München. Der FC Bayern steht nach dem 3:1 über Hannover vor der 29. Meisterschaft. Der FCB erlebte ein Wochenende mit wenig Glanz, aber viel Nostalgie.
Am Sonntag folgte der nächste Beitrag zu den nostalgischen Gefühlen, die schon den ganzen Sonnabend beim FC Bayern umweht hatten. Der erwartete Abschied von Franck Ribéry zum Saisonende wurde am Tag nach dem 3:1 (2:0)-Sieg gegen Hannover 96 offiziell verkündet, garniert von Dankesworten an den 36-Jährigen und an Arjen Robben, 35, durch dessen Comeback der nächste große Schritt Richtung Meistertitel ebenfalls wie eine kleine Zeitreise gewirkt hatte. „Franck und Arjen sind großartige Spieler. Der FC Bayern hat beiden sehr viel zu verdanken“, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag in einer Vereinsmitteilung, „sie haben die erfolgreichste Dekade des FC Bayern mit fantastischem Fußball mitgeprägt.“ 2020 soll es ein „großartiges und emotionales“ Abschiedsspiel für die langjährige Flügelzange geben.
Lewandowski und Goretzka schossen die Bayern-Pausenführung heraus
Ein bisschen hatte schon das 3:1 gegen den noch nicht abgestiegenen Tabellenletzten wie eine Anleihe an die Vergangenheit gewirkt, nachdem Robert Lewandowski (27.) und Leon Goretzka (40.) die 2:0-Pausenführung herausgeschossen hatten, ehe Jonathas durch den trotz Videobeweis sehr fragwürdigen Handelfmeter verkürzte (51.) und der eingewechselte Ribéry nach einem Haken mit seinem Tor zum Endstand den insgesamt doch recht mühevollen und wenig überzeugenden Erfolg endgültig sicherstellte (84.). Schon dieser hatte die Münchner ihrem siebten Meistertitel in Serie ein gutes Stück näher gebracht. Das galt nach dem 2:2 des Verfolgers Borussia Dortmund am Abend bei Werder Bremen umso mehr. Mit vier Punkten Vorsprung auf den BVB zieht die Mannschaft von Trainer Niko Kovac in die verbleibenden beiden Ligaspiele bei RB Leipzig und gegen Eintracht Frankfurt. Schon am Samstag in Leipzig könnte der insgesamt 29. Meistertitel der Bayern feststehen.
Robben war nun aber erst einmal einfach nur „sehr, sehr dankbar“ für den warmen Empfang, den ihm das Publikum bei seiner Einwechselung nach mehr als fünf Monaten Verletzungspause kurz vor dem Spielende bereitet hatte. Und er empfand es als „Geschenk“ der Mannschaft, dass diese ihm einen Freistoß überlassen hatte. „Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass der heute nicht reingegangen ist“, sagte Robben. Sein Abschiedstor soll noch folgen, zumal er nicht zum „Winken“ zurückgekommen sei, sondern mit dem ungebrochenen Ehrgeiz, „vielleicht auch eine wichtige Rolle zu spielen“. Wie so oft in der Vergangenheit, besonders im Finale der Champions League 2013, als er Ribérys Vorlage in Wembley zum 2:1 gegen Dortmund vollendete. Das Pokalfinale gegen Leipzig am 25. Mai böte die letzte Gelegenheit für einer dieser großen Robben-Momente.
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Wie und wo es für die beiden Flügelartisten weitergeht, ist ebenso offen wie die Zukunft von Kovac. Und auch wenn Franz Beckenbauer den Trainer von seiner Kritik am Rande der kleinen Feier zum 50-jährigen Jubiläum des ersten Münchner Doubles explizit ausgespart hatte, so traf diese doch auch ihn, zumindest indirekt. „Wenn ich die Spiele in der Champions League und der Europa League sehe, wie da gefightet wird, da meine ich manchmal, die Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft zu sehen“, hatte Beckenbauer vor dem Spiel gegen Hannover über die aktuellen Bayern gesagt. Ähnlich wie schon 2001 auf seiner berühmten Bankettrede mit dem Zusatz „Altherrenfußball“ nach der 0:3-Niederlage bei Olympique Lyon, der aber der Titelgewinn in der Champions League folgte.
Tatsächlich stand das oft tempo- und ideenarme Spiel gegen Hannover durchaus stellvertretend für die Saisoneindrücke, weshalb einige Spieler Beckenbauer sogar bestätigten. „Herr Beckenbauer war ein riesen Spieler und Trainer. Wenn der das so sagt, ist das eindeutig“, sagte Joshua Kimmich und beantwortete die Frage, ob der 73-Jährige Recht habe, ebenso klar: „Auf jeden Fall. In sehr vielen Spielen war das viel zu wenig.“ Auch der erst im Sommer aus Schalke übergelaufene Goretzka stützte Beckenbauers zugespitzte These, was Kovac nicht gerade schmeichelte. „Ich glaube, dass vieles nicht so gut läuft, wie wir uns das vorstellen“, sagte Goretzka. Beim FC Bayern reiche es nicht, zu gewinnen. Man müsse glänzen, gerade gegen einen Abstiegskandidaten in Unterzahl nach Jonathas‘ gelb-roter Karte (55.), gegen den der Anspruch eher ein 5:0 sei. „Unterm Strich“, bilanzierte Goretzka, „kann man auf jeden Fall festhalten, dass in vielen Spielen etwas gefehlt hat.“
Verwirrung um den Elfmeterpfiff für Hannover 96
Weniger Verständnis als für Beckenbauers Kritik brachten die Bayern für die Auslegung der Handspielregel auf, die zum 2:1 geführt hatte. Bei Linton Mainas Flanke hatte sich Jérôme Boateng weggedreht und den Arm sogar an den Körper herangezogen, den Ball aber noch an den Arm bekommen. Der aus Köln alarmierte Schiedsrichter Christian Dingert entschied nach eigener Ansicht der Videobilder zum Entsetzen der Münchner auf Strafstoß. „Aus heiterem Himmel passiert dann etwas, was in der heutigen Zeit Elfmeter ist, aber kein Elfmeter war“, befand Kovac. Und Thomas Müller sagte über Boatengs folgende Geste: „Ich glaube, er hat der Regel und nicht dem Schiedsrichter den Vogel gezeigt.“ Auch dabei klang ein bisschen Sehnsucht nach Nostalgie an.