München. Die größte Veränderung beim FC Bayern betrifft die Position des Trainers. Doch obwohl Kovac noch jung ist, spricht man in München vom Triple.

Bevor es zum Pokalspiel beim Regionalligisten SV Drochtersen/Assel ging, versuchte Niko Kovac schon die Erwartungen zu dämpfen. Eigentlich weniger in Bezug auf die nur arg holprig 1:0 gewonnene Partie beim norddeutschen Dorfklub aus der vierten Liga, sondern übergeordnet. „Ich glaube, das Wort Triple wird allzu schnell in den Mund genommen“, sagte der neue Trainer des FC Bayern und verwies auf die Historie des europäischen Fußballs.

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Nur vier Vereinen ist es bisher gelungen, eine Saison mit den drei Titeln in Meisterschaft, Pokal und Champions League abzuschließen. Dem FC Barcelona zwei Mal (2015, 2009), dem FC Bayern (2013), Inter Mailand (2010) und Manchester United (1999) je ein Mal. Nimmt man den Vorgängerwettbewerb hinzu, den Europapokal der Landesmeister, glückte ein Triple-Gewinn insgesamt acht Mal (PSV Eindhoven 1988, Ajax Amsterdam 1972 und Celtic Glasgow 1967). „Wenn Sie recherchieren, wie viele Mannschaften das in der Geschichte geschafft haben, kommen wir alle auf den gleichen Nenner“, sagte Kovac und benannte den Nenner: „Dass es ganz schwierig wird.“

Rummenigge gibt das Ziel vor: "Wir wollen alles gewinnen"

Ein bisschen Selbstschutz schwang auch mit vor seiner ersten Saison als Trainer in München, vor der sich Uli Hoeneß bereits erwartungsfroh festgelegt hat. „Schon nach sechs Wochen kann man sagen, dass wir den richtigen Trainer geholt haben“, befand der Präsident bei Sky, „ich habe das Gefühl, dass wir vor einer tollen Saison stehen.“ Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge ging noch weiter und brachte seine Hoffnung auf eine Wiederholung des Dreifach-Triumphes von vor fünf Jahren unter Trainer Jupp Heynckes zum Ausdruck. „Wir möchten in allen drei Wettbewerben erfolgreich sein, nicht nur in der Bundesliga, sondern insbesondere auch in der Champions League“, sagte Rummenigge, „wir wollen das, was wir 2013 mit dem Sieg in London erlebt haben, in naher Zukunft wieder erreichen.“ Zwischendurch ließ er auch den Satz fallen: „Wir wollen alles gewinnen.“

Wenig Verstärkung für die Mannschaft

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Es erstaunt etwas, dass Rummenigge nach dem Abschied von Heynckes, 73, im Mai und dem Neustart unter dem vergleichsweise unerfahrenen Kovac, 46, das höchstmögliche Ziel so offensiv ausgibt. Zumal die Mannschaft nicht verstärkt wurde. Der ehemalige Schalker Mittelfeldspieler Leon Goretzka, 23, kam als einziger echter Zugang. Zudem kehrten die Leihspieler Serge Gnabry, 23, und Renato Sanches, 21, von der TSG Hoffenheim und Swansea City zurück – als Talente, die sich in München erst noch beweisen müssen, was bei Sanches 2016/17 schon einmal misslang. Abgegeben wurde bisher der etablierte Mittelfeldkämpfer Arturo Vidal, 31, an den FC Barcelona. Gehen soll zudem Sebastian Rudy, 28, an dem RB Leipzig und der FC Schalke Interesse haben. Noch in der Schwebe ist, ob Innenverteidiger Jérôme Boateng, 29, und Ersatz-Linksverteidiger Juan Bernat, 25, bleiben. Rummenigge und Hoeneß zeigen sich für einen Boateng-Transfer offen, Kovac würde den Weltmeister von 2014 gerne behalten. Hinzu kommt, dass die beiden prägenden Flügelspieler der vergangenen Dekade, Franck Ribéry und Arjen Robben, in der zweiten Saisonhälfte 36 und 35 Jahre alt werden.

All das klingt eigentlich nicht nach idealen Voraussetzungen für den ganz großen Coup. Es klingt für manche sogar nach Hoffnung, dass die Meisterschaft ein bisschen spannender werden könnte als in den vergangenen sechs Jahren, in denen die Bayern immer zweistellige Vorsprünge ins Ziel brachten. Mit 25 Punkten vor dem Zweiten nahmen sie 2013 die Schale in Empfang, danach folgten 19, 10, 10, 15 und zuletzt 21 Punkte Vorsprung.

Kovacs Prüfungen warten in der zweiten Saisonhälfte

Der Bundesliga-Check

Deutschland ist ein Land mit 82 Millionen Bundestrainern. Einige von ihnen sitzen in der Sportredaktion Ihrer Zeitung und tippen den Ausgang der neuen Bundesligasaison. Wer Meister wird, wer absteigt, wissen wir natürlich nicht. Aber bis zum ersten Spiel am 24. August zwischen den Bayern und Hoffenheim beleuchten wir täglich einen Klub und vervollständigen die Tabelle. Ob wir Experten sind? Das wissen wir erst am 18. Mai 2019.

Dass die Münchner mit maximalen Ansprüchen in die Saison gehen, hat aber wohl auch mit dem neuen Trainer zu tun. Nicht trotz, sondern gerade wegen Kovac hoffen sie, äußerst viel Ertrag zu erwirtschaften. Denn der in Berlin geborene und sehr geradlinige Kroate hat zuletzt über gut zwei Jahre bei Eintracht Frankfurt bewiesen, dass er besonders ergebnisorientiert coachen kann, gekrönt vom 3:1-Pokalsieg gegen die Bayern. „Ich bin eben auch ein totaler Pragmatiker: Man sollte immer das Beste aus dem machen, was man hat“, sagte Kovac über sich und sein Arbeits-Leitmotiv im SZ-Interview. Gelingt ihm das auch in München, dürfte der FC Bayern die erdrückende Vormachtstellung national behalten. Beim 5:0-Sieg im Supercup bei der Eintracht sah es schon sehr danach aus, im Pokal weniger. Doch Kovac weiß natürlich, dass die wahren Prüfungen auf ihn und seine neue Mannschaft ohnehin erst in der zweiten Saisonhälfte zukommen. Wenn es international ums Triple gehen könnte.

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