Gelsenkirchen/Dortmund. Erstmals nach dem Jahrhundert-Derby treffen sich Schalke und der BVB wieder. Leon Goretzka ist wehmütig – Nuri Sahin sieht „noch mehr Brisanz“ als sonst.

Die Welten liegen so nah beieinander und sind doch so weit voneinander entfernt. Wenn am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) der FC Schalke 04 den Revier-Rivalen Borussia Dortmund empfängt, dann spielt der Zweite gegen den Dritten. Ein Duell um die Vorherrschaft im Revier. Um die 1 im Pott. Trotz trifft Hoffnung. Schalke hat sich nach schwachem Start oben festgebissen, verlor aber 2:3 beim Hamburger SV. Der BVB flog durch die Startphase, stürzte auf Rang acht ab und hat nach dem 3:0 gegen Stuttgart nun wieder die Chance, eine turbulente Saison zu einem guten Ende zu bringen. Ein Duell, das elektrisiert.

Mittendrin: die Strategen. Leon Goretzka hier, Nuri Sahin dort. Kinder des Ruhrgebiets, die die Bedeutung des ­Derbys kennen, seit die Milchzähne fort sind.

Spiel auf Messers Schneide

Für Goretzka, der ab Sommer zum Star-Ensemble von Bayern München zählt, ist es das letzte Revier-Derby. „So ein Spiel gibt es in Deutschland nur einmal. Und das ist eben Schalke gegen Dortmund. Das werde ich jetzt erst einmal nicht mehr erleben“, sagt Goretzka mit einer Portion Wehmut.

Der 22-Jährige möchte diese Begegnung am liebsten ganz eng umarmen. „Ich werde das Derby vermissen, weil ich solche Spiele liebe. Um solch emotionsgeladene Spiele zu erleben, spielt man Fußball.“ Pure Emotion, kein Kalkül, keine Favoritenrollen. „Ich glaube, dass die Tabellensituation beim Derby völlig irrelevant ist. Das ist immer ein Spiel auf Messers Schneide. Es ist immer hart umkämpft. Das wird am Sonntag genau so sein.“

Goretzka will sein letztes Derby unbedingt gewinnen und dieses Erlebnis in seinem Gedächtnis fest verankern. „Ich freue mich unheimlich darauf und versuche, alles zu geben, damit wir am Sonntag einen Sieg einfahren“, verspricht er. Aber nicht nur für ihn ist die Partie von großer Bedeutung. „Wir haben einige Spieler dabei, die sich darauf noch mehr freuen, weil sie keine Routine im Derby haben“, sagt er und fügt in Erinnerung an das legendäre 4:4 nach 0:4-Halbzeitrückstand aus dem Hinspiel an: „Wenn man an das letzte Derby denkt, sollten wir vielleicht anders ins Spiel starten.“

Sahin "will über das Hinspiel nicht reden"

Nuri Sahin mag an die erste Begegnung mit Königsblau in dieser Saison nicht mehr denken. Es befällt ihn eine Art temporäre Amnesie, wenn er sich an jenen 25. November 2017 erinnern soll. „Ich will über das Hinspiel nicht reden. 4:0 zur Halbzeit, das weiß ich noch“ – Sahin ringt sich ein Grinsen ab. Beim Sieg gegen Stuttgart spielte er sich zurück in die Wahrnehmung der schwarz-gelben Gemeinde. Er habe ein „richtig, richtig gutes Spiel gemacht“, lobte Trainer Peter Stöger sein Zentralorgan im Mittelfeld, das er zuletzt geflissentlich ignoriert hatte, wenn es darum ging, seine Startformation zu bestücken. Bis zum vergangenen Wochenende war das Derby-Hinspiel die vorletzte Partie, die Sahin über 90 Minuten absolvierte.

„Bei mir heißt es in den letzten zweieinhalb, drei Jahren komischerweise immer hop oder top. Ein Mittelding gibt es nicht. Entweder ich spiele oder ich bin komplett draußen“, sagt Sahin, der zuletzt komplett draußen war.

Mit seiner umsichtigen Spielweise gegen Stuttgart und seiner Haltung als Führungsspieler empfahl sich der 29-Jährige für das Derby. „Ich habe vor dem Spiel in der Kabine zu den Jungs gesagt: Für uns muss es heißen: sechs Spiele, 18 Punkte. Danach kann man gerne knallhart analysieren.“ Sahin wurde erhört, und der BVB ist rechtzeitig vor dem Duell mit dem Reviernachbarn zurück in Schlagdistanz. Ein Punkt trennt die Rivalen.

Derby-Fieber seit der Jugend

Und mit Sahin ist ein Spieler zurück, der wie kaum ein Zweiter weiß, was Derby bedeutet. Schon in der Jugend waren die Duelle mit Schalke die wichtigsten des Jahres. „In einem Derby geht es ja immer um sehr viel. Aber jetzt ist noch mehr Brisanz drin, weil der Gewinner auf dem zweiten Tabellenplatz steht und wahrscheinlich dann auch die Pole Position hat.“

Die beste Ausgangslage, um Vizemeister zu werden. „Das alleine reicht schon als Motivation. Aber natürlich wird jetzt drumherum viel über das 4:4 geredet, das ist völlig normal, und das haben wir uns selbst eingebrockt.“

Er selbst mag dazu aber ansonsten lieber schweigen.