Frankfurt/Main. Die Bundesliga ist spannend wie seit Jahren nicht mehr und ein deutsches Quintett überwintert in den Europapokalwettbewerben. eine Analyse
Die digitalen Kanäle sind längst ein wichtiges Stilmittel, um Botschaften zur Bundesliga zu verbreiten. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat eine renommierte Berliner Agentur eingeschaltet, um die sozialen Kanäle mit griffigen Slogans zu befüllen. Eine hieß #HEISSERHERBST, die andere läuft noch unter dem Titel #HERBSTFINALE. Nach DFL-Angaben wurden die entsprechenden Videos vier Millionen Mal abgespielt. Bunte Bilder mit vielen Emotionen.
„Mit unseren Kampagnen wird betont, was die Bundesliga in dieser Saison auszeichnet: nationale und internationale Stars, spektakuläre Neuzugänge und Toptalente, eine tolle Atmosphäre in den Stadien – und vor allem natürlich: viele Tore“, teilte Christian Pfennig, Mitglied der DFL-Geschäftsleitung mit. Tatsächlich sind bislang im Schnitt knapp mehr als drei Treffer gefallen. Mehr als in jeder anderen Topliga. Der Wert spricht an sich noch nicht für die fußballerische Qualität, aber einen Mehrwert gegenüber der Vorsaison bestreitet niemand.
Klubs ziehen Lehren aus der Krise
Manager und Trainer der Bundesliga haben offenbar deutlich eher als Oliver Bierhoff und Joachim Löw für die A-Nationalmannschaft die Lehren aus einer Sinnkrise gezogen, die nach dem ersten Vorrundenaus bei einer Weltmeisterschaft nicht mehr zu leugnen war. Während Löw noch den nachfolgenden Reinfall in der Nations League brauchte, um die Reform durchzuziehen, waren die Kollegen im Liga-Alltag schneller. „Wenige Monate nach dem enttäuschenden WM-Sommer hat der deutsche Profifußball an vielen Stellen begeistert“, konstatierte Liga-Präsident Reinhard Rauball bereits im Herbst. Positiv aus seiner Sicht: „Es wird wieder mit Enthusiasmus über diese Sportart diskutiert.“ Untergangsszenarien seien fehl am Platze.
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Doch die vorangegangene Spielzeit gab einen Vorgeschmack auf das WM-Desaster: Die Bundesliga holte für die Fünfjahreswertung des europäischen Verbandes Uefa nicht mal halb so viele Punkte wie Spanien oder England. Als der FC Bayern in der Champions League und RB Leipzig in der Europa League im Frühjahr im Viertelfinale scheiterten, war die Blamage auf internationaler Bühne perfekt. Und national herrschte im Meisterschaftskampf eingedenk der Münchener Dominanz gähnende Langeweile. Das Niveau? Meistens doch sehr überschaubar.
Nur Spanier holen mehr Punkte
Sicherlich ist es zu früh, von einer Renaissance des deutschen Vereinsfußballs zu sprechen, aber der Weg weist seit Sommer wieder in die richtige Richtung. Im aktuellen Uefa-Jahresranking haben nur die spanischen Vertreter mehr Punkte (13,571) gesammelt als die deutschen (13,071). Mit Borussia Dortmund, dem FC Bayern und dem FC Schalke qualifizierten sich drei Teams fürs Achtelfinale der Champions League. In der Europa League stürmte Eintracht Frankfurt mit sechs Siegen – Novum in der deutschen Europapokalgeschichte – zum Gruppensieg, den auch Bayer Leverkusen holte.
Endlich wieder ein Titelkampf, der seinen Namen verdient
In erster Linie erfreut sich der Fan jedoch endlich mal wieder an einem Meisterschaftskampf, der diesen Namen auch verdient. Beim Herbstmeister in Dortmund fielen die Renovierungsarbeiten am umfassendsten aus, weil mit Lucien Favre nicht nur ein neuer Trainer kam, sondern mit Sebastian Kehl (Leiter der Lizenzspielerabteilung) und Matthias Sammer (Berater) half frische Expertise von außen. Anderswo wurde bei strukturellen Defiziten durchgegriffen: In Leipzig oder Mönchengladbach wurde beispielsweise die gesamte medizinische Versorgung auf den Prüfstand gestellt und eigene Mannschaftsärzte implantiert.
Mutige Trainer in der Bundesliga
Was zudem auffällt, wie mutig mancherorts die Trainer ihre Philosophie durchziehen. Besonders offenkundig in Frankfurt, wo der offensive Ansatz unter dem Österreicher Adi Hütter für einen hohen Unterhaltungsfaktor birgt. Das torhungrige Trio mit Luka Jovic, Sébastian Haller und Ante Rebic hat es in die Notizbücher zahlreicher Großklubs gebracht. Die Combo vom Main steht für die neuen Typen, die die Lust auf die Liga neu belebt haben. Der Dortmunder Paco Alcácer, der Gladbacher Torjäger Alassane Plea oder die Düsseldorfer Überraschung Dodi Lukebakio belegen zudem, dass es nicht immer exorbitante Summen braucht, um neue Stars zu entdecken – manchmal verstecken sie sich auf den Ersatzbänken in Spanien oder England. Als neues Einkaufsland spielt Frankreich zunehmend eine wichtige Rolle, was selbst den Mittelbau à la Mainz auf ein höheres Niveau hebt. Sich über diesen Weg weltmeisterlichen Einfluss in die Bundesliga zu holen, ist gewiss nicht verkehrt, wenn deutsche Defizite in der Nachwuchsförderung nicht so schnell zu beheben sind. Aus diesem nicht mehr zu leugnenden Fakt könnte allerdings noch ein Langzeitproblem für die Liga erwachsen.