Mainz. Nie haben die Rheinhessen mehr eingenommen und ausgegeben als diesen Sommer – das macht den Kampf um den Klassenerhalt nicht zwingend leichter.

In den ersten Testspielen der Sommervorbereitung trugen die Fußball-Profis des 1. FSV Mainz 05 ein besonderes Trikot. „Unser Traum lebt“ stand in weißen Versalien auf rotem Stoff, und etliche dieser Stücke sind am vergangenen Wochenende beim Stadionfest versteigert worden. Darunter von Kunde Malong, Jean-Philippe Mateta, Stefan Bell und Pablo De Blasis getragene Jerseys, nur das Torwarttrikot des auf unbestimmte Zeit verletzten René Adler wurde ausdrücklich ungetragen feilgeboten. Mit der Aktion wollte der Klub darauf aufmerksam machen, dass ein zehntes Bundesligajahr in Folge für den selbst ernannten Karnevalsverein keine Selbstverständlichkeit ist.

Dass sich nicht mal solide geführte Mittelklassevereine dem Geschäftsgebaren auf einem entarteten Transfermarkt entziehen können, belegten die vergangenen Wochen eindrucksvoll. Am Bruchweg kam es zum nächsten Umbruch. Vor allem die Transfers des japanische Nationalspielers Yoshinori Muto (für elf Millionen Euro zu Newcastle United), Mittelfeldtalent Suat Serdar (für elf Millionen zum FC Schalke 04) und vor allem von Abwehrspieler Abdou Diallo (für 28 Millionen zu Borussia Dortmund) spülten mehr als 50 Millionen in die Kasse. Der wirtschaftliche Gewinn war die eine Seite der Medaille, der „Verlust dreier Schwergewichte“ (Sportvorstand Rouven Schröder) die andere.

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Der gebürtige Sauerländer, einst selbst u.a. beim VfL Bochum aktiv, war gefordert, mit einem Teil des Geldes einen schlagkräftigen Kader zu basteln, der kommende Saison nicht mehr so lange am Abgrund wandelt. Dafür hat Schröder geklotzt und nicht gekleckert. Nie gaben die Rheinhessen mehr Geld für Neuzugänge aus. Moussa Niakhaté (FC Metz/acht Millionen Euro Ablöse/ 22 Jahre) soll die Abwehr verstärken, Kunde (Atletico Madrid/ 7,5 Millionen/ 22) das Mittelfeld stabilisieren und Mateta (Olympique Lyon/ acht Millionen/ 20) den Angriff beleben – das ist die Wunschvorstellung. Doch in den Testspielen deutete sich an, dass das junge Trio noch Zeit benötigt.

Aarón Martín verstärkt die linke Seite

Nun am Montag zog Schröder mit dem spanischen Linksverteidiger Aarón Martín noch einen Trumpf aus dem Ärmel. Der 21-jährige Juniorennationalspieler kommt zunächst auf Leihbasis von Espanyol Barcelona, aber Mainz kann eine Kaufoption ziehen. Die soll sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen, der dann im Sommer 2019 fällig würde. Der Turbokapitalismus im Profifußball macht vor niemand mehr Halt.

Nicht mit sich reden ließ Schröder übrigens in der Causa Jean-Philippe Gbamin, der recht unverblümt seinen Wechselwunsch vortrug. „Wir haben den Anspruch, Bundesliga zu spielen, da können wir nicht sechs, sieben Spieler abgeben, Jean-Philippe ist absoluter Führungsspieler“, stellte der 42-Jährige heraus, der das „Mondangebot“ für den in Frankreich aufgewachsenen Nationalspieler der Elfenbeinküste ablehnte. Der auch erst 22 Jahre alte Defensivallrounder gilt als unverzichtbarer Eckpfeiler.

Der Bundesliga-Check

Deutschland ist ein Land mit 82 Millionen Bundestrainern. Einige von ihnen sitzen in der Sportredaktion Ihrer Zeitung und tippen den Ausgang der neuen Bundesligasaison. Wer Meister wird, wer absteigt, wissen wir natürlich nicht. Aber bis zum ersten Spiel am 24. August zwischen den Bayern und Hoffenheim beleuchten wir täglich einen Klub und vervollständigen die Tabelle. Ob wir Experten sind? Das wissen wir erst am 18. Mai 2019.

Zwei schwere Jahre mit unnötigen Grabenkämpfen und einer überfälligen Strukturreform liegen hinter den Nullfünfern. Der im Frühjahr 2016 von Werder Bremen gekommene Schröder geriet unerwartet selbst mitten in die Turbulenzen und dachte sogar selbst über eine weitere Luftveränderung - etwa zum Hamburger SV - nach. „Es waren sehr unruhige Zeiten. Überspitzt gesagt haben wir alles dafür getan, um abzusteigen. Wir haben Themenfelder gehabt abseits des Platzes, das war nicht Mainz-05-like“, sagt Schröder im Rückblick.

Vor allem die vielen Selbstzerfleischungsprozesse irritierten, denn an der Krise trugen Trainer Sandro Schwarz und seine Mannschaft gar nicht die meiste Schuld. Erst mit der Inthronisierung von Stefan Hofmann als Präsidenten anstelle des überforderten Johannes Kaluza ist die Kompetenz auf diesem Posten zurück. Der ehemalige Leiter des Nachwuchsleistungszentrums wird noch eine Weile als Brückenbauer beschäftigt sein, denn der Schulterschluss mit der Anhängerschaft könnte bei Misserfolg brüchig werden. Als nächstes soll ein neues Leitbild erarbeitet werden. Die Selbstfindung soll zu einem Manifest führen, das Vereinsführung, Fans und Mitglieder gemeinsam gegenzeichnen. Damit der Traum weiterlebt.