also nicht aufstellen. Die habe er auch damals beim FC Bayern gar nicht veranlasst, stellte er klar.
Sie würden auch nicht so recht passen ins dunkle, regnerische Berlin.