Essen/Leipzig. RB Leipzig kann am Freitag mit einem Sieg in Leverkusen erstmals die Bundesliga-Spitze übernehmen. Wir haben mit Trainer Hasenhüttl gesprochen.
Aufsteiger RB Leipzig ist nach zehn Spieltagen ungeschlagen und punktgleich mit Tabellenführer und Rekordmeister Bayern München. Vor dem Spiel bei Bayer Leverkusen (Freitag, 18. November) sprachen wir mit RBL-Trainer Ralph Hasenhüttl über die Kritik von der Liga-Konkurrenz, Anfeindungen von gegnerischen Fans und die Entwicklung seiner Mannschaft.
Herr Hasenhüttl, vor der Saison haben Sie gesagt, dass Sie im Sommerurlaub nicht abschalten konnten. Wie wird das in der Winterpause wohl sein?
Ralph Hasenhüttl: Es wird zumindest eine etwas andere Situation sein. Man weiß ja, worauf man sich dann freuen kann. Im Sommer war erst einmal eine gewisse Unsicherheit da. Ich wusste nicht, was mich erwartet, kannte die Mannschaft und das Trainer-Team noch nicht komplett.
Hatten Sie Bedenken?
Hasenhüttl: Nein. Aber wenn man nicht genau weiß, was auf einen zukommt, ist man einfach ein bisschen angespannter. Allerdings habe ich nicht gedacht, dass mir in Leipzig etwas komplett Überraschendes begegnet. Ich habe gewusst, dass mich hier viel Fachkompetenz erwartet, ein toller Verein mit einer super Mannschaft, und zuletzt natürlich eine ganz andere Erwartungshaltung als bei dem Verein, bei dem ich vorher war.
Kölns Sportchef Jörg Schmadtke hat gesagt, dass RB Leipzig kein normaler Aufsteiger ist und sich nicht mit dem SV Darmstadt vergleichen kann. Wie sehr stört Sie so eine Aussage?
Hasenhüttl: Zuerst stimmt es nicht, denn ich habe uns noch nicht ein einziges Mal mit Darmstadt verglichen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass wir ein Aufsteiger sind. Auch wenn wir sehr gute Bedingungen haben. Es ist einfach so, dass wir eine Mannschaft haben, die kaum Bundesliga-Erfahrung hat und dazu noch mit die jüngste ist. Das ist Fakt. Ich habe mich zum Beispiel in Köln nicht geschämt, dass wir dort als Aufsteiger einen Punkt geholt haben. Ich glaube, dass wir mittlerweile gezeigt haben, dass wir eine Bereicherung für die Bundesliga sind und unsere junge Mannschaft mithalten kann. Das hat gar nichts mit Understatement zu tun, sondern mit der Tatsache, dass wir ein Aufsteiger sind. Und dafür schlagen wir uns nicht schlecht.
Von den Fans in den Stadien soll es häufig Anfeindungen gegeben haben. Gibt es Spieler, die damit Probleme haben?
Hasenhüttl: Seit ich hier bin, habe ich keinerlei Anfeindungen mitbekommen. Was ist denn bisher passiert? Es war ein angesagter Fernbleibe-Protest von einigen Ultra-Gruppierungen, der sich dann beim Dortmund-Spiel aber als Rohrkrepierer herausgestellt hat. Das war es dann aber auch. Mehr habe ich nicht gehört. Ganz im Gegenteil: Wir haben viele von den Attributen, die heutzutage einem Verein Profil und Strahlkraft verleihen und sind deswegen eine rundum positive Erscheinung für diese Liga. Mir kommt es in letzter Zeit verstärkt so vor, dass noch mehr neutrale Leute RB Leipzig verfolgen. Zudem haben wir einen erfolgreichen Saisonstart mit attraktivem Fußball hingelegt.
Was, denken Sie, wird mit der Wahrnehmung und Unterstützung durch die eigenen Fans passieren, wenn die Mannschaft mal zwei Spiele in Folge verliert?
Hasenhüttl: Wir machen uns keine Gedanken darüber, was passieren könnte, wenn der Erfolg mal nicht so da ist wie im Augenblick. Unsere Erfolge sind sicherlich nicht nur auf die Euphorie, die in dieser Stadt herrscht, zurückzuführen. Aber natürlich freuen wir uns darüber, dass wir mit unserer Art Fußball zu spielen in der Stadt und in der gesamten Region eine große Begeisterung entfacht haben.
Stichwort Fußballbegeisterung: In der Länderspielpause gab es das Leipziger Stadtderby zwischen Chemie und Lok. Haben Sie etwas davon mitbekommen?
Hasenhüttl: Ja, ich habe es sogar ein paar Minuten im Fernsehen gesehen.
Aus Verbundenheit zur neuen Heimat oder aus sportlichem Interesse?
Hasenhüttl: Eher aus Zufall (lacht).
Kommen wir zum rein Sportlichen. Ein Punkt in Leverkusen reicht und Sie sind für mindestens eine Nacht Tabellenführer.
Hasenhüttl: Das wäre eine angenehme Begleiterscheinung, wenn man dort punkten würde. Für uns geht es aber in erster Linie darum, dass wir beweisen, bei einem deutschen Top-Team erneut bestehen zu können. Das ist alles, was uns interessiert.
Ist Leverkusen nach dem BVB die größte Reifeprüfung für Ihre Mannschaft?
Hasenhüttl: Das denke ich nicht, denn bisher waren alle Aufgaben sehr schwierig. Leverkusen hat den Anspruch, ganz weit vorne zu stehen. Vor der Saison wurde die Mannschaft als ein Bayern-Jäger gehandelt und ist damit der nächste Gradmesser für uns.
Vermutlich sind Sie eher der Realist und behalten einen kühlen Kopf. Wie oft träumen Sie trotzdem von kleineren und größeren Erfolgen?
Hasenhüttl: Gar nicht. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, die Realität nicht aus den Augen zu verlieren. Wahrscheinlich bin ich derjenige, der derzeit mit am besten sieht, wie weit die Mannschaft ist und was sie zu leisten im Stande ist. Ich habe allerdings auch nichts dagegen, wenn sie mich weiterhin so positiv überrascht.
Das bedeutet ja, dass Dinge viel besser laufen als ursprünglich geplant. Welche sind das?
Hasenhüttl: Man konnte sicherlich nicht davon ausgehen, dass wir nach dem zehnten Spieltag immer noch ungeschlagen sind. Die Geschwindigkeit, mit der wir uns weiterentwickeln, ist auch nicht zu erwarten gewesen. Das zeigt aber, was für ein enormes Potential in der Mannschaft steckt. Das liegt daran, dass sie sehr lernwillig ist und einen besonderen Teamspirit hat.
Denken Sie manchmal darüber nach, dass es Sie ganz schön gut erwischt hat? Ihr Nachfolger Markus Kauczinski wurde jüngst entlassen...
Hasenhüttl: Ich bin stolz, Trainer des FC Ingolstadt gewesen zu sein. Ich möchte keine Minute davon missen. Auch jetzt verfolge ich natürlich noch die Mannschaft und den Verein.