Leverkusen. . Anders als der FC Schalke 04 kann der Werksklub aus Leverkusen seine begehrten Talente halten. Auch dem BVB hat Bayer etwas voraus.
Am Ende wurde es nicht der FC Bayern München. Auch nicht Borussia Dortmund. Und auch keiner der ausländischen Topklubs, die angeblich Interesse zeigten. Am Mittwoch setzte Julian Brandt seine Unterschrift unter ein neues Arbeitspapier bei Bayer Leverkusen, das ihn bis 2021 bindet. Nach Jonathan Tah nahm der Werksklub damit den nächsten heftig umworbenen Jungnationalspieler vom Markt. Und vorher wurde ja auch noch der Vertrag mit Kapitän Lars Bender verlängert.
„Die beiden sind genau wie ich davon überzeugt, mit dieser Mannschaft etwas erreichen zu können“, begründete der 21-jährige Brandt.
Brandt und Tah, dazu Benjamin Henrichs und Kai Havertz – der Werksklub hat nun eine ganze Reihe vielversprechender Nationalspieler für die kommenden Jahre gebunden. Dass sie alle ihre Verträge auch erfüllen, ist zwar eher unwahrscheinlich – in diesem Fall aber würde Leverkusen immerhin durch eine hübsche Ablösesumme getröstet. So ist das Geschäft.
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Was also macht man beim Tabellenfünften besser als bei Schalke 04, wo man am Saisonende in Leon Goretzka mindestens einen und in Max Meyer wohl den zweiten hochbegabten Akteur ablösefrei abgeben muss? Nachdem in den vergangenen Jahren ähnliches schon mit Joel Matip und Sead Kolasinac passiert war?
Ruhe als Standortvorteil
Jürgen Kohler, einst selbst Sportdirektor am Rhein, sieht vor allem das ruhige Umfeld als Leverkusener Standortvorteil: „Junge, hoffnungsvolle Spieler können sich in so einer Umgebung einfach schneller zurechtfinden und haben durch viele Einsatzzeiten die Möglichkeit, sich zu verbessern“, sagt er. „Brandt und Tah sehen in Leverkusen einen top geführten Verein mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass sich junge Spieler da sehr gut entwickeln können.“
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Weniger Emotionalität und Aufregung im Umfeld – das bedeutet eben auch weniger Druck und weniger Angst, Fehler zu machen. Im Notfall absorbiert Sportdirektor Rudi Völler, mit Kohler 1990 in Italien Weltmeister, allen Druck und wirft sich in die Querschüsse. Sein Rat bedeutet den Talenten unheimlich viel.
Natürlich mache auch die Vereinsführung einiges richtig, so Kohler: „Sie achtet schon darauf, dass sie nicht nur junge Spieler holt, sondern dass die auch deutsch sprechen“, sagte er. „Darauf achten nicht alle Klubs so stark.“
Siehe Borussia Dortmund, wo in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe hochtalentierter Spieler aus diversen Ländern Europas verpflichtet wurde. Das war einerseits folgerichtig, weil sich der BVB meist in höheren Sphären bewegte und damit auch Spieler mit größerer Begabung locken musste. Aber: Das Mehr an Talent ging oft mit einer deutlich geringeren Identifikation daher – was nicht zuletzt das Beispiel Ousmane Dembélé zeigte, der sich im Sommer zum FC Barcelona streikte.
Dennoch setzen die Dortmunder auch aktuell eher auf internationale Talente wie den Engländer Jadon Sancho und den Spanier Sergio Gomez. Für Kohler ein gefährlicher Weg: „Die Sprache ist die Grundvoraussetzung, um sich integrieren zu können. Wer die nicht lernt, wird sich weder im Verein noch außerhalb wohlfühlen.“
Und das sei eben der große Leverkusener Vorteil: dass man seinen Spielern eine Wohlfühlatmosphäre biete, auch durch die gemeinsame Sprache. Das hilft, junge Spieler zu locken und zu binden – hat aber auch einen gravierenden Nachteil. Denn seit Jahren muss sich Leverkusen den Vorwurf gefallen lassen, dass das angenehme Binnenklima nicht immer leistungsfördernd ist: „Wir müssen raus aus der Komfortzone“, forderte 2010 schon der damalige Trainer Bruno Labbadia, auch andere sprachen von einer Wohlfühl-Oase.
Der ganz große Erfolg fehlt
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„Vielleicht ist das ein Grund, dass Bayer am Ende immer etwas fehlt“, meint auch Kohler. Denn der letzte Titel ist schon eine ganze Weile her, 1993 gewann Leverkusen den DFB-Pokal. Und so fordert auch der Weltmeister und Champions-League-Sieger Kohler bei allem Lob für die Vertragsverantwortlichen: „Das verpflichtet Bayer natürlich, irgendwann mal wieder einen großen Wurf zu machen.“